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Integration par excellence

Lustenau (VN) -  Halil Ilgec ist ein waschechter Lustenauer, seine Wurzeln sind ihm aber sehr wichtig.

Heute Abend um 20 Uhr geht die Eröffnung der Ausstellung „Migranten in der Geschichte Lustenaus“ in der Galerie Stephanie Hollenstein in Lusten­au über die Bühne. Maßgeblich daran beteiligt war Halil Ilgec. „Oliver Heinzle vom Historischen Archiv hat mich gebeten, bei der Organisation der Ausstellung behilflich zu sein“, erzählt der 33-Jährige. Die Antwort: Ein klares Ja.

Gespräche mit Migranten, das Sammeln von Fotos und Dokumenten sowie das Übersetzen Letzterer war Ilgecs Aufgabe. Quasi das Graben in seiner eigenen Vergangenheit. Im Zuge dessen hat er nicht nur viel über seine Vorfahren erfahren, sondern auch über die Lustenauer: „In den 1920er- und 1930er-Jahren sind zahlreiche Lustenauer nach Amerika ausgewandert“, erzählt er. „Damals haben sie sich offenbar genau so verhalten wie meine Vorfahren – sich eher in ihren Grüppchen bewegt und wenig Interesse an der neuen Sprache bekundet“, führt er aus. Ein Verhalten, für das Ilgecs Vorfahren zum Teil noch heute kritisiert werden.

Heimweh nach Lustenau

Ilgec selbst ist von mangelnder Integration aber weit entfernt: Er ist im Jahr 1978 als knapp einjähriges Baby mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Lustenau gekommen. Seinen Vater hatte es bereits 1968 in die Stickerhochburg gezogen. Probleme, sich zu integrieren, hatte Ilgec sein Leben lang nicht. „Ich fühle mich als Lustenauer, weil man mich auch als solchen akzeptiert“, sagt er in breitem Lustenauerisch. Einzig sein Name und sein mediterraner Typ lassen auf die Herkunft schließen. „Ich fühle mich im Heimatort meiner Eltern viel eher als Migrant als hier“, sagt der sympathische 33-Jährige. „Bei meinem vierwöchigen Türkeiurlaub in diesem Jahr hatte ich sogar nach drei Wochen Heimweh“, erinnert sich der begeisterte Austria-Lustenau-Fan lachend.

Auf seine Herkunft und die türkische Kultur legt der dreifache Familienvater aber großen Wert: So liegt ihm der „Kizilica & Lustenau Kultur- und Sportverein“ sehr am Herzen. 78 Mitglieder zählt der vor einem Jahr gegründete Verein. Sämtliche Mitglieder stammen aus dem Ort Kizilica. Der Verein bietet Folklore-Tanzkurse und zahlreiche weitere Veranstaltungen an – auch kulturübergreifende. „Wir planen derzeit Projekte mit der Lustenauer Trachtengruppe“, so Ilgec. Von eben solchen Projekten sollte es seiner Meinung nach aber viel mehr geben.

Begegnung ist wichtig

„Es fehlt noch einiges an Begegnung – und es wäre so wichtig. Nur so können Vorurteile abgebaut werden.“ In Berlin und anderen Städten würde das Multikulti-Leben bereits gut funktionieren. „Bald werden auch wir dort ankommen“, ist er überzeugt. „Am wichtigsten ist dabei, dass beide Seiten aufeinander zugehen“, sagt er. „Ursprünglich wurden wir ja nur als Gastarbeiter und nicht als Migranten gesehen.“ Zu viel habe man in den 1970er- und 1980er-Jahren deshalb verschlafen. „In den vergangenen Jahren hat sich bezüglich Integration aber sehr viel getan.“ Kritik übt er aber an beiden Seiten: Den Migranten würde es beispielsweise gut tun, wenn sie das Gemeindeblatt lesen – so bekommt man viel über das Dorfgeschehen mit. Im Ilgec-Haushalt sind stets zwei Sprachen zu hören: „Ich spreche mit den Kindern türkisch, meine Frau Deutsch.“ Seine – ebenfalls aus der Türkei stammende, aber in Berlin aufgewachsene – Frau Banu hat er in Istanbul kennengelernt.

„Ich bin kein Großstadtmensch und wollte, dass sie zu mir nach Lustenau zieht“, erzählt er. So habe der Lustenauer seine Herzensdame durch den Bregenzerwald, zum Bodensee, in die Rappenlochschlucht und natürlich an den Alten Rhein geführt – „sie hat das Ländle dann bald in ihr Herz geschlossen und fühlt sich heute sehr wohl hier“, freut er sich.

Seit 2000 ist Ilgec Mitglied der Jungen ÖVP, seit sechs Jahren in der Lustenauer Gemeindevertretung. Auf der politischen Agenda ganz oben: Zusammenleben und die Kulturarbeit. Wichtig sind ihm auch regelmäßige Moscheebesuche: „Wenn ich Zeit habe, gehe ich zur Freitagsmesse.“ Ist seine Frau auch religiös? „Ach, die ist sehr liberal. Eine Berlinerin halt“, lacht er.

Zur Person

Halil Ilgec ist 1978 mit seiner Familie von der Türkei nach Lustenau gezogen.

Geboren: 2. Oktober 1977

Wohnort: Lustenau

Familie: verheiratet, drei Kinder (16 Monate sowie 8 und 12 Jahre alt)

Interessen: Familie, Fußball (Austria Lustenau), Politik

Ausbildung: Lehre zum Kfz-Mechaniker; seit 1997 bei Blum in der Arbeitsvorbereitung tätig, Ilgec ist außerdem Betriebsrat

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