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Herzinfarkt: Ein Drittel der Patienten ist unterversorgt!

Die Daten deuten darauf hin, dass Österreichs Gesundheitswesen wenig zielgenau bei der medikamentösen Behandlung von Patienten ist.

Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung einer vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger unterstützten Umfrage, wonach 53 Prozent der Österreicher vom Arzt verschriebene Arzneimittel nicht aufbrauchen, kommt der nächste Schlag: In einer vor kurzem in der angesehenen Fachzeitschrift „European Journal of Epidemiology“ publizierten US-österreichischen Studie zeigt sich, dass selbst Infarktpatienten zu rund einem Drittel nicht die routinemäßig für die Nachbehandlung empfohlenen Arzneimittel bekommen.

„Wir fassen zusammen, dass bei österreichische Patienten, die einen Herzinfarkt überlebt haben, die empfohlenen Medikamenten zu wenig benutzt werden“, stellten Wolfgang C. Winkelmayer von der Abteilung für Pharmako-Epidemiologie der Harvard Medical School (Boston) und seine Co-Autoren, darunter auch in Pharmafragen federführende Experten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, z.B. Peter Wieninger, fest.

Was die Experten unternahmen, um die Qualität der medikamentösen Versorgung von österreichischen Herzinfarkt-Patienten zu bestimmen:

Zunächst identifizierten 8.414 österreichische Patienten, die im Jahr 2004 nach einem Herzinfarkt lebend aus dem Spital entlassen wurden. Nach der Herausnahme jener Kranken, die mehrfach einen Infarkt erlitten hatten und der Todesfälle innerhalb von 120 Tagen nach der Spitalsentlassung (1.221) blieb eine Personengruppe von 4.105 Kranken übrig. Sie waren im Durchschnitt 68,8 Jahre alt und zu 59,5 Prozent Männer. In Österreich sterben derzeit pro Jahr rund 6.000 Menschen (3.200 Männer und 2.700 Frauen) an einem Herzinfarkt. Man kann annehmen, dass die Zahl der Infarkte etwa das Dreifache beträgt. Das ist aber eine sehr rohe Abschätzung.

Die Wissenschafter: „Die Behandlungsrichtlinien (für Patienten nach einem Infarkt, Anm.) empfehlen die Verwendung von Betablockern (Verhinderung von Rhythmusstörungen, Anm.), Statinen (Cholesterinsenker, Anm.) ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern (Verhinderung eines krankhaften Umbaus des Herzmuskels, Anm.) und von Aspirin (niedrig dosiert zur Verhinderung eines weiteren Infarktgerinnsels).“

Die Fachleute analysierten nun alle Arzneimittel-Verschreibungen der Patienten vom Tag der Spitalsentlassung bis 120 Tage danach. Die bedenklichen Ergebnisse:

– Nur 67 Prozent der Kranken lösten Kassenrezepte auf die empfohlenen ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker ein

– Nur 74 Prozent der Patienten bekamen Betablocker ein

– Nur 67 Prozent der Kranken erhielten ein Statin

– Nur rund 70 Prozent benutzten Aspirin

– Nur 41 Prozent der Patienten erhielten Angiotensin-Hemmer, Betablocker und ein Statin, 34 Prozent zwei dieser Arzneimittel und 25 Prozent eines oder gar keines.

Dazu Beate Hartinger, stellvertretende Generaldirektorin des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger: „Das Thema ist die ’Compliance’ (Mitmachen der Patienten bei der Therapie, Anm.). Das ist natürlich auch eine Aufgabe der Ärzte und eine große Herausforderung. Volkswirtschaftlich rechnet sich natürlich eine bestmögliche Versorgung dieser Patienten. Aber wir haben auch Daten, wonach die Patienten die verschriebenen Arzneimittel zum Teil ja nicht einmal in der Apotheke abholen.“

Noch bedenklicher könnte folgende Aussage der Autoren sein: „Ein höheres Alter und das Vorhandensein einer psychischen Erkrankung gingen mit einer insgesamt geringeren Verwendung aller dieser Medikamente einher.“ Sozusagen: die an sich schon oft Benachteiligten sind hier noch einmal schlechter dran.

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