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Jüdisches Museum Hohenems wagt sich an die Grenze

Das Jüdische Museum Hohenems widmet sich in seiner neuen Ausstellung sichtbaren und unsichtbaren Grenzen.
Das Jüdische Museum Hohenems widmet sich in seiner neuen Ausstellung sichtbaren und unsichtbaren Grenzen. ©VN/Paulitsch
Das Jüdische Museum Hohenems (JMH) widmet sich in seiner neuen Ausstellung "Sag Schibbolet!" von 18. März bis 17. Februar 2019 sichtbaren und unsichtbaren Grenzen.
"Sag Schibbolet!"
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In der Schau, die in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum München entstand, versammelte das Team um Direktor Hanno Loewy und Kurator Boaz Levin zwölf künstlerische Positionen, die sich durch das gesamte Haus ziehen.

Das Jüdische Museum Hohenems sei aufgrund seiner Lage in Nähe zur Schweizer Grenze, an der sich in der NS-Zeit zahlreiche Fluchtgeschichten abspielten, prädestiniert für das Thema. Man habe sich dem aber nicht nur historisch, sondern aus der Perspektive der Gegenwart annähern wollen.

Das Thema sei in einer Zeit neuer Nationalismen und Abschottungen, wo überall in der Welt Grenzen neu errichtet und bewaffnet würden und das Schengener Abkommen immer stärker unter Druck gerate, hochaktuell, so Direktor Loewy am Freitag bei einem Pressegespräch. “Wir wollten das Thema aus dem oft radikaleren Blick von Künstlern angehen und so ungewöhnliche Perspektiven und einen globalen Blick ermöglichen”, erklärte er.

Geschichte und Gegenwart verbinden

Ziel der Schau sei es, die Geschichte mit der Gegenwart zu verbinden, um beide besser verstehen zu können, so der aus Jerusalem stammende und in Berlin lebende Kurator Boaz Levin. Der Begriff “Schibbolet”, hebräisch “Kornähre” oder “Wasserstrudel”, bezieht sich auf eine biblische Geschichte. Die Armee aus Gilead schlägt den Stamm Ephraim im Gefecht und besetzt die Flussufer des Jordan. Wann immer ein Ephraimit versucht, den Fluss zu überqueren, wird er aufgefordert das Wort “Schibbolet” zu sagen. Seine dialektgefärbte Aussprache entlarvt ihn als Feind und beschert ihm den Tod. Damit wurde “Schibbolet” zum sozialen Code. “Das Kommunikationsmittel Sprache kann so leicht zur Grenze werden”, erläuterte Kurator Levin.

Aktuell zeigt sich dieser Aspekt etwa in Lawrence Abu Hamdans “Conflicting Phonemes” (2012), in der er sprachanalytische Methoden zur Herkunftsbestimmung von Asylsuchenden dokumentiert. Zehn “sprechende” Grenzsteine vom Alten Rhein – einer wurde von dem Fotografen Arno Gisinger in “Schuss/ Gegenschuss” (2018) porträtiert – leiten das Publikum durch die Schau. Ausstellungsgestalter Roland Koch lässt die Besucher ständig Grenzen übertreten in Form von roten Lichtlinien, die Dauerausstellung und Sonderschau verbinden.

Grenze zwischen öffentlichem und privatem

Die Frage nach der Grenze zwischen öffentlichem und privaten Raum stellt Sophie Calle mit “L’Erouv de Jerusalem” (1996), die entlang des Schabbat-Zauns in New York Geschichten gesammelt hat. In einem speziell für die Schau erarbeiteten Videoessay untersuchen Ryan S. Jeffery und Quinn Slobodian mit “The Walls of the WTO” die Ursprünge unseres globalen Wirtschaftssystems, in dem Waren frei sind, Menschen aber in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Eine simple Geste setzt Ovidiu Anton, der in dem Video “Exchanging Lemons in Lefkosia and Lefkosa” (2015) zwei Zitronen, die er auf den beiden Seiten der geteilten zypriotischen Stadt gefunden hat, über die Grenze auf die jeweils andere Seite befördert.

Mit der Mauer zwischen den USA und Mexiko beschäftigt sich Fiamma Montezemolo, Vincent Grunwald setzt sich über geschlossene Wohnkomplexe für Reiche mit der Ästhetik von Sicherheitstechnologien auseinander. Leon Kahane zeigt in seiner Fotoserie “Frontex Series” (2009) die logistische Seite der europäischen Grenzschaffung. Pinar Ögrenci interviewte in ihrem Video “We used to play hide-and-seek under the red sky” einen Irakflüchtling. Weitere Beiträge stammen von Zach Blas, Fazal Sheikh und Mikael Levin. Abgerundet wird die Sonderausstellung von einem umfangreichen Rahmenprogramm und einem Band mit Essays, unter anderem von Vladimir Vertlib.

(APA)

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