Kinder gehören nicht eingesperrt

Nein, nach dem mehrfachen schweren sexuellen Missbrauch eines zwölfjährigen Mädchens in Wien durch 17 Kinder und Jugendliche darf man nicht zur Tagesordnung übergehen. Das muss Konsequenzen haben. Alle einzusperren wäre jedoch vollkommen falsch. Es würde dem Zugang einer schwarzen Pädagogik entsprechen, die glaubt, durch Strafen alles richten zu können.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) möchte FPÖ-Chef Herbert Kickl um nichts nachstehen und hat daher nach diesem eine Debatte über eine Senkung der Strafmündigkeit auf unter 14 angeregt. Eine solche Mündigkeit bestehe für Jüngere auch bei Delikten wie Vergewaltigung und massiver Körperverletzung nicht.
Verfassungsministerin Karolinde Edtstadler (ÖVP) verweist unter anderem auf die Schweiz. Dort beginnt die Strafmündigkeit schon bei Zehnjährigen. Auch Kickl-Parteifreund Michael Schnedlitz findet das nachahmenswert: „Prävention und Streetwork sind nett, ist bei Minderjährigen, die bereit sind, Mädchen zu vergewaltigen oder gar zu ermorden, wohl aber der falsche Weg. Solche Täter muss die volle Härte des Gesetzes treffen“, sagt er. Sprich: Auch Kinder sollen eingesperrt werden können.
Die Schweiz wäre wirklich ein Vorbild. Aber anders als Edtstadler und Schnedlitz vermitteln. Bei den Eidgenossen gibt es ein eigenes Jugendstrafrecht, das sich grundlegend vom Erwachsenenstrafrecht unterscheidet. Bei ab Zehnjährigen geht es demnach nicht darum, sie büßen zu lassen, sondern sie zu erziehen und zu schützen. Das ist im entsprechenden Gesetz ausdrücklich so festgehalten. Es geht davon aus, dass sich Kinder und Jugendliche noch in einem Entwicklungsstadium befinden; dass man das berücksichtigen und darauf reagieren muss.
Begangene Taten sind nicht egal. Im Gegenteil. Es wird aber darauf geachtet, welche Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen (unter Umständen auch in stationären Einrichtungen) erforderlich sind, um die jungen Täter wieder auf das zu bringen, was gemeinhin als die richtige Bahn bezeichnet wird.
Strafen sind mild. Besonders für unter 15-Jährige. Möglich sind Verweise, vergleichbar mit einer Verwarnung, sowie verpflichtende soziale Dienste. Geld- geschweige denn Haftstrafen gibt es für diese Altersgruppe nicht. Sprich: Kinder werden in der Schweiz nicht eingesperrt, die „volle Härte des Gesetzes“, die Schnedlitz fordert, existieren für sie eben genau nicht.
Insofern erscheint das wirklich vorbildlich und könnte sogar ausgeweitet werden. Gerade in Wien, wo es sehr viele Kinder und Jugendliche aus anderen Kulturen und ohne adäquate Erziehung durch ihre Eltern gibt: Für sie braucht es verpflichtende Ganztagskindergärten und -schulen. Das würde sehr viele von sehr üblem bewahren. Und wenn sie trotzdem auf die schiefe Bahn geraten, muss das Engagement ausgeweitet werden. Ins Gefängnis strecken darf man Zehn-, Zwölfjährige jedoch nicht. Es wäre ein zivilisatorischer Rückschritt.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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