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Johnson & Johnson: Wirbel um den "Einmal"-Impfstoff

Prof. Mündlein analysiert den aktuell global im Visier stehenden Impfstoff von Johnson & Johnson.
Prof. Mündlein analysiert den aktuell global im Visier stehenden Impfstoff von Johnson & Johnson. ©Reuters, handout/VIVIT
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Johnson & Johnson stand kurz vor Markteinführung: Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein, Leiter des Molekularbiologischen Labors VIVIT in Dornbirn, hat für VOL.AT den für Schlagzeilen sorgenden Impfstoff aus den USA genau unter die Lupe genommen.
AstraZeneca: Schwarzes Schaf unter den Impfstoffen?

VOL.AT: Johnson & Johnson: Was zeichnet den neuen, aktuell im Mittelpunkt der Kritik stehenden, Impfstoff aus?

Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Das Alleinstellungsmerkmal des Impfstoffs von Johnson & Johnson ist die bisherige Zulassung für die Verabreichung einer Einzeldosis des Impfstoffs zum Schutz gegen Covid-19. Tatsächlich zeigte eine Zwischenauswertung einer frühen klinischen Studie, dass über 90 Prozent der Teilnehmer nach einem Monat genügend Antikörper entwickelten, um das Coronavirus zu neutralisieren. Die einmalige Verabreichung des Impfstoffes macht die Covid-19-Impfungen nicht nur günstiger, sondern beschleunigt und erleichtert die Impfkampagnen, besonders in weniger erschlossenen Gegenden. Auch wird die Logistik der Impfungen weiter essenziell durch die Lagerbarkeit des Impfstoffs bei normalen Kühlschranktemperaturen vereinfacht.

VOL.AT: Worin unterscheidet er sich von den bisher zugelassenen Impfstoffen?

Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Der Johnson & Johnson-Impfstoff zählt wie der Impfstoff von AstraZeneca zu den Vektorimpfstoffen, während die Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna zur Gruppe der mRNA-Impfstoffe gehören. Während AstraZeneca als Trägervirus ein aus Schimpansen stammendes Adenovirus verwendet, nutzt der Impfstoff von Johnson & Johnson ein gentechnisch verändertes, menschliches Adenovirus, um den Bauplan des SARS-CoV-2-Spikeproteins in die Zellen der Geimpften einzuschleusen und damit die Antikörperproduktion zu stimulieren. Das hierfür von Johnson & Johnson verwendete Adenovirus „Typ 26“ ist auch im Sputnik V Impfstoff enthalten. Die Schutzwirkung des Johnson & Johnson Impfstoffes beträgt anhand der Zulassungsstudie 66 Prozent für eine symptomatische Covid-19 Erkrankung bzw. 85 Prozent für einen schweren Covid-19-Verlauf und liegt damit im Bereich des AstraZeneca-Impfstoffes, aber deutlich unter der Schutzwirkung der zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Pfizer/Biontech und Moderna mit jeweils 95 Prozent. Hervorzuheben ist jedoch, dass die angeführte Schutzwirkung des Johnson & Johnson-Impfstoffes vier Wochen nach der Einmalimpfung eintritt, während der maximale Impfschutz bei AstraZeneca erst nach der zweiten Teilimpfung erreicht wird. 

Anzumerken ist jedoch auch, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson ebenso wie die anderen Impfstoffe bei zweimaliger Verabreichung eine stärkere Antikörperentwicklung und damit vermutlich bessere Schutzwirkung zeigt verglichen mit nur einer Dosis. Die Wirksamkeit einer Doppelimpfung wird in einer derzeit laufenden Phase III Studie („ENSEMBLE 2“) untersucht. Ebenso weisen die anderen zugelassenen Impfstoffe auch bereits nach der ersten Dosis einen guten Schutz gegen COVID-19 auf. Somit kann vermutet werden, dass sich Johnson & Johnson durch das Alleinstellungsmerkmal einer Einmalimpfung vom Wettbewerb abheben mag.

VOL.AT: Der Impfstoff verfügt über eine „bedingte Zulassung“. Was bedeutet das?

Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Wie auch für die anderen bei uns verfügbaren Covid-19-Impfstoffe empfahl die EMA für den Impfstoff von Johnson & Johnson eine bedingte EU-Marktzulassung. Diese wird erteilt, wenn es im Interesse der Allgemeinheit schnell gehen muss, aber sichergestellt werden soll, dass Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Impfstoffs vorgegebenen Kriterien entsprechen, und dass der Nutzen des Impfstoffs die Risiken überwiegt. Bedingte Zulassungen sind ein Jahr lang gültig und an Verpflichtungen geknüpft, beispielsweise weitere Daten vorzulegen, die zeigen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis weiterhin positiv ist. Bei einer Notfallzulassung eines Impfstoffes durch einen EU-Mitgliedsstaat, wie für Sputnik V in Ungarn, ist dessen Verwendung ausschließlich auf diesen beschränkt und unterliegt nur seiner Verantwortung. Bei einer Notfallzulassung entscheidet der Mitgliedstaat selbst, welche Daten für diese erforderlich sind und wie der Impfstoff verwendet oder überwacht wird. Eine Notfallzulassung gilt deswegen als weniger streng als eine bedingte Zulassung. Bei einer bedingten Zulassung haftet für etwaige Schäden der Hersteller, bei einer Notfallzulassung ist dieser von der Haftung ausgenommen.

VOL.AT: Gibt es bereits Erkenntnisse, wie sich der Impfstoff gegenüber Virus-Mutationen auswirkt?

Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: In der in Südamerika, in den USA sowie in Südafrika durchgeführten Phase-III-Studie des Johnson & Johnson-Impfstoffes zeigte sich, dass dieser in Südafrika weniger wirksam als in den USA war. Als Grund wird die in Südafrika kursierende Variante B.1.351 vermutet. Die erreichte Wirksamkeit des Johnson & Johnson-Impfstoffes betrug in Südafrika aber immer noch 57 Prozent, um leichte bis mittlere und über 80 Prozent um schwere Covid-19 Erkrankungen zu verhindern. Aufgrund seiner immer noch guten Schutzwirkung gegenüber der Südafrika-Variante kommt der Johnson & Johnson-Impfstoff dort weiterhin zum Einsatz, während der Impfstoff von AstraZeneca seit Februar nicht mehr verwendet und mittlerweile verkauft wurde. Daten bezüglich anderer Varianten, wie der britischen Variante B.1.1.7 oder der brasilianischen Variante P.1 liegen noch nicht vor.

VOL.AT: Bei „Janssen“ (Johnson & Johnson-Präparat) handelt es sich ebenfalls um einen Vektorimpfstoff, wie AstraZeneca. Gibt es Tendenzen, dass Vektorimpfstoffe generell eine erhöhte Gefahr für Thrombosen auslösen können?

Priv.-Doz. Dr. Dr. Axel Mündlein: Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat in einer Stellungnahme bestätigt, dass der Vektorimpfstoff von AstraZeneca in sehr seltenen Fällen zu einer Blutgerinnungsstörung mit einem einhergehenden Rückgang der Blutplättchen führen kann, wodurch Thrombosen auch in untypischen Stellen, wie den Gehirnvenen, auftreten können. Als Ursache gilt eine übersteigerte körpereigene Abwehr: Ein deutsch-österreichisches Forscherteam beschreibt in einem kürzlich veröffentlichten Artikel, dass als Reaktion auf die AstraZeneca Impfung die Aktivierung von Antikörper gegen den Plättchenfaktor 4 (PF4) ausgelöst werden kann, was zu einem Rückgang und Verklumpung der Blutplättchen führt. Da bei den zugelassenen mRNA-Impfstoffen keine erhöhte Thrombosegefahr beobachtet werden konnte, geht man davon aus, dass ein Bestandteil des Vektorimpfstoffs für das erhöhte Risiko dieser seltenen, aber schweren Nebenwirkung verantwortlich ist. Tatsächlich konnten in den USA auch bei sechs von insgesamt 6,8 Millionen mit dem Johnson & Johnson Impfstoff geimpften Personen Hirnvenenthrombosen festgestellt werden. Die Fälle werden derzeit von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA wie auch der EMA untersucht. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Vektorimpfstoffe wie Sputnik V von diesen Komplikationen betroffen sind, auch wenn zurzeit noch keine ähnlichen Fälle berichtet wurden.

VOL.AT: Wie beurteilen Sie das Aussetzen des J&J-Impfstoffes in den USA und den Stopp der Lieferungen nach Europa?

In einem gemeinsamen Statement vom 12. April empfehlen FDA und die „Centers for Disease Control and Prevention “ (CDC) den Impfstoff von Johnson & Johnson als Vorsichtsmaßnahme vorerst nicht mehr zu verwenden, um die eingetreten Fälle näher untersuchen zu können. Dadurch soll auch erreicht werden, dass sich die Gesundheitsdienstleister dem Potenzial dieser schweren Nebenwirkungen bewusst werden und Maßnahmen zur Erkennung und richtigen Behandlung dieser Art von Blutgerinnseln entsprechend planen können. Noch vor einer Woche kündigte der US-Präsident Joe Biden an, am 19. April jedem noch nicht geimpftem US-Amerikaner eine Impfung anbieten zu können. Um dieses Versprechen halten zu können, wird auch der Impfstoff von Johnson & Johnson benötigt werden. Auch kündigte die Firma an, bis zur ersten Jahreshälfte 100 Millionen Dosen den USA zur Verfügung stellen zu können, auf die die USA kaum verzichten wollen. Da auch hier wie beim AstraZeneca Impfstoff der generelle Nutzen einer Impfung die Risiken einer Covid-19 Erkrankung deutlich überwiegt, ist davon auszugehen, dass die FDA den Impfstoff in Kürze wieder empfiehlt. Wie immer, die in Folge der von der FDA ausgesprochenen Impfstopp Empfehlung angekündigte Verschiebung der Auslieferung des Johnson & Johnson-Impfstoffes nach Europa, bedeutet einen spürbaren Rückschlag für die Impfkampagne der EU. Allein Österreich hat 2,5 Millionen Dosen bestellt und könnte damit ein Drittel der in Österreich impfbaren Personen impfen. Es bleibt somit zu hoffen, dass die vereinbarten Impfstofflieferungen in Bälde fortgesetzt werden.

(VOL.AT)

Weitere Infos zur Corona-Pandemie im VOL.AT-Special.

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