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"Gut getan, etwas anderes zu sehen"

Der Harder Fußball-Torhüter Michael Langer schwärmt von Manchester United und dem Menschen Robert Enke.

Für Michael Langer war die Reise ins “Mutterland des Fußballs” ein persönlicher Aufbruch. Zuletzt war es für den 24-jährigen Torhüter aus Vorarlberg beim SC Freiburg schlecht gelaufen. Doch all seine Probleme relativierten sich, als er bei seinem Aufenthalt in Manchester vom Freitod seines Torhüterkollegen Robert Enke erfuhr.

VN: Wieder zurück in Deutschland. Wie eindrucksvoll waren die Tage in Manchester.
Michael Langer:
Es war schon enorm. Dieser Klub ist noch eine Stufe professioneller als das, was ich bisher kennengelernt habe. Allein der Kraftraum auf dem Trainingsgelände ist so groß wie die Turnhalle Schendlingen in Bregenz. Gigantisch auch die Trainingsplätze, 13 Stück an der Zahl. Die Arbeit hat mir richtig gefallen Und egal, was jetzt daraus wird: Mir hat es einfach gut getan, einmal etwas anderes zu sehen.

VN: Wie lange waren Sie in Manchester und wie muss man sich den Trainingsalltag bei einem Weltklub wie United vorstellen?
Langer:
Ich bin vergangenen Sonntag nach Manchester geflogen und am Donnerstag zurückgereist. Drei Tage lang habe ich mittrainiert und konnte mich auch anderen Trainern, die dabei waren, präsentieren. Das Training selbst beginnt morgens um neun Uhr im Kraftraum, danach geht es für eineinhalb, zwei Stunden auf den Platz. Nach dem gemeinsamen Mittagessen gab es eine weitere Einheit auf dem Platz. Wichtig für mich war auch, die völlig andere Philosophie kennenzulernen. Im Gegensatz zu uns hier in Deutschland, wo vor allem an der Technik gearbeitet wird, wurde viel in Sachen Schnellkraft gearbeitet.

VN: Wie kam es zu der Einladung nach Mancheter?
Langer:
Tormanntrainer Eric Steele hat mich vor gut eineinhalb Jahren schon einmal in Stuttgart gesehen. Das war kurz vor dem Trainingsstart. In dieser Zeit organisiert mein Berater Jürgen Schwab immer eine Trainingswoche mit all seinen Schützlingen. Darunter sind auch einige Torleute. Der United-Coach war dabei und hat mit mir trainiert. Ich muss wohl einen guten Eindruck hinterlassen haben. Als mein Berater jetzt anfragte, hat er gleich zugestimmt. So hatte ich die Gelegenheit, mich zu präsentieren und mich zu zeigen.

VN: Bei ihrem Klub Freiburg läuft es ja alles andere als rund. Dabei war es ja Trainer Robin Dutt, der Sie unbedingt haben wollte. Was ist da zwischen Ihnen und dem Coach passiert?
Langer:
Eine gute Frage, die mir nicht erst einmal gestellt wurde: Ich kann nur wieder sagen. Es gab ein persönliches Gespräch zwischen mir und dem Trainer, in dem er mir erklärte, dass es weder persönliche noch sportliche Gründe sind, die gegen mich sprechen. Der Klub wolle einfach einem jüngeren Spieler die Perspektive eröffnen, die ich seiner Meinung nach schon hinter mich gebracht habe. Daraufhin habe ich eigentlich nie wieder die Chance erhalten.

VN: Gerade in den vergangenen Tagen mit dem Freitod von Torhüter Robert Enke ist viel von der Psyche der Fußballprofis die Rede. Wie haben Sie die Situation verkraftet.
Langer:
Ich habe mich eigentlich schnell gefangen. Das Schlimmste wäre gewesen, in Selbstmitleid zu verfallen. Ich habe es für mich auch als Chance gesehen und im Training richtig Gas gegeben.

VN: Dann haben Sie den Wechsel vom VfB Stutt­gart zum SC Freiburg nicht bereut?
Langer:
Überhaupt nicht. Es gibt einfach Momente, in denen die Chemie nicht stimmt. Bei einem Trainer spielst du, bei einem anderen nicht. Für meine Entwicklung ist diese Erfahrung wichtig, dessen bin ich mir sicher. Hier in Freiburg bin ich ja nicht der Lehrling, der aus der eigenen Jugend hochgekommen ist. Das war ich in Stuttgart und wer weiß, ob ich dort eine Chance erhalten ­hätte. Hier in Freiburg bin ich wer, auch wenn ich jetzt nicht spiele und keine gute Phase durchmache. Das kann für meinen weiteren Weg aber durchaus positiv sein.

VN: Zurück zum Freitod von Enke. Wie haben Sie davon erfahren?
Langer:
Es war beim Abendessen in Manchester. Ich war mit meinem Berater in einem Lokal, als er schon sehr früh einen Anruf erhielt. Ich war wie versteinert.

VN: Haben Sie Robert Enke persönlich gekannt?
Langer:
Nicht persönlich, aber einges über ihn gehört. So hat mir Sven Ulreich (Anm. d. Red.: dritter Torhüter beim VfB Stuttgart) erzählt, dass er nach einem schlechten Spiel von Enke angerufen wurde. Er hat ihm Mut zugesprochen. Das zeigt mir, welch ein einfühlsamer und wundervoller Mensch er gewesen sein muss.

VN: Können Sie seinen Freitod nachvollziehen?
Langer:
Natürlich haben wir im Bekanntenkreis in den letzten Tagen viel darüber gesprochen. Auch über Depressionen und den Verlauf einer solchen Krankheit. Ich denke, es ist für uns Außenstehende einfach nicht möglich, sich in einen Menschen mit so einem Krankheitsverlauf hineinzuversetzen. In welch tiefes Loch muss jemand fallen, dass er sich am Morgen von seiner Familie verabschiedet mit dem Wissen, abends nicht mehr zurückzukehren. Einige Kollegen meinten, es sei unverantwortlich gegenüber den Hinterbliebenen. Ich denke, in solch einer Situation überlegst du nicht mehr, was sein könnte, sondern du bist einfach auf deinen Weg fixiert.

VN: Zurück zu Ihnen. Werden Sie den SC Freiburg trotz laufenden Vertrags im Winter verlassen?
Langer:
Mal schauen, was nun passiert. Die nächste Entscheidung muss einfach passen. Ich will endlich wieder Fußball spielen, alles andere ist sekundär. Auch deshalb war der Kurztrip nach Manchester für mich wichtig. So konnte ich mich präsentieren, so konnte ich zeigen, dass ich mich trotz fehlender Spiele weiterentwickelt habe. Bis auf drei Spiele in unserer zweiten Mannschaft bin ich über den Trainingsalltag nicht hinausgekommen. Mein Berater hat einige Anfragen, doch noch ist nichts spruchreif.

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