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Interesse für Österreich dürfte unter Biden schrumpfen

Interesse für Österreich dürfte unter Biden schrumpfen
Interesse für Österreich dürfte unter Biden schrumpfen ©APA
Während sich das Verhältnis zwischen den USA und dem traditionellen und größten europäischen Partner Deutschland in der Amtszeit Donald Trumps massiv abgekühlt hat, haben sich die Beziehungen zwischen Washington und Wien in den vergangenen vier Jahren deutlich intensiviert.

Mit der besonderen Aufmerksamkeit der Vereinigten Staaten für die kleine Alpenrepublik könnte es unter dem neuen Präsident Joe Biden möglicherweise bald vorbei sein.

Das Verhältnis zwischen den USA und Österreich sei "so stark wie nie zuvor", schwärmte der US-Botschafter in Österreich, Trevor Traina, im Sommer im APA-Interview. Eindrucksvoller Ausdruck der von beiden Seiten beschworenen strategischen Partnerschaft war der Empfang von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Februar 2019 im Weißen Haus. Nur ein Jahr später lud Trump den Kanzler, der von Trumps Vertrauten Richard Grenell wenige Monate nach seinem Amtsantritt bereits als "Rockstar" bewundert wurde, erneut ein. Die Corona-Pandemie machte den Plänen aber nur wenige Tage vor der geplanten Reise Anfang März einen Strich durch Rechnung.

Freundschaftsbekundungen

Als Beweis der "neuen Nähe" zwischen Wien und Washington sah der US-Botschafter und Trump-Unterstützer Traina, der sich bis vor kurzem noch um ein Nachholen des Kanzlerbesuchs bei Trump vor der Wahl bemühte, auch den Besuch von US-Außenminister Mike Pompeo im August in Wien. Im barocken Schloss Belvedere beschwor Pompeo mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) "die große Freundschaft" zwischen den USA und Österreich. Tatsächlich war es erst der zweite offizielle bilaterale Besuch eines US-Außenministers seit 1945.

Auch Österreich bemühte sich um symbolische Schritte zu Freundschaftsbekundung. So kündigte die türkis-grüne Regierung in ihrem Arbeitsprogramm einen "Ausbau der Strategischen Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika" an. Dieser Punkt steht an erster Stelle der regionalen Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik, vor Russland.

Rückkehr zum Multilaterismus

Der ehemalige Sicherheitsberater Trumps John Bolton vermutete hinter der Intensivierung der diplomatischen Kontakte zwischen Österreich und den USA gar den Versuch Trumps, die Entscheidungsprozesse in der EU zu beeinflussen. "In gewisser Weise sieht Trump in Kurz eine Alternative zu Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel", sagte Bolton der Tageszeitung "Die Presse" im Sommer. Entsprechende Töne hatte unmittelbar nach dem Empfang von Kurz im Weißen Haus bereits Botschafter Traina angeschlagen. "Der Präsident sprach mit dem Kanzler, als ob er mit Europa spräche", sagte Traina damals vor Journalisten.

Mit der Amtsübernahme durch Joe Biden wird eine Rückkehr der USA zum Multilateralismus und eine Verbesserung der Beziehungen zur EU und den traditionellen Verbündeten in Europa erwartet. So sagte Biden vor der Wahl: "Das Erste, was ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen, dass Amerika zurück ist, Sie können auf uns zählen."

"Viel Spielraum verspielt"

Für den Politikwissenschafter Heinz Gärtner hat Österreich durch die Annäherung an die US-Regierung von Donald Trump in den letzten Jahren "viel an außenpolitischem Spielraum verspielt" und damit "einen fliegenden Start" nach dem Präsidentenwechsel in der USA versäumt. Durch die einseitige Positionierung etwa im Nahen Osten oder dem Iran-Streit habe Wien die "Glaubwürdigkeit der Unabhängigkeit eingebüßt", so der Experte für internationale Politik gegenüber der APA. 

Vor allem Deutschland kann unter Biden, der als überzeugten Transatlantiker gilt, auf einen Neustart der zuletzt auf einen Tiefpunkt gesunkenen Beziehungen hoffen. Besonders wichtig dürften für Biden die NATO-Partnerländer sein. Das Militärbündnis bezeichnete der Demokrat vor der Wahl als "wichtigstes Bündnis in der Geschichte der Vereinigten Staaten". Welche Rolle ein kleines neutrales Land wie Österreich dann gegenüber der USA noch spielen wird, bleibt abzuwarten.

Filzmaier: Biden für Österreich "die bessere Wahl"

Der Sieg des Demokraten Joe Biden bei der US-Präsidentenwahl ist nach Einschätzung des Politologen Peter Filzmaier besser für Österreich. "Ich glaube, dass Biden aus vielerlei Gründen für Österreich die bessere Wahl wäre, auch wenn man sich bemüht hat, die Beziehungen (zu Donald Trump, Anm.) bestmöglich zu gestalten", sagte Filzmaier bereits vor der Abstimmung im APA-Interview.

Während Trump nämlich "die nationalen Interessen massiv in den Mittelpunkt" stelle, sei Biden ein "Internationalist", sagte der Professor an der Donau-Universität Krems. "Mit Biden wäre es viel leichter". Der Demokrat setze nämlich auf internationale Organisationen und Verhandlungen, etwa auch mit der Europäischen Union. "Das hilft uns." Zwar gäbe es auch unter dem Demokraten viele Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Österreich, nannte der Experte etwa die Frage der Todesstrafe. Doch bei Trump kämen "noch so viele andere Dinge hinzu, die wir nur kennen im Umgang mit nicht-demokratischen Systemen".

Der Republikaner operiere mit Druck und halte sich nämlich nicht an Spielregeln der internationalen Politik. "Das Prinzip Trump ist, alles infrage zu stellen", sagte der US-Experte. Darin unterscheide er sich auch von den beiden früheren republikanischen Präsidenten George H.W. Bush (1989-93) und George W. Bush (2001-2009), die so wie er "Unilateralisten" gewesen seien.

Spannungsverhältnis

"Trump steht für ein System in den internationalen Beziehungen, das für einen Kleinstaat deutlich schlechter ist", verwies Filzmaier auf die Ablehnung der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation oder des Pariser Klimaabkommens durch den abgewählten US-Präsidenten.

Der Professor an der Donau-Universität Krems sieht in diesem Zusammenhang auch ein Spannungsverhältnis zur Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union. "Je mehr man sich an Trump annähert, umso mehr muss man die EU infrage stellen", sagte er mit Blick auf den von Trump forcierten bilateralen Ansatz in den transatlantischen Beziehungen. "Wenn ich diese Politik konsequent verfolge, muss ich für eine Rückkehr zu den Nationalstaaten sein." Dies sei zwar ein "legitimer Standpunkt", doch werde er derzeit von keiner der österreichischen Regierungsparteien vertreten, sagte der Experte, der seine wissenschaftliche Karriere in den 1990er Jahren mit der Erforschung der internationalen Beziehungen begonnen hatte.

"Atmosphärisch einfacher"

Auch "atmosphärisch wird es mit einer Biden-Administration deutlich einfacher", sagte Filzmaier. Schließlich könne man dann in das jahrzehntelange Muster diplomatischer Gepflogenheiten zurückkehren. Ob es auch auf sachlicher Ebene leichter werde, sei hingegen nicht gesagt. Schließlich habe man es in den USA mitbekommen, dass Österreich unter Trump als "Trittbrettfahrer" versucht habe, "Einzelvorteile herauszubekommen", so Filzmaier mit Blick auf die intensiven bilateralen Kontakte unter der Ägide von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der im Februar 2019 von Trump im Weißen Haus empfangen worden war.

Filzmaier erinnerte in diesem Zusammenhang an Ex-Präsident Bush und seine "Spaltungsstrategie" in Bezug auf Europa, die Trump übernommen habe. Auf die Frage, ob man als kleines Land in so einem Setting nicht vielleicht mehr erreichen könne, antwortete der Politikwissenschafter mit einem deutlichen "Nein". "Die EU muss mehr erreichen", betonte er.

Bedeutung von EU-Staaten nimmt für USA ab

Filzmaier wies darauf hin, dass es für Vertreter kleiner Länder sehr schwer sei, überhaupt Termine bei US-Kongressabgeordneten zu erreichen, geschweige denn bei Regierungsvertretern. "Ein Ausschussvorsitzender (im Kongress) ist schon das höchste der Gefühle", sagte er. Viel hänge auch davon ab, wer der jeweilige US-Botschafter sei und ob dieser "die Chance hat, an das Ohr des Präsidenten zu kommen". Sollte dies beim künftigen Missionschef nicht der Fall sein, "dann ist das eine Person, die einem (österreichischen) Minister selbst bei guter Absicht nur geringe Hilfe leisten kann".

Um seine Position zu stärken, könnte Österreich gemeinsam mit einer kleineren Gruppe von Verbündeten in Washington auftreten, empfahl Filzmaier. Konkret nannte er dabei etwa andere neutrale und bündnisfreie Staaten, oder auch eine Gruppe innerhalb der EU-Staaten. Insgesamt nehme die Bedeutung der europäischen Staaten in den USA nämlich ab. "Europa, das war gestern. Unser Fokus muss Asien sein", zitierte Filzmaier diesbezüglich aus einem persönlichen Gespräch mit dem früheren Parteichef der Demokraten, Howard Dean. Unter Ex-Präsident Barack Obama, dessen Vizepräsident Biden war, habe sich diese Linie "inhaltlich verfestigt". "Ich habe nicht mitbekommen, dass Biden von dem abrückt", fügte Filzmaier hinzu.

(APA)

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