In Österreich pflegen Regierungsmitglieder, ihren Rücktritt persönlich zu begründen. Ex-Ex-Kanzler Sebastian Kurz schied aus, um sich seiner Familie widmen zu können, bei Ex-Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) war’s ähnlich. Das ist zu respektieren. Sie haben aber auch gehen müssen, weil sie in Affären verwickelt sind, die nicht nur einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschäftigen, sondern auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die diese Woche sogar eine Festnahme bestätigte; nämlich die der ehemaligen ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin. Kurz und Blümel weisen Vorwürfe, die sie betreffen, zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.
Sehr persönlich gehalten sind auch Rücktrittserklärungen von Gesundheitsministern. Vor nicht einmal einem Jahr berichtete Rudolf Anschober (Grüne), er sei „überarbeitet und ausgepowert“. Das war glaubwürdig. Die ersten Monate der Pandemie waren insofern auch extrem belastend für ihn, als ein solches Phänomen für alle etwas Neues war und niemand wusste, wie damit umzugehen ist, geschweige denn, was kommen könnte.
Gestern folgte Wolfgang Mückstein mit seinem Abschied, er beklagte sich über Bedrohungen und darüber, dass er nur noch unter Polizeischutz aus dem Haus konnte. Auf Dauer sei so etwas nicht auszuhalten. Vor allem aufgrund des ohnehin schon belastenden Jobs, bei dem man immer 100 Prozent leisten sollte, was er eigenen Angaben zufolge nicht mehr konnte.
Wie bei Anschober ist auch das nachvollziehbar: In der Pandemie ist es zu gesellschaftlichen Konflikten gekommen, die am Gesundheitsminister, der im Zentrum steht, nicht vorbeigehen können. So etwas zehrt vielmehr.
Es kommt aber noch etwas dazu, was zumindest Mückstein mit keiner Silbe erwähnte: Zum einen sind dies persönliche Unzulänglichkeiten, zum anderen die äußeren Umstände. Damit gemeint sind ein Koalitionspartner sowie neun Landeshauptleute, mit denen man erst einmal zurechtkommen muss. Mückstein tat es nicht. Es war eher so, dass er sich zunehmend zu ihrem Diener degradieren ließ. Im Dezember installierte Karl Nehammer (ÖVP) im Kanzleramt den übergeordneten Krisenstab „Gecko“, zuletzt bestellte der Regierungschef die Experten, die in Kürze erklären werden, wie’s mit der Impfpflicht weitergehen soll. Mückstein hatte nichts mehr anzuschaffen, es fehlte ihm schlicht das Geschick, derartiges zu verhindern.
Das zählt zu seinen persönlichen Unzulänglichkeiten und liegt gewissermaßen auch in der Natur der Sache: Bis zu seiner Angelobung als Gesundheitsminister war er Arzt, behandelte Menschen und war nicht damit beschäftigt, Allianzen zu bilden und Intrigen zu bekämpfen, um seinen Willen am Ende des Tages durchzusetzen. Er war kein Berufspolitiker. Es zählte daher auch nicht zu seinen Stärken, ordentliche Reden zu halten, damit die Menschen erfahren, was er will. Ist so.
Es spricht eher gegen die Grünen und gegen ihren Chef, Vizekanzler Werner Kogler, dass sie auf so jemanden zurückgegriffen haben: Sie haben ihm einen Job zugemutet, der unmöglich ist für ihn. An dem er scheitern musste. Vielleicht aber wird beim Nachfolger alles besser. Der Vorarlberger Johannes Rauch ist im Unterschied zu Mückstein ein ausgewiesener Politprofil und weniger dünnhäutig als Anschober, der einst ebenfalls Landesrat war.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.