"Heterosexuelle Männer müssen nichts nachweisen – ich schon": Melanie über den Kampf um den Papamonat

Eigentlich sollte es eine Zeit der Vorfreude sein: Melanie (37) und ihre Frau (35) erwarten ihr erstes gemeinsames Kind. Doch statt sich ungestört auf die Geburt vorbereiten zu können, mussten die beiden feststellen, dass für gleichgeschlechtliche Paare noch immer nicht dieselben Regeln gelten wie für heterosexuelle Paare – zumindest nicht in der Praxis. Besonders deutlich wurde das bei der Beantragung des sogenannten „Papamonats“.
Video: Recht auf Papamonat und weitere behördliche Hürden als gleichgeschlechtliches Paar
Ist der Papamonat wirklich nur für Papas?
Der Papamonat in Österreich ist eine einmonatige, unbezahlte Freistellung für frischgebackene Väter oder zweite Elternteile unmittelbar nach der Geburt ihres Kindes. Während dieser Zeit erhalten sie das sogenannte "Familienzeitbonus"-Geld von der Österreichischen Gesundheitskasse.
„Für mich war eigentlich klar, dass ich nach der Geburt meines Kindes den Papamonat in Anspruch nehmen kann“, erzählt Melanie. Ihr Arbeitgeber unterstützte die Idee, und auch arbeitsrechtlich schien alles in Ordnung zu sein. Doch dann kam die Überraschung: "Ich weiß nicht, was man in so einem Fall macht", bekamen die werdenden Mütter von der ÖGK zu Ohren. Weder die Wirtschaftskammer (WKO) noch die Arbeiterkammer konnten auf Anhieb sagen, wie die rechtliche Lage für gleichgeschlechtliche Paare aussieht.

„Ich bin zu unserer Arbeitsrechtsexpertin gegangen und sie meinte, das wird sicher kein Problem sein, aber sie wollte sich trotzdem informieren“, sagt Melanie. Nach mehreren Telefonaten mit den zuständigen Stellen stellte sich heraus, dass es zwar arbeitsrechtlich möglich sei, aber die entscheidende Frage ungeklärt blieb: Übernimmt die Österreichische Gesundheitskasse die Zahlung?
„Es hat dann über eine Woche gedauert, bis wir endlich eine Antwort bekommen haben. Erst dann war klar, dass ich den Papamonat tatsächlich bezahlt bekomme“, erzählt Melanie erleichtert – doch die anfängliche Unsicherheit zeigt, dass es für Regenbogenfamilien noch immer keine klaren Prozesse gibt.
Kinderwunschbehandlung: Teurer für lesbische Paare

Dass es in Österreich noch immer erhebliche Hürden für gleichgeschlechtliche Eltern gibt, bekamen Melanie und ihre Frau bereits viel früher zu spüren – beim Versuch, schwanger zu werden. Die beiden entschieden sich für eine künstliche Befruchtung (IVF). Doch während heterosexuelle Paare in vielen Fällen finanzielle Unterstützung aus dem staatlichen IVF-Fonds erhalten, mussten sie die Behandlung komplett privat finanzieren.
„Wir haben für alles selbst bezahlt. Dabei gibt es den IVF-Fonds, der Paare unterstützt, wenn es medizinisch notwendig ist. Aber der gilt nur für heterosexuelle Paare. Für lesbische Paare gibt es keine Unterstützung, selbst wenn sie dieselbe Behandlung brauchen“, kritisiert Melanie.
Zusätzlich war ein notarieller Vertrag erforderlich, in dem Melanie sich verpflichten musste, finanziell für das Kind aufzukommen. „Das war eine Bedingung, bevor wir überhaupt mit der Behandlung beginnen durften. Ein Dokument, das ein paar hundert Euro kostet. Heterosexuelle Männer müssen so etwas nicht vorlegen. Sie können einfach sagen: ‚Ich bin der Vater‘, und das wird akzeptiert“, erklärt die 37-Jährige.
Schwanger als lesbische Frau – "Wir haben jahrelang darüber nachgedacht"
Für ihre Frau, die das Kind austrägt, war der Weg bis zur Schwangerschaft nicht nur finanziell und bürokratisch herausfordernd, sondern auch emotional eine Achterbahnfahrt. Die 35-Jährige schildert, dass die Entscheidung für ein Kind nicht leichtfertig getroffen wurde.
„Die Entscheidung, als homosexuelles Paar ein Kind in die Welt zu setzen, ist nicht selbstverständlich und sehr durchdacht“, erzählt sie. „Wir haben jahrelang darüber nachgedacht, was das bedeutet – für uns, aber vor allem für unser Kind. Ob unsere Gesellschaft bereit dafür ist, ob unser Umfeld unser Kind und unsere Familie auch genügend unterstützt. Das sind Gedanken, die sich heterosexuelle Paare in dieser Form nicht machen müssen“, schildert die bereits im sechsten Monat schwangere Dornbirnerin.
Obwohl sich das Paar in seinem engen Umfeld gut aufgehoben fühlt, gibt es doch immer wieder Situationen, die einen bitteren Beigeschmack hinterlassen. „Es ist einfach so, dass meine Schwangerschaft unangebrachte Reaktionen hervorruft – ab dem Moment, in dem klar ist, dass ich mit einer Frau zusammen bin“, erzählt die berufliche Lehrerin. „Im öffentlichen Raum merkt man es nicht. Wenn ich mit dem Bus fahre, weiß niemand, woher das Kind kommt. Aber im beruflichen oder erweiterten privaten Umfeld denke ich mir oft, wie werden die Leute reagieren? Wie werden sie mich anschauen? Und das beeinflusst dann auch meine Freude, die Schwangerschaft anderen mitzuteilen.“

"Ich werde nicht nur als schwangere Frau gesehen, sondern als Teil eines gesellschaftspolitischen Themas"
Ein weiteres Problem sei die gesellschaftliche Wahrnehmung. „Ich bin nicht nur schwanger, sondern für viele vor allem eine Frau in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, die schwanger ist“, schildert sie. „Ich werde nicht einfach als schwangere Frau gesehen, sondern als Teil eines gesellschaftspolitischen Themas“, bedauert Melanies Frau.
Dies zeige sich auch in den Fragen, die dem Paar oft gestellt werden: „Wer von euch hat entschieden, schwanger zu werden? Wo habt ihr das Sperma her? Hat es gleich geklappt? Nach welchen Kriterien habt ihr den Spender ausgesucht?“ beschreibt Melanie. „Das sind alles sehr intime Fragen, die ein heterosexuelles Paar niemals gestellt bekommen würde", ergänzt sie.
Auch in den offiziellen Dokumenten gibt es noch viele Fehler. „Ich wurde in den Unterlagen des Kinderwunschzentrums mit ‚Herr‘ oder 'Ehemann' angeschrieben – als ob es unvorstellbar wäre, dass eine Frau die zweite Elternrolle übernimmt.“ Sie ergänzt: "Man könnte schon den Eindruck bekommen, dass das systematische Diskriminierung ist."

"Es wäre schön, wenn wir nicht um Rechte kämpfen müssten, die für andere selbstverständlich sind"
Melanie und ihre Frau haben ihre Erfahrungen öffentlich gemacht, weil sie ein Bewusstsein für die fehlende Gleichstellung schaffen möchten. „Es fehlt einfach an Sichtbarkeit“, sagt Melanie. „Die Leute denken, das Thema ist längst erledigt, aber in der Realität sieht es anders aus.“
Was die schwangere Unterländerin besonders beschäftigt: „LGBTQI+-Themen werden politisch instrumentalisiert, weil es einfach ist. Manchmal hat man das Gefühl, wir müssen uns rechtfertigen, ob wir überhaupt existieren dürfen.“
Auch wenn sich Melanie darüber freut, dass sie letztendlich den Papamonat genehmigt bekommen hat, bleibt ein bitterer Beigeschmack. „Es wäre schön, wenn wir nicht um Rechte kämpfen müssten, die für andere selbstverständlich sind.“
Auch ihre Frau sieht es pragmatisch: „Ich bin unglaublich dankbar, dass ich in einer Zeit und an einem Ort lebe, an dem ich mit meiner Frau offen zusammen sein kann und wir eine Familie gründen können. Das ist nicht selbstverständlich. Aber es ist auch nicht garantiert, dass es so bleibt“, so die Schwangere abschließend.

(VOL.AT)
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