Große erdrücken Kleine

Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr hat vor wenigen Tagen von sich reden gemacht: Die Gebührenerhöhungen in der Stadt seien „enttäuschend“, sagt er in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Presse“. An ihm soll’s jedoch nicht gelegen sein: Ein Aussetzen der Erhöhungen, die gerade in Zeiten einer hohen Inflation notwendig gewesen wäre, sei mit der SPÖ nicht möglich gewesen, so der Neos-Mann.
Es ist bezeichnend für den Zustand dieser Koalition: Der große „Partner“ (die SPÖ) zieht durch, was er für notwendig hält, ohne Rücksicht auf den kleinen zu nehmen (also die Neos). Das ist zwar möglich, aber nicht gerade im Sinne einer gedeihlichen Zusammenarbeit: Zusätzlich zur allgemeinen Teuerung, zu stark steigenden Strom- und Gaspreisen, sorgen die Gebührenerhöhungen fürs Parken sowie für Wasser und Müllentsorgung für besondere Empörung in weiten Teilen der Gesellschaft; sie wirken wie der eine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Empörung darüber bekommen nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch die Neos zu spüren: Ihrem Anspruch hätte es entsprochen, in der Stadtverwaltung zu sparen, statt den Bürgerinnen und Bürgern eine weitere Belastung zuzumuten.
Derartige Rücksichtslosigkeiten sind Wiederkehr und Co. jedoch gewöhnt. Sie klagen selten, die Liste ist jedoch lang. Es ist unheimlich mühsam für sie, Transparenz einkehren zu lassen; insbesondere bei den Inseraten. Im Übrigen müssen sie sich im Regierungsalltag mit Krisenmanagement beschäftigen, sei es in Bezug auf die Schulen oder Missbrauchsfälle an Kindergärten.
In Summe führt das dazu, dass mit Türkis-Pink nichts Pfiffiges einhergeht, kein frischer Wind, der für eine neue Politik steht. Und das setzt naturgemäß eher den Neos zu. Genau genommen heißt es ja „das“ Neos, steht die Abkürzung doch für „Neues Österreich“. Praktizieren können sie ein solches jedoch nicht in Wien.
Der SPÖ kann ihr Schicksal egal sein und ist es ihr wohl auch. Besonders Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ), der in der Vergangenheit auch schon einmal als Kanzlerkandidat gehandelt wurde, macht keinen Hehl daraus, Anhänger einer großen Koalition auf Bundesebene zu sein. Das trifft sich zunehmend mit Vorstellungen von Vertretern der dortigen ÖVP: Für sie ist klar, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen von Vizekanzler Werner Kogler keine Zukunft hat. Klar, sie selbst verlieren zu stark dafür. Es ist aber auch so, dass ihnen diese beharrlichen Rufe nach Klimaschutz und Korruptionsbekämpfung lästig geworden sind. Und dass sich nach einer Neuwahl für sie aus heutiger Sicht nur eine Regierungsbeteiligung unter Führung der SPÖ ausgehen wird.
Trost für die ÖVP: Bei der Sozialdemokratie weiß sie wenigstens, woran sie ist. Jahrelang haben die beiden Proporz und Stillstand walten lassen. Zu Ende war die Beziehung zuletzt erst, als sich Christian Kern (SPÖ) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) um einen Neustart bemühten, aber Sebastian Kurz (ÖVP) dazwischenfuhr.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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