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Wie Maria ihre Zeit als junge Mama erlebte.
Wie Maria ihre Zeit als junge Mama erlebte. ©VOL.AT/Emilia Waanders/handout/privat

"Ich frage mich bis heute, wie ich das alles geschafft habe" – Das Leben einer Teenie-Mutter in den 1970ern

Mit 16 schwanger, mit 17 verheiratet: Maria Faktor (72) erzählt, wie sie 1970 als Teenie-Mama ohne Aufklärung, Herd oder Waschmaschine – aber mit unglaublicher Stärke – ihr Leben mit Baby meisterte.

Es ist das Jahr 1970 – eine Zeit, in der Waschmaschinen und Fernseher noch Luxus waren, Kinder ohne Trauschein für Aufsehen sorgten und die Pille zwar existierte, aber sündteuer war und gesellschaftlich verpönt galt. Damals wird die 16-jährige Maria Faktor schwanger – weit weg von ihrer Familie, allein in Vorarlberg.

Heute, mehr als 50 Jahre später, blickt die 72-Jährige zurück auf ein Leben, das früh ernst wurde – geprägt von Selbstständigkeit, Verantwortung und Stärke, die sie selbst manchmal bis heute staunen lässt.

"Ich war damals schon sehr selbstständig"

Mit gerade einmal 15 Jahren verlässt Maria Faktor ihre Heimat in der Steiermark. "Bei uns gab es kaum Arbeit, also bin ich nach Vorarlberg gegangen. Damals war es der Hit, in der Strumpffabrik Wolford zu arbeiten – dort hat man gut verdient."

Mit 15 Jahren kam Maria Faktor von der Steiermark nach Vorarlberg. ©handout/privat

Maria lebt in einem Zimmer, arbeitet Vollzeit, kocht für sich selbst und zahlt ihre Miete. Sie ist gerade einmal 15 Jahre alt, aber schon ganz auf sich gestellt. "Ich war damals schon sehr selbstständig. Da war niemand, der mich aufgeweckt hat oder gesagt hat: 'Du musst jetzt zur Arbeit.'" Eine Fähigkeit, die sie schon sehr bald brauchen wird.

Video: "Mit Liebe kann man alles schaffen"

"Über Verhütung hat man damals einfach nicht geredet"

Nicht einmal ein Jahr, nachdem sie in Vorarlberg Fuß gefasst hat, wird die Jugendliche schwanger. Sie ist 16 Jahre alt. "Ich habe gemerkt, dass ich meine Periode nicht bekomme und mir immer übel war. Dann bin ich zum Arzt, und der hat mir die Schwangerschaft bestätigt."

Ein Schock – aber einer, der ihr Leben in eine neue Richtung lenkt. "Daheim hat man immer gesagt: Pass auf, dass du nicht schwanger wirst. Aber wie man nicht schwanger wird, hat uns keiner erklärt. Es gab keine Aufklärung und keine Pille – über Verhütung hat man damals einfach nicht geredet."

Maria steht plötzlich allein in einem neuen Land, jung, schwanger und ohne Familie. Doch sie hat Glück: "Ich hatte einen guten Partner, den Vater des Kindes. Wir haben dann geheiratet. Ohne die Unterschrift meiner Eltern hätte das gar nicht funktioniert – mit 17 durfte man nicht ohne Einverständnis heiraten."

Maria im neunten Monat schwanger. ©handout/privat

"Wenigstens verheiratet bist, wenn du schon mit 17 ein Kind kriegst"

Heute schüttelt Maria über vieles den Kopf, was damals selbstverständlich war. "Ich weiß noch genau, als ich das erste Mal beim Frauenarzt war. Die erste Frage war: 'Bist du verheiratet oder bekommst du ein uneheliches Kind?' Ich hab gesagt, ich bin verheiratet – und dann kam: 'Na wenigstens verheiratet bist, wenn du schon mit 17 ein Kind kriegst.'"

In den 1970er-Jahren war eine Teenie-Schwangerschaft noch ein gesellschaftlicher Makel. "Wenn man nicht verheiratet war, hat man fast wie eine Aussätzige gegolten. Das war damals einfach so."

Waschmaschine und Herd war Luxusware

Maria und ihr Mann suchten eine kleine Wohnung in Vorarlberg. "Wir hatten nichts. Keinen Fernseher, oder Herd. Ich habe auf einer Kochplatte gekocht." Auch Windeln gab es nicht in der Form, wie man sie heute kennt. "Es hat nur Stoffwindeln gegeben. Die habe ich am Herd im Topf ausgekocht und in der Badewanne ausgespült. Eine Waschmaschine hatten wir lange nicht."

Ihr Mann arbeitete viel, oft auch am Wochenende. "Er war sehr fleißig, sonst wären wir nicht über die Runden gekommen."

Eine Schwangerschaft zwischen Angst und Hoffnung

Als Maria realisierte, dass sie Mutter wird, kommen Angst und Freude gleichzeitig. "Zuerst war es natürlich ein Schock. Aber dann habe ich mich richtig gefreut – vor allem, als ich das Kind zum ersten Mal im Bauch gespürt habe."

Die Schwangerschaft verläuft nicht ohne Komplikationen. "Im fünften Monat hatte ich Probleme und musste streng liegen, damit das Kind nicht zu früh kommt. Später, im neunten Monat, noch einmal. Ich habe mich geschont, alles eingehalten – und zum Glück ist alles gut gegangen."

Maria und ihre kleine Tochter. ©handout/privat

1970 bringt sie ihre Tochter Karin zur Welt – in Hard, in einem kleinen privaten Geburtshaus. "Da war nur eine Hebamme. Die war Hebamme, Ärztin, Geburtshelferin und Kinderbetreuerin in einem. Es war ein kleines Häuschen – und ich war ganz allein da drinnen."

Ihr Mann wurde bei der Geburt "verjagt". "Früher hat man gesagt, die Männer sollen draußen bleiben, das wäre zu viel Stress. Mein Mann war kreidebleich, und die Hebamme hat gesagt: 'Gehen Sie lieber, sonst kippen Sie mir noch um.' Heute undenkbar, aber damals war das normal." Die Geburt war anstrengend, aber das Kind kommt gesund zur Welt.

Die ersten Wochen als Mama: "Ich musste alles selbst lernen"

"Die Zeit nach der Geburt war eine große Umstellung", erinnert sich Maria. "Ich musste alles selbst lernen – vom Kochen über die Kinderpflege bis zum Baden." Ihr erstes Babybad wird zur Herausforderung. "Es war August, und ich habe den Ofen noch zusätzlich eingeheizt, damit es das Baby warm hat. Ich selbst war klatschnass vor Schweiß."

Maria musste zuerst lernen, wie man ein Kind richtig badet. ©handout/privat

Unterstützung gibt es keine. "Ich war allein in Vorarlberg, meine Familie war weit weg. Es gab nur einmal pro Woche einen Treff, wo man sich mit anderen jungen Frauen ausgetauscht hat. Man hat verglichen, wessen Kind schon krabbelt oder sitzt."

Trotz Überforderung bleibt sie stark. "Natürlich war ich manchmal überfordert – 17 ist kein Alter, in dem man alles perfekt macht. Aber ich habe immer gesagt: Mit Liebe geht alles. Und das war auch so."

"Sie war überzeugt, dass das nicht mein Baby war"

Eines Tages erlebt Maria eine Szene, die sie bis heute nicht vergessen kann – eine, die zeigt, wie jung sie wirklich war. "Damals hat man die Kinderwagen beim Einkaufen einfach draußen stehen lassen. Man hat sich keine Sorgen gemacht, dass jemand das Kind mitnimmt. Das war ganz normal, eine andere Zeit eben."

Nach dem Einkauf will sie ihre Tochter aus dem Wagen holen – da wird sie plötzlich von einer fremden Frau angefahren. "Die hat gesagt: 'Lassen Sie das Kind sofort wieder liegen!' Sie war überzeugt, dass das nicht mein Baby war."

Maria in ihrer ersten Zeit in Vorarlberg. ©handout/privat

Rückblick auf ein bewegtes Leben: "Ich habe viel geleistet"

Sieben Jahre nach der Geburt ihrer Tochter bekommt Maria mit 24 Jahren ihren Sohn. "Komischerweise war ich beim zweiten Kind nervöser. Vielleicht, weil man sich selbst schon mehr Druck macht, wenn man älter ist und alles richtig machen will. Mit 17 habe ich vieles einfach auf mich zukommen lassen."

Heute, mehr als 55 Jahre später, blickt Maria stolz auf ihr Leben zurück. "Ich frage mich bis heute, wie ich das alles geschafft habe – in einem fremden Land, ohne Familie, ohne Unterstützung. Aber ich bin stolz auf mich. Ich habe viel geleistet."

"Ich bin froh, dass ich meine Tochter so jung bekommen habe"

Wenn Maria die Zeit vergleicht, fällt ihr vieles auf. "Heute gibt es Aufklärung, Verhütung, Männer dürfen bei der Geburt dabei sein, und junge Mütter bekommen Unterstützung. Früher war das alles anders. Man hat einfach genommen, was kommt."

Trotzdem bereut sie nichts. "Ich bin froh, dass ich meine Tochter so jung bekommen habe. Ich habe viel von meinem Kind gehabt – und habe trotzdem gelebt."

Ehemalige Teenie-Mutter Maria Faktor. ©VOL.AT/Emilia Waanders

"Macht es anders als wir"

"Macht es anders als wir", sagt Maria. "Schaut zuerst, dass ihr euch etwas aufbaut, eine Wohnung, eine Grundlage."

Für sich selbst zieht sie eine einfache Bilanz: "Ich habe jung angefangen, früh Verantwortung übernommen und nie aufgegeben. Wenn ich der 16-jährigen Maria von damals etwas sagen könnte, dann: Du warst stark – bleib so. Mit Mut, Arbeit und Liebe geht alles irgendwie."

Maria und Tochter Karin feierten gemeinsam den Muttertag.

(VOL.AT)

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