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Hoch politische Theaterpremiere der "Waisen"

Bregenz (VN) -  Das Ensemble des Wiener Schauspielhauses gastiert erstmals bei den Bregenzer Festspielen. Am Dienstagabend hatte das hoch politische Stück „Waisen“ von Dennis Kelly Premiere. Die Produktion geht unter die Haut.
Alles zu den Bregenzer Festspielen

Die Themen Ausländerhass, Islamismus und Terrorismus haben seit der Uraufführung des Stückes „Waisen“ von Dennis Kelly vor zwei Jahren eine Dimension hinzugewonnen. Altbacken kommt das Werk, das im März dieses Jahres am Wiener Schauspielhaus Premiere hatte, dennoch nicht daher. Die Bregenzer Festspiele holten dieses Ensemble heuer zum ersten Mal nach Vorarlberg. Während Kelly in der Spielzeit 2009 in Deutschland zum ausländischen Dramatiker des Jahres gewählt wurde, hat „Waisen“, so weit wie überprüfbar, in Wien an sich wenig Aufmerksamkeit erregt.

Vielleicht weil es zu einer Art von Stücken zählt, die im deutschsprachigen Raum schon ziemlich präsent sind, vielleicht weil das nicht mehr durchgehend geöffnete Schauspielhaus neben dem unter neuer Leitung stehenden Burgtheater aber einfach nicht mehr so viel von sich reden macht.

Umso anerkennenswerter ist es, dass sich die Festspiele hier um eine Produktion umsahen, die einem sehr jungen Publikum ebenso angepriesen werden kann wie den älteren Besuchern. Ein Stück zudem, das sich durch hohe Dialog- und Textqualität auszeichnet, der das Ensemble auch gerecht wird.

Helen und Danny, ein junges Paar, will eines Abends feiern. Familienzuwachs hat sich angekündigt. Plötzlich kommt Liam, der Bruder von Helen, mit einem blutverschmierten T-Shirt ins Haus. Etwas Schlimmes muss passiert sein.

Hörspielartig, mit kurzen, rasch aufeinanderfolgenden Sätzen beginnen die Szenen. Angeblich hat sich Liam gegen Angriffe gewehrt. Man lebt in einer Gegend, in der solche vorfallen können. Nach und nach wird klar, dass Liam der Täter war.

Frage nach Werten

Die Szenerie bleibt kahl und weiß (Ausstattung und Regie: Ramin Gray), das Thema gewinnt an Düsternis. Der Schutz der Familie, die nicht definierte und auch nicht definierbare Gefahr, Ängste und problematische Weltanschauungen, eine abstruse Familien­ehre stehen im Raum. Diese Themen bleiben akzentuiert, nicht weiter ausgeführt. Was das Stück zu einem starken macht, ist die Tatsache, dass die Frage, wie man als Einzelner damit umgeht, dann doch unausweichlich erhoben wird.

Helen (Nicola Kirsch) hat sich da irgendwie eine eigene Logik zusammengezimmert und hat den fordernden Part, Danny (Thomas Reisinger) steht für jene, die keine Stellung beziehen, sich raushalten wollen. Und Vincent Glander (Liam) schafft es – sicher von der Regie so vorgesehen – in gewisser Weise unnahbar zu bleiben.

Irgendwann fällt ja der Begriff Monster, und irgendwann ist auch die Frage nach der Gewaltbereitschaft, nach den Werten, die eine Gesellschaft als gültig ansieht, sehr präsent. Das macht „Waisen“, ein Stück, dessen Titel auch für das generelle Verlassensein steht, zudem aus. In seiner Offenheit ist Dennis Kelly dann aber nicht wirklich ein Schluss gelungen. Die Regie setzt ihn deshalb auch so leise wie nur möglich. Anerkennender Applaus im Theater Kosmos.

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