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Im Kampf gegen Tierseuchen

Amtstierarzt Kessler entnimmt BSE-Proben: „Im Sommer ist der Geruch hier ein Gesamterlebnis.“
Amtstierarzt Kessler entnimmt BSE-Proben: „Im Sommer ist der Geruch hier ein Gesamterlebnis.“ ©VOL.AT/Paultisch
Koblach - Die Vorarlberger Tierkörperverwertung in Koblach – ein Blick hinter die Kulissen.
Tierkörperverwertung in Koblach


 Dr. Oswald Kessler (54) schlüpft in seinen Blaumann. Lässt die Handschuhe schnalzen. In einer Hygieneschleuse tauscht er seine Gummischlapfen gegen -stiefel. Zweimal pro Woche macht er das. Jürgen Nesensohn (30) beschriftet derweil Plastikbecher mit einem schwarzen Edding. Wir sind in der Tierkörperverwertung in Koblach.
In der Öffentlichkeit findet diese Einrichtung vor allem dann Erwähnung, wenn eine Tierseuche grassiert. Wie unlängst im Silbertal, wo zahlreiche Rinder mit Verdacht auf TBC gekeult werden mussten. Die Tiere landeten anschließend in der Halle im Koblacher Industriegebiet. Kessler, seines Zeichens Amtstierarzt des Bezirks Feldkirch, entnahm dort die Proben von Lymphknoten und diagnostisch wichtigen Organen und schickte diese ins Labor nach Mödling. „Während der Vogelgrippe haben wir hier auch schon Schwäne und Enten beprobt“, erzählt der 54-Jährige. „Der Standort ist ein zentraler Punkt in der Tierseuchenbekämpfung.“

Anlage für Notfälle

1600 Tonnen Tierkörper werden in Koblach pro Jahr gesammelt. „1000 Tonnen kommen aus der Landwirtschaft, der Rest aus gewerblichen Betrieben wie Metzgereien, Geflügel- und Fischzuchtbetrieben, Tierarztpraxen oder der Gastronomie“, konkretisiert Geschäftsführerin Karin Böckle. Die 56-Jährige bekleidet diesen Posten seit knapp zweieinhalb Jahren. Im Betrieb, der seit 1985 zu 75 Prozent dem Land und zu 25 Prozent der Raiffeisenlandesbank gehört, ist sie seit 30 Jahren. Neben Böckle arbeiten in der Tierkörperverwertung der Sammelstellenbetreuer Nesensohn, drei Fahrer sowie eine Bürokraft.

Auch wenn es der Name vermuten lässt, verwertet wird hier seit der Übernahme durch das Land nicht mehr. Die bestehende Anlage wird nur für Notfälle – etwa hochansteckende Seuchenfälle – in Betrieb genommen. „Damit können wir allenfalls zwei bis drei Tage überbrücken. Ansonsten sind wir sehr froh, wenn wir mit den Tierkörpern gleich abfahren können“, erläutert Böckle. Zwischen Mai und September werden die Kadaver per Lkw zur TBA Kraftisried ins Allgäu und zwischen Oktober und April per Bahn nach Tulln zum Verarbeitungsbetrieb Saria Bio-Industries gebracht und dort zu Tiermehl oder Tierfett verarbeitet.

Heute steht für den Veterinärmediziner Kessler Routinearbeit auf dem Programm. Der Sammelstellenleiter hat bereits beste Vorarbeit geleistet. Auf einem Rolltisch liegen Tierköpfe in Reih und Glied – von acht Rindern, drei Schafen und zwei Ziegen. Durch das Hinterhauptloch entnimmt Kessler mit chirurgischem Werkzeug das Übergangsstück zwischen Hirn-Rückenmark und lässt es im Plastikbecher verschwinden. Denn: Rinder über 48 Monate sowie Ziegen und Schafe über 18 Monate müssen zwingend auf TSE (Scrapie bei Schafen und Ziegen, BSE bei Rindern) untersucht werden. So will es die EU. Rund 1000 Untersuchungen macht das in Koblach pro Jahr. Ein immenser finanzieller und personeller Aufwand. „Solche Sicherheitsmaßnahmen wären nicht mehr nötig“, hofft der Experte auf eine baldige Änderung in der Verordnung. „Wir hatten noch nie einen positiven BSE-Fall“, unterstreicht er. Bis die Laborbefunde eintreffen, müssen die Tierköpfe gekühlt gelagert werden.

Während in der Halle seziert wird, deponiert ein Jäger einen Fuchs im Sammelbehälter. Alltag für Jürgen Nesensohn. Dem 30-jährigen gelernten Metzger und Landwirt sind hier bereits weitaus exotischere Tiere untergekommen: Kugelfische, Chamäleons, ein Kamel oder 30 Kilo Maikäfer. „Die wollten wohl auf Nummer sicher gehen“, scherzt er.

3400 Abholungen

Die Tierkörper können an den zwei Sammelstellen – am Standort Koblach (2000 Personenkontakte pro Jahr) und in Egg (1500 Personenkontakte pro Jahr) – abgegeben werden. Tiere über 100 Kilo und solche von Betrieben außerhalb des Einzugsgebiets werden per Lkw abgeholt. Pro Jahr zählt Böckle 3400 solcher Ab-Hof-Abholungen.

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