Kerry hat alles gegeben
So sehr sich Kerry im Laufe des Wahlkampfs auch steigern konnte, indem er die Angriffe gegen Präsident George W. Bush immer härter vortrug – seine Kampagne zog ihre Kraft größtenteils nicht aus Persönlichkeit und Programm des Kandidaten, sondern aus der Wut auf Bush, der für weite Teile der demokratischen Parteibasis zur Unperson geworden ist. Das aber reichte nicht. Für den Sieg hätte Kerry mehr Wechselwähler überzeugen müssen.
Die Niederlage ist für Kerry umso bitterer, da der Sieg schon greifbar schien. In der Wahlnacht spitzte sich das Drama auf den Schlüsselstaat Ohio zu – und der Demokrat musste in seinem Anwesen im Bostoner Luxusviertel Beacon Hill mit der Entscheidung ringen, ob er es auf die noch bis Mitte November dauernde Auswertung zunächst nicht mitgezähler Stimmen in Ohio ankommen lassen sollte. Schließlich setzte sich bei ihm aber doch die Einsicht durch, dass die Mehrheit von rund 140.000 Stimmen, die Bush in dem Mittelweststaat vorgelegt hatte, sich auch mit der nachträglichen Stimmenauswertung nicht mehr würde aufholen lassen.
Kerry war mit Riesenoptimismus in diese Wahlnacht gegangen. Denn in der Schlussphase des Wahlkampfs war es ihm immer wieder gelungen, den Präsidenten in die Defensive zu treiben. In den drei Fernsehduellen sah Kerry präsidialer als der Präsident aus und konnte pointiert seine Botschaft herüber bringen, dass Bush mit der Invasion im Irak nötige Kräfte von der Jagd auf Osama bin Laden abgezogen habe und die USA nur durch enge Kooperation mit den Partnern wieder aus dem Schlamassel kommen könnten.
Doch Kerry hatte in der Auseinandersetzung um den Irak-Krieg von Anfang an einen schweren Stand. Denn eine wirkliche Alternative zum Kurs der Regierung hatte er nicht zu bieten. Auch der Demokrat argumentierte, dass die Truppen im Irak bleiben müssten, bis das Land stabilisiert sei, und wollte sich auf keinen Zeitplan für den Abzug festlegen. Zudem bot sein Abstimmungsverhalten im Senat Angriffsfläche. Denn im Oktober 2002 hatte er für die Resolution votiert, die Bush die grundsätzliche Ermächtigung zu dem Waffengang erteilte. Später stimmte er dann gegen Haushaltsmittel von 87 Milliarden Dollar (68,2 Mrd. Euro) für die Einsätze im Irak und Afghanistan, was Bush als fehlende Solidarität mit den Truppen anprangerte.
Der Präsident kanzelte Kerry als Mann mit mangelndem Rückgrat ab, der als Oberbefehlshaber ein Sicherheitsrisiko für die USA darstellen würde – und fand mit dieser Warnung offenbar bei vielen Wechselwählern Gehör. Persönlich am härtesten getroffen haben dürfte den Senator aber die Anzeigen einer Gruppe von Vietnamveranen. Kerry, der als Schnellbootkommandant im Mekong-Delta mit fünf Medaillen für seine Tapferkeit und Wunden ausgezeichnet worden war, hatte seinen freiwilligen Dienst in Vietnam anfangs ins Zentrum seiner Kampagne gestellt. Die Veteranengruppe aber warf ihm vor, seine Auszeichnungen mit Lügengeschichten erschwindelt zu haben. Und sie beschuldigte ihn auch, mit seiner Wandlung zum öffentlichen Kritiker des Vietnamkriegs, die ihn Anfang der 70er Jahre landesweit bekannt machte, die Kameraden verraten zu haben.
Die wütenden Angriffe auf seine Person steckte der 60-Jährige zwar mit der ihm eigenen Zähigkeit weg. Seine Kampfeslust wurde dadurch nur noch weiter stimuliert. Jedoch konnte der Diplomatensohn aus Neuengland, der einen großen Teil seiner Kindheit in Europa verbrachte und fließendes Französisch spricht, nie die selbe Volksnähe ausstrahlen wie der Präsident. Mit seiner Wahlniederlage verschwindet Kerry nun aber nicht von der politischen Bühne. Als Senator wird er in Washington präsent bleiben. Dass er in vier Jahren nochmals für die Präsidentschaft kandidiert, gilt aber als unwahrscheinlich. Fraglich ist auch, ob seine Frau Teresa Heinz, die gebürtige Portugiesin und steinreiche Witwe des Ketchup-Magnaten John Heinz, noch einmal mitmachen würde. Sie wird sich nun wieder auf die von ihr geführten Stiftungen konzentrieren, die Millionen Dollar für Umwelt- Gesundheits- und Bildungsprogramme vergeben.
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