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"Hammer-Anklage" gegen Wiener Chefinspektor

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Die Anklage liest sich wie eine Auszug aus dem Strafgesetzbuch: Nach jahrelangen Ermittlungen muss ein suspendierter Beamter wegen Amtsmissbrauchs und zahlreicher weiterer Delikte vor Gericht.
Chronologie der Affäre
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Anklage gegen Inspektor

Für einen 52-jährigen Chefinspektor der Wiener Polizei, gegen den das mittlerweile umbenannte Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) jahrelang ermittelt hatte, wird es eng. Wie Behördensprecher Friedrich Köhl am Dienstag auf APA-Anfrage bekanntgab, hat die Staatsanwaltschaft Korneuburg beim Wiener Straflandesgericht gegen den vom Dienst suspendierten Spitzenbeamten eine Anklage eingebracht, die sich wie ein Auszug aus dem liest.

Dem ehemaligen Gruppenleiter der Kriminaldirektion (KD) 1 wird Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Nötigung, falsche Zeugenaussage, Bestimmung zur Falschaussage, Betrug und das Begehen strafbarer Handlungen unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit angelastet. Dafür ist ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Haft vorgesehen.

Befangenheit vermeiden

Die “Hammer-Anklage” wird nun dem Verteidiger des Polizisten, der mit Wiener Unterwelt-Größen auf Du-und-Du gewesen sein soll, zugestellt. Dieser hat dann zwei Wochen Zeit, um dagegen Einspruch anzumelden. Die Anklage ist daher noch nicht rechtskräftig. Für den Chefinspektor, der stets sämtliche gegen ihn erhobenen Vorwürfe als haltlos zurückgewiesen hat, gilt die Unschuldsvermutung.

Derzeit ist noch unklar, wo der Prozess stattfinden wird. Die an sich zuständige Richterin des Wiener Straflandesgerichts hat eine Delegierung der Verhandlung nach Korneuburg angeregt: Der Chefkriminalist der sogenannten Gewalt-Gruppe hatte über Jahre hinweg dem Grauen Haus Erkenntnisse geliefert, auf deren Basis zahllose Straftäter abgeurteilt wurden. Um dem Anschein einer daraus resultierenden möglichen Befangenheit entgegenzutreten, soll das Strafverfahren ans Landesgericht Korneuburg abgetreten werden. Ob dieser Anregung nachgekommen wird, hat das Wiener Oberlandesgericht (OLG) zu entscheiden.

Mit Anführer einer Schutzgeld-Truppe befreundet

Der Chefinspektor war vor drei Jahren in die Schlagzeilen geraten, als ruchbar wurde, dass er auf der pompösen Hochzeitsfeier des ihm angeblich freundschaftlich innig verbundenen Dragan J. alias “Repic” in Feierlaune in Erscheinung trat. “Repic” galt als Anführer einer Schutzgeld-Truppe, die in der Wiener Unterwelt Schrecken verbreitet und in großem Stil abkassiert haben soll. Der Spitzenpolizist wurde daraufhin vom Dienst suspendiert.

In weiterer Folge kamen immer neue und vor allem strafrechtlich gravierende Vorwürfe gegen den inzwischen 52 Jahre alten Top-Kriminalisten zutage, die als Vorlage für einen Mafia-Film dienen hätten können und die in der nun eingebrachten Anklageschrift ihren Niederschlag fanden.

“Falschen” Mörder präsentiert

So soll der Chefinspektor im Zusammenhang mit einer Schießerei im Cafe “Cappuccino” in Wien-Hernals, bei der am 30. Mai 2006 ein Lokalbesucher erschossen und ein weiterer schwer verletzt wurde, einseitig ermittelt und dazu beigetragen haben, dass ein Mann als mutmaßlicher Mörder vor Geschworene gestellt wurde, gegen den die Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal mangels Indizien die Anklage fallen lassen musste: Keiner der von der Polizei präsentierten Belastungszeugen erkannte vor Gericht im Angeklagten den Schützen wieder.

Auf der anderen Seite stellte sich heraus, dass zum Zeitpunkt der Schießerei im “Cappuccino” mit Munir F. (42) eine Gürtel-Größe anwesend war, über den der Chefermittler seine “schützenden Hände” gehalten haben könnte. Als ein Zeuge nämlich zur Polizei ging, um eine Aussage über den möglichen Schützen zu machen, die Munir F. in Verlegenheit hätte bringen können, soll der Chefinspektor die Niederschrift zerrissen haben.

Zeugen eingeschüchtert

Andere Zeugen wiederum soll der Spitzenpolizist beeinflusst und eingeschüchtert haben bzw. einschüchtern haben lassen, indem er sich etwa im Februar 2008 mit einer Kellnerin zu nächtlicher Stunde auf einem Fußballplatz außerhalb von Wien traf. In weiterem Verlauf soll die Frau von Bekannten des Polizisten kontaktiert und dazu gebracht worden sein, im Zusammenhang mit der Causa “Cappuccino” den Verdacht neuerlich auf jenen Mann zu lenken, der zuvor als mutmaßlicher Mörder schuldlos eineinhalb Jahre in U-Haft gesessen war. Offenbar sollte damit vom wahren Täter abgelenkt werden.

Die Kellnerin und weitere, offenbar ähnlich präparierte Zeugen hat die Justiz mittlerweile rechtskräftig wegen falscher Zeugenaussage abgeurteilt. Munir F. verbüßt derzeit wegen schwerer Erpressung, Nötigung, absichtlicher schwerer Körperverletzung und Bestimmung zur Falschaussage und Verleumdung eine sechsjährige Freiheitsstrafe.

Gefälschte “Gucci”- und “Louis Vuitton”-Ware verkauft

Auch als Privatmann dürfte der 52-jährige Top-Kriminalist übrigens mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt geraten sein: Er soll in einem Lokal von seiner Lebensgefährtin besorgte gefälschte Textilien der Firmen “Gucci” und “Louis Vuitton” als echt verkauft haben.

Fest steht auch, dass der außer Dienst gestellte Chefinspektor der Wiener Polizei sich bestens mit einem 37-jährigen Geschäftsmann verstand, den Staatsanwältin Nicole Baczak am Dienstag im Wiener Straflandesgericht ungeniert der “Baumafia” zuordnete. Der Mann, der infolge dubioser Machenschaften in der Baubranche seit sechs Monaten in U-Haft sitzt, wurde im Grauen Haus wegen versuchter Bestimmung zum Amtsmissbrauch zu neun Monaten bedingt verurteilt.

Der 37-Jährige hatte den Top-Kriminalsten dem nicht rechtskräftigen Urteil zufolge am 19. Jänner 2007 dazu gebracht, für ihn in Erfahrung zu bringen, ob nach dem Ex-Geschäftsführer einer seiner Firmen, der ihm einen größeren Geldbetrag entwendet hatte, gefahndet wurde. Auf Bitte des Geschäftsmann eruierte der Polizist im EKIS-Computer, ob ein Haftbefehl vorlag.

“Kleine Gefälligkeit” als Gegenleistung

“Ich habe nicht gewusst, dass er das nicht darf”, sagte der 37-Jährige. Und er deutete an, dass er für den Chefinspektor als offenbar sehr brauchbarer Informant tätig war (“Ich habe ihm viel aus der Jugo-Szene erzählt, was für seine Arbeit interessant gewesen ist”) und sich daher die “kleine Gefälligkeit” als Gegenleistung erwartet hatte.

Dies möglicherweise umso mehr, als er dem Spitzenbeamten den Jahreswechsel 2006/2007 “gesponsert” haben dürfte. Es besteht der Verdacht, dass der 37-Jährige dem Polizisten und seiner Ehefrau Flugtickets nach Sarajevo bezahlt hat. In jedem Fall logierten die beiden in einem Hotel, das dem Geschäftsmann gehört. Bezahlte Rechnungen für den Silvesterurlaub konnte der Beamte nicht vorlegen.

“Gschicht’l druckt”

Zum heutigen Verfahren gegen seinen guten Bekannten war der Chefinspektor als Zeuge geladen. Zur Überraschung von Richterin Martina Hahn entschlug sich der Polizist dabei nicht der Aussage, obwohl dies im Hinblick auf seinen bevorstehenden Prozess zu erwarten gewesen wäre.

Der 52-Jährige behauptete, er sei “auf das, was er von mir wollte, nicht eingegangen”. Er habe die Abfrage “für mich selbst als Kriminalbeamter gemacht”, weil er die Person, um die es ging, mit einer konkreten Amtshandlung in Verbindung brachte.

Seinem Freund – mit den Worten “A Freundschaft ist nicht aus, weil a Problem entstanden ist” untermauerte der Polizist sein nach wie vor aufrechtes Naheverhältnis zum Angeklagten – habe er nichts über die Abfrage erzählt, sondern “bloß bla bla, ja ja g’sagt. Natürlich hilft ma am Freund. Aber es is’ net ‘gangen. Also hab i eahm a Gschicht’l druckt”.

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