AA

Impfpflicht durch die Hintertür

©APA/HERBERT NEUBAUER
Gastkommentar von Johannes Huber. Bei der Impfkampagne hat die Regierung versagt – und jetzt macht sie alles nur noch schlimmer.

Bei allem Unverständnis für ungeimpfte Coronaverharmloser und Verschwörungstheoretiker könnte man sich fast schon wieder solidarisieren mit ihnen: Aktuelle Maßnahmen der Regierung sind nicht okay. Gemeint ist insbesondere die Bestimmung, dass sie im Handel oder auch in Kinos eine FFP2-Maske tragen müssen, während dies Genesenen und Geimpften nur empfohlen wird. Das kommt zum einen einer Kennzeichnung gleich und ist zum anderen kontraproduktiv: Genesene oder Geimpfte werden sich unter Umständen hüten, mit einer FFP2-Maske herumzulaufen, um sich keinem falschen Verdacht auszusetzen. Zumal man ja nie wissen kann, was man damit riskiert: Nach eineinhalb Jahren Pandemie sind die Nerven bei sehr vielen Menschen angespannt, kann es durchaus zu Aggressionen gegenüber all jenen kommen, denen unterstellt wird, die lange ersehnte Rückkehr zur Normalität zu verzögern.

Ob die Regierung weiß, was sie hier anrichtet? Wenn ja, dann ist es umso bedenklicher. Genauso wie die Streichung des Arbeitslosengeldes für all jene, bei denen eine Stellenvermittlung daran scheitertet, dass sie nicht über die geforderte Impfung verfügen. Das ist erst jetzt bekannt geworden, wird offenbar aber schon länger so gehandhabt.

Auch in diesem Fall kann man sich auch als Geimpfter empören: Sebastian Kurz, Werner Kogler, Wolfgang Mückstein und Co. geben vor, eine Impfpflicht abzulehnen, führen eine solche aber Schritt für Schritt durch die Hintertür ein. Nachdem Österreich von einer weiteren Infektionswelle erfasst worden ist, wollen sie so das Problem lösen, dass noch zu wenige Menschen geimpft sind. Warum machen sie das nicht offen und direkt?

Sie täuschen über eigenes Versagen hinweg und machen alles nur noch schlimmer: Schon vor einem Dreivierteljahr hat „Austria Insight“, eine Forschungsgruppe am Institut für Höhere Studien, darauf hingewiesen, dass es nicht reicht, Impfstoff bereitzustellen und die Leute aufzufordern, zu kommen. Viele hätten Sorgen und Ängste, die man sich genau anschauen müsse, um dann auch wirkungsvoll darauf eingehen zu können.

Geschehen ist das nicht. Es sind eher Zweifel dadurch gestärkt worden, dass etwa Kurz darauf drängte, Impfstoffe schneller zuzulassen. Das war alles andere als vertrauensbildend. Auf Junge ist überhaupt vergessen worden: Zuerst erfuhren sie, dass das Virus nicht so schlimm sei für sie. Dann durften sie sich beim Impfen hinten anstellen, um erst in den Sommerferien dranzukommen. Da wird sich doch niemand wundern, dass so viele darauf gepfiffen haben?

Wie gesagt: Durch die Impfpflicht über die Hintertür droht jetzt alles nur noch schlimmer zu werden. Damit werden bei weitem nicht nur die eingangs erwähnten Coronaverharmloser und Verschwörungstheoretiker unter Druck gesetzt, sondern eben auch diejenigen, die aus irgendwelchen anderen Gründen zögern, sich impfen zu lassen. Wenn man ihnen so kommt, werden sie sich eher bestärkt darin fühlen, dass hier etwas nicht stimmen könnte. Da wäre sogar eine echte Impfpflicht für alle besser; eine solche wäre geradlinig. Besser wäre auch eine Kampagne, die zum Beispiel Medizinern überlassen wird, die im Unterschied zur Regierungsspitze über brauchbare Vertrauenswerte in der Bevölkerung verfügen und deren Wort gerade in sehr persönlichen, nämlich gesundheitlichen Fragen daher auch wesentlich größeres Gewicht hat.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Johannes Huber
  • Impfpflicht durch die Hintertür