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Historisch: Trump muss sich Impeachment stellen

Trump zeigt sich äußerlich unbeeindruckt vom Impeachment: "Ich habe eine gute Zeit"
Trump zeigt sich äußerlich unbeeindruckt vom Impeachment: "Ich habe eine gute Zeit" ©Paul Sancya - AP
Als 3. Präsident in der US-Geschichte. Trumps Zustimmungswerte steigen. So reagiert der 73-Jährige. Wie der US-Präsident aus dem "Impeachment-Krieg" politisch Kapital schlagen will.
USA stimmen über Impeachment ab
Anklage gegen Trump
Impeachment gegen Trump eingeleitet
Trump auf Wahlkampfveranstaltung
Trump feiert den 4. Juli

Als dritter Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss sich Donald Trump einem Amtsenthebungsverfahren im US-Senat stellen. Das Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) für die offizielle Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens. Mit der Mehrheit der Demokraten votierte die Kammer dafür, dass sich Trump sowohl wegen Machtmissbrauchs als auch wegen Behinderung der Kongress-Ermittlungen im Senat verantworten muss. Trump trat parallel zu dem Votum vor Anhängern im US-Staat Michigan auf und zeigte sich kämpferisch.

David Kriegleder über das Impeachment-Verfahren

Die Abgeordneten stimmten getrennt über die beiden Anklagepunkte ab. Das Repräsentantenhaus zeigte sich dabei, wie schon in den Monaten zuvor, tief gespalten. Die Republikaner stimmten geschlossen gegen die Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens. Die Demokraten wiederum votierten fast alle dafür: Bei ihnen gab es nur wenige Abweichler - zwei beim ersten und drei beim zweiten Votum.

Dem historischen Votum war eine fast zwölfstündige Sitzung vorausgegangen, in der sich demokratische und republikanische Abgeordnete einen heftigen Schlagabtausch lieferten. Die Demokraten begründeten die Eröffnung des Verfahrens gegen Trump mit der Pflicht, die Verfassung zu schützen. Trump sei eine Gefahr für die Demokratie, die nächste Wahl und die nationale Sicherheit des Landes. Die Republikaner dagegen warfen den Demokraten vor, sie handelten allein aus parteipolitischem Kalkül und seien seit Beginn der Präsidentschaft Trumps besessen davon, ein Impeachment-Verfahren einzuleiten.

Der Auslöser für das Impeachment-Verfahren

Die Demokraten beschuldigen Trump, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden gedrängt zu haben, um die US-Präsidentschaftswahl 2020 zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Sie sehen es als erwiesen an, dass Trump von der Ankündigung solcher Ermittlungen ein Treffen mit Selenskyj im Weißen Haus und die Freigabe von Militärhilfe für die Ukraine abhängig gemacht habe. Das werten sie als Amtsmissbrauch. Sie werfen ihm außerdem vor, die Ermittlungen des Repräsentantenhauses zu der Ukraine-Affäre behindert zu haben. Trump weist die Vorwürfe gegen sich vehement zurück.

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, warf Trump Verfassungsbruch vor und bezeichnete ihn als eine fortdauernde Bedrohung für die Demokratie. "Er hat uns keine Wahl gelassen." Der demokratische Vorsitzende des Geheimdienstausschusses in der Kammer, Adam Schiff, sagte, das Repräsentantenhaus habe seine Pflicht erfüllt. Nun sei der Senat an der Reihe.

Der Senat nimmt in einem Amtsenthebungsverfahren die Rolle eines Gerichts ein. Es ist unklar, wann genau dort ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump beginnen wird. Pelosi deutete an, das Repräsentantenhaus werde die beschlossenen Anklagepunkte nicht unmittelbar an den Senat übermitteln, sondern zunächst abwarten, wie das genaue Prozedere dort aussehen solle. Zum weiteren Zeitplan und zu der Frage, wie sie sich ein Verfahren im Senat vorstellt, äußerte sich Pelosi nicht näher.

Über den Ablauf des Prozesses im Senat - ob er kurz und knapp gehalten wird oder etwa neue Zeugen gehört werden - gibt es Streit zwischen Demokraten und Republikanern. Bislang wurde damit gerechnet, dass das Verfahren Anfang Januar im Senat stattfinden würde.

Trumps Republikaner haben im Senat die Mehrheit

Mindestens 20 republikanische Senatoren müssten sich auf die Seite der Demokraten schlagen, um die für eine Amtsenthebung nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Das ist nach jetzigem Stand nicht in Sicht.

Dennoch ist schon die Eröffnung des Verfahrens ein Makel für Trump. Vor ihm mussten das nur zwei andere Präsidenten über sich ergehen lassen: Bill Clinton Ende der 1990er Jahre und Andrew Johnson im 19. Jahrhundert. Gegen einen weiteren Präsidenten, Richard Nixon, waren zwar ebenfalls Impeachment-Ermittlungen geführt worden - Nixon trat aber zurück, bevor das Repräsentantenhaus über die Anklagepunkte abstimmte. Bislang wurde noch kein US-Präsident des Amtes enthoben.

Weißes Haus nennt Impeachment-Votum "verfassungswidrige Farce"

Das Weiße Haus hat die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump scharf verurteilt und als "verfassungswidrige Farce" bezeichnet. Die Abstimmung im Repräsentantenhaus sei der "Höhepunkt einer der beschämendsten Episoden in der Geschichte unserer Nation", teilte Trumps Sprecherin Stephanie Grisham am Mittwochabend (Ortszeit) in Washington mit.

Die Anklagepunkte gegen Trump seien völlig illegitim und entbehrten jeder Grundlage. In dem gesamten "betrügerischen" Verfahren seien dem Präsidenten grundlegende Rechte verwehrt worden.

Trump sei sich sicher, dass es im Senat dagegen einen fairen Prozess geben werde, in dem er vollständig entlastet werde. Der Präsident sei für die nächsten Schritte vorbereitet und werde sich weiter unermüdlich um die Belange des Landes kümmern.

Trump könnte das Impeachment-Verfahren indes politisch nutzen, um seine Anhänger zu mobilisieren und sich weiter als Opfer einer parteipolitischen Kampagne zu inszenieren. Während die Abstimmung im Kongress noch lief, ließ sich Trump am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan von Unterstützern bejubeln. Unter Applaus seiner Anhänger sagte er, es fühle sich nicht so an, als werde ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eröffnet. "Wir haben nichts falsch gemacht, und wir haben enorme Unterstützung in der Republikanischen Partei." Er sei der erste Präsident, der einem Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt sei, obwohl er kein Verbrechen begangen habe.

Wie Trump aus dem "Impeachment-Krieg" politisch Kapital schlagen will

US-Präsident Donald Trump ist in Battle Creek gerade auf die Wahlkampfbühne getreten, als es 800 Kilometer entfernt zum Showdown kommt: Das Repräsentantenhaus in Washington stimmt zum Ende einer fast zwölfstündigen hitzigen Sitzung mit der Mehrheit der Demokraten für die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den republikanischen Präsidenten. Während Trumps Haussender Fox News links im TV-Bild die Abstimmung im Plenum zeigt, ist rechts Trump auf der weihnachtlich geschmückten Bühne im Bundesstaat Michigan zu sehen. Als Trump seine Ansprache beendet, ist er der dritte Präsident in der Geschichte der USA, der sich einem Impeachment stellen muss.

Zwei Anklagepunkte beschließen die Abgeordneten am Mittwochabend (Ortszeit): Machtmissbrauch und Behinderung der Ermittlungen des Repräsentantenhauses. Doch während der beiden Abstimmungen spricht Trump in Battle Creek demonstrativ über Trivialeres - etwa über F-35-Kampfjetpiloten, die er getroffen habe und die besser aussähen als "Top Gun"-Star Tom Cruise. Und er nimmt Medien aufs Korn, denen er vorwirft, Umfragen zu fälschen. Doch auch wenn Trump sich äußerlich unbeeindruckt vom Impeachment zeigt ("Ich habe eine gute Zeit"), so weiß er doch, dass das historische Votum die Bilanz seiner Präsidentschaft immer überschatten wird. Darauf reagiert er, wie er es immer tut, wenn er in die Enge getrieben wird: mit Gegenangriff.

"CRAZY NANCY PELOSI"

Bei seiner zweistündigen kämpferischen Ansprache feuert er eine Breitseite nach der nächsten auf die Demokraten ab. "Heute Nacht versuchen die Demokraten im Repräsentantenhaus, die Stimmen von Dutzenden Millionen patriotischer Amerikaner zu annullieren", wettert Trump. Sie sähen dabei aus "wie ein Haufen Idioten". Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses nennt er "Crazy Nancy Pelosi", also verrückt. Sich selbst hingegen, das betont der Präsident immer wieder, habe er nichts vorzuwerfen: Er weist zurück, dass er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selinskyj unter Druck gesetzt habe, um seinem Konkurrenten Joe Biden zu schaden, der ihn bei der Präsidentenwahl 2020 aus dem Amt drängen will.

DIE SPALTUNG AMERIKAS

Pelosi hatte sich noch im März gegen ein Amtsenthebungsverfahren ausgesprochen. Damals sagte sie der "Washington Post": "Impeachment ist so spaltend für das Land, dass ich nicht denke, dass wir diesen Weg beschreiten sollten" - außer, es gebe zwingende Gründe und überparteiliche Unterstützung dafür. Die Ukraine-Affäre war es, die Pelosi im September dann doch dazu bewog, Impeachment-Ermittlungen gegen Trump einzuleiten. "Er hat uns keine Wahl gelassen", sagt sie am Mittwoch. Von überparteilicher Unterstützung gibt es allerdings keine Spur. Und ihre Sorge, dass ein Impeachment das Land noch weiter als ohnehin schon spalten würde, hat sich bewahrheitet.

TRUMPS ZUSTIMMUNGSWERTE STEIGEN

In einer zu Wochenbeginn veröffentlichten Erhebung im Auftrag des Senders CNN sprachen sich 45 Prozent der Befragten dafür aus, Trump des Amtes zu entheben - 47 Prozent unterstützten das nicht. Beunruhigend für die Demokraten: Im Oktober und November hatte die Zahl der Befürworter noch bei 50 Prozent gelegen, die der Gegner bei 43 Prozent. Die Hoffnung der Demokraten, dass die live im Fernsehen übertragenen Zeugenanhörungen bei den Ermittlungen im Repräsentantenhaus mehr Menschen von der Notwendigkeit eines Impeachments überzeugen, hat sich demnach nicht bewahrheitet. Stattdessen haben Trumps - obgleich immer noch niedrige - Zustimmungswerte in den vergangenen Wochen sogar zugelegt.

TRUMPS "IMPEACHMENT-KRIEG"

Trumps Team nutzt das Impeachment, um Spenden für den Wahlkampf einzusammeln. Während der laufenden Debatte am Mittwoch schickt das Wahlkampfbüro in Trumps Namen eine Rundmail zum "Impeachment-Krieg" an Unterstützer. "Ich möchte zwei Millionen Dollar vor der heutigen Abstimmung sammeln", heißt es dort. "Denkt daran, das ist Krieg, und Amerikas Zukunft hängt davon ab, dass wir gewinnen." Trump hofft, dass das Impeachment seine Anhänger nicht nur ihre Geldbörse zücken lässt - sondern dass es sie vor allem bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen im kommenden November zur Stimmabgabe motiviert.

DIE CLINTON-ERFAHRUNG

Trump dürfte dabei auch seinen von 1993 bis 2001 amtierenden demokratischen Präsidentenvorgänger und Leidensgenossen Bill Clinton im Kopf haben: Gegen Clinton leiteten die Republikaner im Repräsentantenhaus mit ihrer damaligen Mehrheit kurz vor den Kongresswahlen 1998 Impeachment-Ermittlungen ein. Clintons Anhänger trieb das in so großer Zahl an die Urnen, dass die Demokraten fünf Sitze in der Kammer gewinnen und die Zahl ihrer Senatoren halten konnten. Erstmals seit 1934 legte damals die Partei des Präsidenten bei Zwischenwahlen zu, anstatt Sitze zu verlieren.

DIE FURCHT DER TRUMP-KRITIKER VOR DEM HATTRICK

Das ist der Dreifach-Alptraum der Trump-Gegner: Dass Trump bei dem eigentlichen Amtsenthebungsverfahren im Senat von allen Vorwürfen freigesprochen wird, was angesichts der republikanischen Mehrheit in der Kammer auch die wahrscheinlichste Variante ist; und dass Trump im November nicht nur wiedergewählt wird, sondern seine Republikaner auch den Senat halten und das Repräsentantenhaus von den Demokraten zurückerobern. Trump - aus Sicht seiner Kritiker schon jetzt ein Präsident außer Kontrolle - dürfte dann gänzlich entfesselt sein.

Genau diesen Hattrick - Weißes Haus, Senat und Repräsentantenhaus - gibt Trump am Mittwochabend in Battle Creek als Ziel für 2020 aus. "Ich weiß eine Sache: Zig Millionen Amerikaner werden nächstes Jahr auftauchen, um Pelosi verdammt nochmal aus dem Amt zu wählen", sagt er unter dem Jubel seiner Anhänger. Während Trumps Rede blendet sein Lieblingssender Fox News schon einmal das Wahldatum ein - den 3. November 2020 - und schreibt dazu: "Tag der Abrechnung".

DIE GESCHLOSSENHEIT DER REPUBLIKANER

Mitten in Trumps Rede werden dem Präsidenten die Ergebnisse der Abstimmungen im Repräsentantenhaus übermittelt: Kein einziger Republikaner hat mit den Demokraten für ein Impeachment gestimmt, die ihrerseits bei den beiden Voten zwei beziehungsweise drei Abweichler in ihren Reihen verbuchen mussten. "Wir haben nicht eine republikanische Stimme verloren", ruft Trump. Mehrfach sagt der Präsident "Wow", dann klatscht er Beifall. Und er gibt sich kampflustig: "Die republikanische Partei ist noch nie so angegriffen worden, aber sie war auch noch nie so vereint wie jetzt."

(APA)

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