Das ist es doch nicht, dachte sich Thomas Pfeifer vor zwölf Jahren und schmiss kurzerhand seinen Job als Filialleiter in einer Tiroler Bank. Ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten, Kunden Produkte anzudrehen, die sie nicht brauchen, nur damit die Zahlen stimmen, erzählt der bald 37-Jährige. Zwar wusste er noch nicht, was danach passieren wird, er wusste nur, dass er irgendetwas mit Menschen machen wollte. Zwei Jahre lang hielt er sich mit Taxifahren über Wasser, bis er auf der Sozialakademie in Bregenz gelandet und im Land geblieben ist. In den zehn Jahren ist der Tiroler zu einem waschechten Vorarlberger avanciert, zurück in die Heimat zieht es ihn schon lange nicht mehr. Ich habe mich hier sofort wohl gefühlt, sagt er und auch dem Vorarlberger Nebel hat er mittlerweile seine reizvollen Seiten abgewonnen. Das Düstere und Geheimnisvolle, das fasziniert mich.
Jeder Tag anders
Seit sieben Jahren ist der diplomierte Sozialarbeiter nun bei TeamMika in Bregenz tätig. Die Suchtberatung ist auf illegale Drogen spezialisiert, die legalen kommen aber bei fast allen Klienten dazu. Es wird wild durcheinander konsumiert: Cannabis, Heroin, Tabletten, Alkohol, sagt Pfeifer. Den typischen Heroinkonsumenten gibt es nicht mehr. Die Drogen stehen aber bei TeamMika nicht im Mittelpunkt. Es geht viel mehr um das Leben, das die Leute meistern müssen. Wenn Thomas Pfeifer am Morgen in sein Büro in die Montfortstraße kommt, weiß er meist nicht, was auf ihn zukommt. Kein Tag ist wie der andere, jeden Tag warten neue Herausforderungen, neue Gesichter und harte Schicksale. Manche Klienten kommen nur einmal, andere über Jahre oder gar Jahrzehnte. Um mit all diesen Geschichten umgehen zu können, brauche man selbst eine stabile Situation und einen guten Ausgleich, meint Pfeifer. Vor allem aber sei es ein Lernprozess, dass man nach Feierabend und am Wochenende abschalten kann: Am besten erhole ich mich, wenn nichts passiert: Spazieren gehen, Rasen mähen, einfach die Gedanken schweifen lassen und den Kopf durchlüften. Der Gaißauer mit Tiroler Wurzeln betreut Suchtkranke und Familien, in denen es Drogenprobleme gibt, veranstaltet Workshops mit Schulklassen, macht Präventionsarbeit auf Veranstaltungen, organisiert Entzugsplätze. Viele seiner Klienten haben schwere Traumatisierungen erlebt. Hier gilt es behutsam mit den Leuten umzugehen und Vertrauen zu gewinnen, damit sie sich öffnen. Drogenabhängige sind nicht zwangsläufig verwahrlost und aggressiv, räumt Pfeifer mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf. Nicht wenige seiner Klienten führen ein relativ normales Leben und stehen erfolgreich im Berufsleben. Suchtkranke werden von der Gesellschaft immer noch extrem diskriminiert. Viele denken: Der muss ja nur wollen, dann schafft er es auch aufzuhören. Das Verständnis, dass in diesen Fällen eine schwere psychische Erkrankung vorliegt, fehlt vollkommen, ärgert er sich.
Szene wird jünger
Sein jüngster Patient war zwölf Jahre alt, der älteste ging vor Kurzem in Pension. Was der Suchtberater beobachtet hat: Die Szene wird immer jünger. Aber die Leute erkannten schon früher, dass sie ein Problem haben. Sie sind doch der vom TeamMika? Ich würde auch gerne zu Ihnen kommen, hat ihn erst kürzlich ein Junge auf der Straße angesprochen. Das freut mich. Es zeigt, dass die Öffentlichkeitsarbeit greift und die Betroffenen wissen, dass es eine Anlaufstelle gibt, sagt Pfeifer.
ZUR PERSON
Thomas Pfeifer arbeitet seit sieben Jahren als Suchtberater beim TeamMika in Bregenz
Geboren: 17. Juli 1973
Ausbildung: Lehre zum Bankkaufmann, Sozialakademie Bregenz, derzeit: Master zum Sozial- und Bildungsmanager an der Universität Graz.
Laufbahn: Bankfilialleiter (1992-98), seit 2003 Dipl. Sozialarbeiter bei TeamMika in Bregenz
Familie: ledig
Hobbys: Spazierengehen, Garten, Musik hören
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