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Grüne am Abgrund

Gastkommentar von Johannes Huber.
Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/GEORG HOCHMUTH (Symbolbild)
Gastkommentar von Johannes Huber. Nicht nur auf Bundesebene muss die Ökopartei mit dem Schlimmsten rechnen, sondern viel mehr noch in Wien. Die Gründe liegen auf der Hand.

Als das Meinungsforschungsinstitut „Unique Research“ jüngst erhob, wen die Wienerinnen und Wiener zum Bürgermeister wählen würden, fand sich unter 100 befragten Personen eine einzige, die den Namen von Judith Pühringer nannte. Natürlich: Sie ist weithin unbekannt. Andererseits aber führt sie gemeinsam mit Peter Kraus die Grünen in der Stadt. Und die Grünen waren hier einmal eine größere Nummer.

Diese Zeiten sind vorbei: Bei einer Gemeinderatswahl am kommenden Sonntag würden sie erstmals seit 1996 wieder einstellig werden. „Unique Research“ weist ihnen acht Prozent aus. Das würde im schlimmsten Fall für Platz sechs hinter Sozialdemokraten, Freiheitlichen, der Bierpartei, der ÖVP und den Neos reichen. Ja, die Bierpartei würde mit zwölf Prozent weit vor ihnen liegen. Wie auch deren Chef, Dominik Wlazny, bei einer Bürgermeister-Direktwahl weit vor Judith Pühringer landen würde: Er würde im Unterschied zu ihr nicht ein Prozent zusammenbringen, sondern 17. In Worten: siebzehn.

All das ist vernichtend für die Grünen, kommt aber nicht irgendwoher und trifft im Großen und Ganzen auch auf die Bundespartei zu. Werner Kogler, Freundinnen und Freunden springen immer mehr potenzielle Spitzenkandidaten für die EU-Wahl ab. Erst Klimaschutzministerin Leonore Gewessler, dann der Nationalratsabgeordnete Michel Reimon. Er wäre für etwas inhaltliche Breite gestanden. Nicht nur für Klima. Wie auch immer: Wenn es so weitergeht, kann man nicht mehr ausschließen, dass die Grünen das Schicksal ereilt, das sie schon 2017 getroffen hat; dass sie aus dem Nationalrat fliegen.

Was ist passiert? Die Grünen sind zu einer Wohlfühl-Kampagnen-Partei geworden, die es mit (vermeintlich) cooler Klimapolitik versucht. Von Klimabonus bis Klimaticket, das man schon einmal gratis kriegt, wenn man sich tätowieren lässt. Das ist dem Teil der Jugend, dem Klimapolitik ein Anliegen ist, zu wenig ernst und geht abgesehen davon an einer größeren Masse vorbei. Ihr sind andere Probleme näher, zu denen Kogler, geschweige denn Pühringer und Kraus, kaum wahrnehmbar sind; bzw. zu denen ihnen keine Lösungskompetenz zugeschrieben wird: Teuerung, Sicherheit, Migration, Integration. Schlimmer für sie: Dass sie in der Bundesregierung die Abschiebung von Kindern ertragen haben, wird ihnen gerade von Leuten übelgenommen, die ihnen einst besonders nahegestanden sind.

Ob die Grünen in der Stadt jemals wieder eine größere Nummer werden können? Man sollte nichts ausschließen. Das heißt umgekehrt, dass sie sich auf allhernad gefasst machen müssen. Langesam, aber stetig wächst die Konkurrenz, die ihnen wehtut. Dominik Wlazny und die Kommunisten haben dort, wo sie bisher erfolgreich waren, vor allem auch bei Akademikerinnen und Akademikern gepunktet. Das war einst viel klarer eine Klientel der Grünen. Sprich: Sollten beide antreten bei kommenden Wahlen, wird es eng für sie.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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