Man könnte glauben, das neue Jahr sei schon gelaufen. Und zwar in dem Sinne, dass sich Donald Trump bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl im November gegen Amtsinhaber Joe Biden durchsetzen wird. Und dass die FPÖ bei der österreichischen Nationalratswahl (voraussichtlich) im September auf Platz eins landen und Herbert Kickl dann ins Kanzleramt einziehen wird. Diesen Eindruck vermitteln zahlreiche Kommentare und Analysen zu 2024. Und natürlich: Das eine wie das andere ist nicht unmöglich, sondern wahrscheinlich; aber halt nur bis zu einem gewissen Grad.
Beispiel: Politische Stimmungslagen verändern sich. 2021 noch lagen hierzulande die Türkisen unter Sebastian Kurz weit vorne. 2022 durften sich die Roten unter Pamela Rendi-Wagner Hoffnungen machen und jetzt können es die Freiheitlichen tun. Zweitens: Regelmäßig kommt es zu Überraschungen, die alles über den Haufen werfen. Vor drei Jahren konnte niemand damit rechnen, dass Kurz bald darauf zurücktreten muss. Und vor fünf Jahren konnte kein Mensch die Ibiza-Affäre auf der Liste haben, die die FPÖ wenig später in ein tiefes Loch stürzte.
Der Haken bei alledem ist, dass es sich um unvorhersehbare Ereignisse handelt, die nicht beeinflusst werden können. Anders ausgedrückt: Kickl-Gegner können sich nicht darauf verlassen, dass schon noch irgendetwas passieren wird.
Herbert Kickl selbst kann sich umgekehrt nicht sicher sein, einen Wahlerfolg schon in der Tasche zu haben. Was er aber sehr wohl bestimmen kann, sind Chancen. Zum Beispiel auch jene, als Obmann einer vielleicht bald stärksten Partei auch wirklich Regierungschef werden und sich dann auch eine Zeit lang als solcher halten zu können. Um es vorwegzunehmen: Er tut alles, um sich um diese Chancen zu bringen.
Die Erklärung dafür ist einfach: Kickls Erfolgsgeheimnis ist kompromisslose Radikalität. Er tritt gegen „das System“ an und meint damit im Grunde genommen alle anderen Parteien und deren Vertreter. Im Übrigen spielt er gerne mit einem „Öxit“, also einem EU-Austritt. Trotzdem will er Wohlstand nicht nur erhalten, sondern mehren. Seine Ankündigung, ein Volkskanzler werden zu wollen, heißt wiederum, dass er sich einem von ihm behaupteten Volkswillen verpflichtet fühlt und nicht der Volksvertretung bzw. Mehrheitsverhältnissen auf parlamentarischer Ebene.
Rhetorische Frage: Welche Partei soll unter diesen Umständen mit ihm zusammenarbeiten, damit er Kanzler werden kann? Und selbst wenn sich eine finden würde: Wie will er Erwartungen, die er durch seine Ankündigungen weckt, gerecht werden, um in ein paar Jahren bestätigt zu werden? Es ist schier unmöglich.
Es würde nur gehen, wenn die FPÖ bei einer Nationalratswahl die absolute Mehrheit holt. Davon ist sie jedoch weit entfernt. Kickl macht es durch seine Radikalität Bundespräsident Alexander Van der Bellen vielmehr einfacher, ihn als Kanzler und z.B. der ÖVP, ihn als Koalitionspartner abzulehnen. Er isoliert sich. Und zwar im Wissen, dass er so gegenüber seiner Anhängerschaft das maximal Mögliche herausholen kann: Er kann sich schier unendlich lange als derjenige inszenieren, der „vom System“ ausgegrenzt wird, weil er gegen „das System“ sei. Darum geht’s ihm. Aufs Kanzleramt legt er’s vorerst jedenfalls nicht an.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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