Kaunertal-Kraftwerk: Zweites Blatten für Experten möglich

Der Schweizer Glaziologe und Geomorphologe kam bei seiner Analyse zum Schluss, dass "die thermischen und topografischen Gegebenheiten des destabilisierten Berghangs im Lötschental mit jenen im Kaunertal vergleichbar sind". Die vom landeseigenen Tiroler Energieversorger Tiwag eingebrachten Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), deren Begutachtungsfrist am 12. September endet, entsprächen in dieser Hinsicht "absolut nicht dem aktuellen Stand des Wissens". "Es braucht moderne, szenariobasierte Modelle, bei denen Veränderungen mit Zeitskalen realistisch abgeschätzt werden können", sagte Haeberli bei einer Online-Pressekonferenz.
Tiwag berücksichtige Veränderung nicht ausreichend
Die Tiwag berücksichtige in ihren UVP-Unterlagen "die Veränderung der Natur im Hochgebirge durch den Klimawandel" keinesfalls ausreichend, führte der Wissenschafter weiters aus. Durch die Klimaerwärmung bestehe etwa die Möglichkeit, dass sich neue Gletscherseen am Gepatschferner bilden oder es infolge des Auftauens des Permafrostes zu Felsstürzen komme. Träfen diese beiden "möglichen Szenarien" zusammen, könne es etwa zu "gefährlichen Flutwellen kommen", warnte er erneut. Fakt sei jedenfalls, dass sich das Risiko für Bergstürze in den vergangenen Jahrzehnten vervierfacht habe, was als "ernste Warnung für Kraftwerksbetreiber im Hochgebirge" gesehen werden müsse, so der an der Universität Zürich tätige Forscher.
Auch Maximilian Frey vom WWF-Österreich ging mit der Tiwag hart ins Gericht. Diese verliere in den UVP-Unterlagen "kein Wort über potenzielle Risiken oder spielt diese herunter", sagte Frey. Die "Betrachtung der Naturgefahren" sei lückenhaft und das Risiko für "großkalibrige Fels- und Bergstürze" werde nicht ernst genommen. "Die Sicherheitsmängel sind somit zu massiv und das Projekt kann auf Basis dieser Unterlagen nicht genehmigt werden", meinte Frey.
Tiwag sieht "keine sicherheitsrelevante Rolle" von Permafrost
Die Tiwag wies indes in einer Aussendung darauf hin, dass "Naturgefahren wie Hochwasser, Muren, Steinschlag oder Lawinen in hochalpinen Gebieten nichts Ungewöhnliches" seien. Man habe diese Risiken "frühzeitig und umfassend unter der Einbeziehung aktueller Klimaszenarien analysiert" und die daraus folgenden Ergebnisse "simuliert, bewertet und von mehreren unabhängigen Experten prüfen lassen", hieß es. Permafrost wiederum spiele, so zeigten es die Erhebungen für das UVP-Verfahren, "laut umfangreich erarbeiteter Klimaszenarien keine sicherheitsrelevante Rolle".
Die Pläne für das Mega-Pumpspeicherkraftwerk waren zum ersten Mal im Jahr 2009 eingereicht, die UVP erstmals 2012 gestellt worden. Sowohl frühere Landesregierungen als auch die aktuelle aus ÖVP und SPÖ bekannten sich bisher zum Kaunertaler Kraftwerksausbau. Die Tiwag betonte stets, am Kraftwerksprojekt führe kein Weg vorbei, um die in Tirol für 2050 anvisierte Energieautonomie zu erreichen.
(APA)
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