Inszenierung und Wirklichkeit, der 1. Weltkrieg in Lustenau

Pünktlich um 18:30 Uhr waren zahlreiche Interessierte in der Galerie Hollenstein eingetroffen, um den Ausführungen des Archivars zu folgen und anschließend ihre Fragen zu stellen und zu diskutieren. Stolz präsentierte Oliver Heinzle den fertigen Ausstellungskatalog, der mit einer Fülle an Informationen aufwartet und in jeder Lustenauer Hausbibliothek einen Stammplatz finden sollte.
Unbändige Euphorie
Als am 27. Juli 1914 der Kriegsausbruch bekannt wurde, ging es aller Orten zu wie im Tollhaus. Menschenaufläufe und Freudenumzüge zeugten von einer trügerischen Euphorie, die sehr bald in pure Verzweiflung umschlagen sollte. Vor dem Emser Palast versammelten sich an die 3000 Menschen, begeistert ob einer Kriegserklärung, die am bitteren Ende ein zerstörtes Europa zurücklassen würde. Der Lustenauer Albin Schmid hat mit seinen Aufzeichnungen über die damaligen Ereignisse der Nachwelt eine wertvolle Dokumentation hinterlassen. Wolfgang Scheffknecht wies auf die Presse-Zensur hin: „Forschungen haben ergeben, dass Presseberichte von damals mit Vorsicht zu genießen sind!“ Auch Anselm Alge führte Buch und berichtete über den Tag, an dem der Krieg erklärt wurde. Über eine euphorische Freude der Bevölkerung jedoch, verlor er kein Wort. Dennoch, der Patriotismus erfasste viele Menschen, die Soldaten wurden am Nachmittag des 1. August 1914 bei einer Abschiedsfeier mit patriotischen Reden des Bürgermeisters und auch des Pfarrers auf ihren Weg an die Front geschickt. Auch Stephanie Hollenstein schloss sich, als Mann verkleidet, dem Tross an, der in den Krieg zog. Auf das „Augusterlebnis“ folgte alsbald der Septemberschock!
Inszenierung der Helden, Einigkeit im Volke
Um dem Kriege seine Berechtigung zu geben und den Menschen in der Heimat die siegreichen Soldaten vorzuführen, hagelte es Ordensverleihungen. Am 16. Mai 1915 erhielt Alois Schmid in Lustenau die silberne Tapferkeitsmedaille verliehen. Als am vierten und fünften August 1915 von Prinz Leopolds Truppen Warschau eingenommen wurde, zogen in Lustenau Abordnungen der Gemeinde und Vereine durchs Dorf. Die Mitglieder der Vereine wurden zur Teilnahme verpflichtet, um dem Siegestaumel Nachdruck zu verleihen. Doch bereits im Jahre 1915 schlich sich die Sehnsucht nach Frieden bei der Bevölkerung ein. Einigkeit wurde demonstriert, der Geburtstag des Kaisers Franz Josef wurde pompös gefeiert, der Pfarrer hielt am 20.8.1916 in den Rheinauen eine glühende Lobrede auf das Oberhaupt der Monarchie, nach dem Tode des Kaisers im November 1916, nahm der Zerfall der Monarchie seinen Lauf. Kaiser Karl und Zita, die nach Franz Josef die Nachfolge angetreten hatten, konnten den Lauf der Dinge nicht aufhalten. Desillusioniert und des Krieges müde, sehnten alle nur noch den Frieden herbei.
Die Wirklichkeit schlägt zu
In den ersten zwölf Kriegsmonaten gab es über 150 Verwundete allein von Lustenau. Im Mädchenheim der Fa. Hofer, Bösch & Co. wurde ein Rotkreuz-Spital errichtet. Leichtverwundete wurden in der Lerchenfeldstraße aufgenommen, Flüchtlinge boten einen erbärmlichen Anblick und wurden von der Bevölkerung argwöhnisch beäugt, die spanische Grippe raffte ganze Familien dahin, das Sterbeglöckchen wimmerte und beklagte die Toten. Der Krieg hatte seine Opfer, Frieden sollte es noch lange nicht geben.
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