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Heimat-Verkauf? "Letztes Projekt" in St. Gallenkirch

Bürgemeister Josef Lechthaler über das Avenida-Investorenmodell in St. Gallenkirch.
Bürgemeister Josef Lechthaler über das Avenida-Investorenmodell in St. Gallenkirch.
Joachim Mangard (VOL.AT) joachim.mangard@russmedia.com
Das AvenidA-Projekt sorgt auch für Gegenwind, so stellt sich ein Anrainer wegen der hoteleigenen Seilbahn quer. Bürgermeister Josef Lechthaler relativiert, spricht sich aber auch gegen weitere "Investorenmodelle" aus.

"Ich sehe beide Seiten. Einerseits ist es für Gemeinden wie die unsere wichtig, dass wir mit großen Projekten attraktiv bleiben und eine Wertschöpfung für das Tal sicherstellen. Die Ausgaben werden größer, während zahlreiche Handwerksbetriebe zusperren. Wir benötigen aber gleichzeitig viele Betten, um unser Skigebiet auszulasten und uns nicht nur auf den Tagestourismus zu konzentrieren. Andererseits sehe ich aber auch viele Kritikpunkte an dem Projekt", informiert ein lieber anonym bleibender Anrainer gegenüber VOL.AT.

Gegenwind von Anrainer: "Unsere Heimat ist kein Profitobjekt"

Gerade wegen der anvisierten, projekteigenen Gondelbahn, die über seinen Grund verlaufen würde, hegt er Zweifel. "Ich glaube einfach, dass man immer Kosten und Nutzen abwägen sollte. Während wir hier von unserer ureigensten Heimat sprechen, sehen Investoren die Chance auf das schnelle Geld. Unsere Heimat ist kein Profitobjekt", schließt der Grundeigentümer, der vor allem der Projekt-eigenen Seilbahn kritisch gegenüber steht, zumal sie über seinen Boden verlaufen würde.

Bürgermeister Josef Lechthaler. ©Paulitsch

Bürgermeister Lechthaler:
"Das letzte Projekt dieser Art"

Bürgermeister Josef Lechthaler steht dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber, spricht sich aber im VOL.AT-Interview ebenfalls dafür aus, dass es in Zukunft weniger Vorhaben dieser Größenordnung geben werde.

VOL.AT: Viele Tourismusorte wie Lech, Warth oder im Montafon Schruns und Tschagguns beschließen aktuell in ihren Gremien Baustopps für sogenannte Investorenmodelle. Wie sieht die Situation in der Gemeinde
St. Gallenkirch aus?

Josef Lechthaler: In unserer Gemeinde stehen derzeit keine weiteren Investorenmodelle an. Das im Bau befindliche AvenidA-Projekt ist das letzte dieser Art. Sollten sich neue Projekte anbahnen, können kleinräumige Bausperren verhängt werden. Weiters hoffen wir auf eine schnelle Novellierung des Raumplanungsgesetzes.

VOL.AT: Wie geht St. Gallenkirch gegen die illegale Schaffung von Zweitwohnsitzen vor?

Josef Lechthaler: "Investorenmodell" heißt nicht per se illegaler Zweitwohnsitz. Problematisch sind die Besitzerstrukturen, die langen Zeiträume und die sehr geringen Kontrollmöglichkeiten. Hier hoffen wir ebenfalls auf den Gesetzgeber, dass den Gemeinden entsprechende Werkzeuge ermöglicht werden.

VOL.AT: Was unterscheidet das AvenidA-Projekt von bekannten Praktiken ausländischer Investoren? Welche Sicherheit besteht für die Gemeinde, damit nach Ablauf dieser Verträge nicht genau das passiert?

Josef Lechthaler: Die AvenidA-Gruppe ist bereit, gemeinsam mit Seilbahnbetreiber und Gemeinde einen Treuhandverein zu gründen, der nach Ablauf der Betreiberverträge gewisse Rechte erhält (auch bei Malversationen während der Betriebslaufzeit). So ist gewährleistet, dass sich die Eigentümer nicht zerstreuen können und beispielsweise unterschiedliche Betreiber anstreben.

VOL.AT: Wie steht die Gemeinde zur geplanten Kompaktseilbahn, gerade auch weil sich inzwischen Anrainer wehren, bzw. den Grund nicht zur Verfügung stellen wollen?

Josef Lechthaler: Seitens der Gemeinde wird so eine Direkterschließung begrüßt. Der ganze umliegende Siedlungsweiler profitiert davon, da eine öffentliche Nutzung angedacht ist. Es wird so unter anderem innerörtlicher PKW-Verkehr verhindert.

VOL.AT: Entsteht mit solchen Projekten nicht ein "Dorf im Dorf", mit eigener Zufahrt, Seilbahn, Gastronomie und Freizeitanlagen, das sich dem ebenfalls vom Tourismus abhängigen Dorfkern entkoppelt? Inwiefern profitiert die Gemeinde von solchen Anlagen? Der Vorwurf, dass diese Gäste selbstversorgend unter sich bleiben, steht ja auch bei den Ferien-Siedlungen in Galgenul und Gargellen im Raum?

Josef Lechthaler: Wir rechnen mit einer Belebung des Ortszentrums und einer Aufwertung der Restaurant-Struktur im Dorf, von der Einheimische und Gäste, speziell in den Ferienwohnungen, profitieren. Durch die Kompaktseilbahn kann zudem ein gegenseitiger Wechsel der Gäste zwischen Galgenul und dem Ortszentrum entstehen. Gäste wollen erfahrungsgemäß den Ort und das Tal kennenlernen und bleiben nicht nur in der eigenen Anlage.

VOL.AT: "Piefke-Saga" im Montafon? Wie beurteilen Sie generell die Entwicklung in der Gemeinde? Wie viel Tourismus verträgt das Tal?

Josef Lechthaler: Wir sprechen uns klar dafür aus, dass keine Investorenmodelle mehr in St. Gallenkirch entstehen dürfen. Die aktuell zahlreichen Bauprojekte im ganzen Tal werden teilweise schon zehn Jahre geplant. Diese Gästebetten runden das Angebot im Tal ab. Die Tourismusgemeinden überarbeiten derzeit die räumlichen Entwicklungspläne (REP) und lassen einen "Beherbergungsmasterplan Montafon" ausarbeiten. Diese Instrumente beleuchten die Entwicklungsmöglichkeiten in den Orten und sollen Antworten für mögliche, zukünftige Projekte liefern. Ein Ergebnis könnte die Einführung einer Bettenobergrenze sein.

(VOL.AT)

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