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Jan Assmann über die totale Religion im TAS

Jan Assmann (links) und Michael Köhlmeier diskutierten über die monotheistischen Religionen und ihre Ur-Texte.
Jan Assmann (links) und Michael Köhlmeier diskutierten über die monotheistischen Religionen und ihre Ur-Texte. ©B. Koeck
Feldkirch. (BEK) Der renommierte Ägyptologe und Archäologe Jan Assmann referierte im bis auf den letzten Platz gefüllten Saumarkt zum Thema "Totale Religion". Mit Michael Köhlmeier fand im Anschluss ein reger Dialog statt.
Auf der Spur der 'totalen Religion'

Die weltweite Bedrohung durch religiös motivierten Terrorismus und Gewalt scheint größer zu sein als je zuvor. Kann es sein, dass das radikale Antlitz des Islamismus nicht so sehr die Eigenheit einer bestimmten Religion ist, sondern auf eine Gemeinsamkeit aller monotheistischen Varianten verweist? Bereits im ersten Satz betonte der 1938 geborene Agyptologe und Kulturtheoretiker Jan Assmann, dass die alten Ägypter in einer Welt von innen, also ohne die Unterscheidung in wahre und falsche Religionen und ihren Göttern, gelebt hätten – ganz im Gegensatz zu den Israeliten, Christen oder Muslimen, welche in einer Welt von außen, die alles von einem Schöpfer erhalten, leben würden. In seinen Ausführungen ging Assmann dem möglichen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und dem absoluten Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religionen nach. “In Ägypten gab es zudem keine Unterscheidung zwischen Kultur und Religion, denn sie waren identisch.” Der Referent spannte einen Bogen von der Antike bis zum Dritten Reich, wo die Forderung nach dem totalen Staat aufkam.

Als zentrales Thema für den Alttestamentler Assmann ist der ägyptische Pharao Echnaton, der in seinem kosmologischen Weltbild die Leugnung aller anderen Götter forderte, unter dessen Regierungszeit Priester entlassen wurden und die Armee damit beschäftigt war, alle anderen Götternamen auszulöschen, was in einer Vernachlässigung der Außenpolitik führte. “Echnatons überwältigende Idee, keine anderen Götter zu akzeptieren, ist als eine Radikalisierung zu verstehen. Nofretete war seine Frau und sein Sohn Tut-Anch-Amun, der eigentlich Tut-Anch-Athon hieß und sich umbenennen musste, sein Nachfolger.”

Michael Köhlmeier, der sich gleich zu Beginn des anschließenden Gesprächs als “Assmann-ianer” outete und die vergangenen Wochen damit zugebracht habe, dessen Bücher zu studieren, hatte einen ganzen Fragenkatalog vorbereitet, der gespickt war mit offenen privaten Fragen des bekannten Autors, der in Hohenems und Wien wohnt. Für die vielen interessierten Besucher – viele schrieben die Ausführungen auf Papier mit – waren die Antworten Assmanns aufschlussreich: Etwa dass das zweite Buch des Pentateuchs (fünf Bücher Moses) das eigentlich erste war, also der Exodus – und dass somit die Genesis, das wir als erstes Buch der Bibel kennen, nachgeliefert wurde. Entgegen der Annahme Köhlmeiers, dass der Gottesname “Elohim” das Plural von “El” sei, wusste Assmann: “Das Plural von El ist im hebräischen Elim und Elohim bedeutet Gottheit.” Durch seine charismatische Art der Antworten machte sich Jan Assmann beim Publikum äußerst sympathisch: “Für mich als Alttestamentler ist dies ein unglaublich dorniges und vermientes Gelände.”

Jan Assmann, Univ.-Prof. Dr., geboren 1938, Studium der Ägyptologie, Klassischen Archäologie und Gräzistik in München, Heidelberg, Paris und Göttingen, von 1976 bis 2003 o. Professor für Ägyptologie in Heidelberg, seit 2005 Honorarprofessor für Allgemeine Kulturwissenschaft und Religionstheorie an der Universität Konstanz. Zuletzt erschienen »Steinzeit und Sternzeit: Altägyptische Zeitkonzepte« (2011) und »Exodus. Die Revolution der Alten Welt« (2015). Im Picus Verlag erschien 2015 »Die Zauberflöte. Eine Oper mit zwei Gesichtern« in der Reihe der Wiener Vorlesungen, 2016 erschien das Werk »Totale Religion«.

 

 

 

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