GPA und Handelsverband fordern Handeln gegen "Österreich-Preisaufschlag"

Die EU-Kommission hatte im Mai angekündigt, bis Ende 2026 einen Vorschlag zur Abschaffung territorialer Lieferbeschränkungen in der Nahrungsmittelindustrie zu erarbeiten. Später wurde jedoch bekannt gegeben, dass sie bis Ende 2026 nur Instrumente gegen ungerechtfertigte Beschränkungen entwickeln werde, die über das Wettbewerbsrecht hinausgehen. Die Gewerkschaft und der Handelsverband vermuten Einfluss der Markenindustrie.
GPA und Handelsverband kritisieren "Österreich-Preisaufschlag"
Territoriale Lieferbeschränkungen (sogenannte Territorial Supply Constraints, kurz TSCs) sind von bestimmten großen Herstellern auferlegte Beschränkungen. Diese machen es Einzelhändlern sehr schwer oder unmöglich, Produkte in einem Mitgliedsstaat zu kaufen und in einem anderen weiterzuverkaufen.
Die TSCs erlauben es internationalen Produzenten, Produkte in unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Preisen anzubieten. "Diese länderspezifischen Vertriebsstrategien - gerade im Lebensmittelbereich - treffen den österreichischen Handel mit voller Wucht", kritisiert GPA-Chefin und SPÖ-Politikerin Barbara Teiber. "Unsere Unternehmen dürfen nicht dort einkaufen, wo es am günstigsten wäre. Die Zeche zahlen letztlich die Konsument:innen, die für Alltagsgüter wie Lebensmittel, Kosmetik oder Reinigungsmittel deutlich mehr zahlen müssen als beispielsweise in Deutschland."
"Tatsache ist, dass über 90 Prozent der Beschaffung im Lebensmitteleinzelhandel im EU-Binnenmarkt nach wie vor national erfolgt", so HV-Geschäftsführer Rainer Will. "Das liegt vor allem an den Praktiken der multinationalen Nahrungsmittelindustrie, den EU-Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen künstlich zu segmentieren und so den internationalen Einkauf faktisch unmöglich zu machen."
Auch andere kleine Länder von Preisaufschlag betroffen
Wenn beispielsweise ein österreichischer Händler den Haarspray eines multinationalen Produzenten einkaufe, gehe das nur über die nationale Vertriebsgesellschaft des jeweiligen Multis. Das Haarspray koste für den österreichischen Händler in der Beschaffung 3,20 Euro - ein deutscher Händler zahle fürs selbe Haarspray nur 2 Euro als Einkaufspreis.
Die Großhandelspreise in kleinen Ländern wie Österreich seien aufgrund dieser TSC-Praktiken im Regelfall signifikant höher als jene in großen Ländern wie Deutschland. Dies gelte für die meisten kleineren Länder in Europa, also auch für Dänemark, Belgien oder Luxemburg.
Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hatte in ihrer Branchenuntersuchung der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette einen "Österreich-Aufschlag" bei Markenartikeln von zumindest 15 bis 20 Prozent gegenüber dem deutschen Preisniveau ermittelt. Das gehe auf die Praktik der internationalen Industriekonzerne zurück.
GPA-Chefin Teiber fordert Entlastung durch Abschaffung von Lieferbeschränkungen
"Unsere österreichischen Händler müssen in der Beschaffung zurzeit je nach Produkt um bis zu 60 Prozent höhere Preise bezahlen als deutsche Händler", so Will. Es fließe ein "reines Körberlgeld" für die internationale Markenartikelindustrie. Teiber verwies auf eine EU-Studie, wonach Verbraucher durch eine Abschaffung dieser Lieferbeschränkungen bis zu 14 Milliarden Euro jährlich sparen könnte. "Gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten wäre das eine spürbare Entlastung für Millionen Menschen in Europa - und ein überfälliger Schritt hin zu faireren Preisen für alle."
In den vergangenen Jahren haben EU-Behörden immer wieder mit Strafen gegen entsprechende Verstöße reagiert. Der Nahrungsmittelmulti Mondelez (Milka Schokolade) wurde beispielsweise im Mai 2024 zu einem Bußgeld von 334 Mio. Euro wegen der Behinderung des grenzüberschreitenden Handels verurteilt. Anheuser-Busch InBev (AB InBev), ein Konkurrent der Brauunion-Mutter Heineken, und die größte Brauereigruppe der Welt, wurde bereits 2019 mit 200 Mio. Euro Bußgeld bestraft. Gegen Procter & Gamble (P&G) laufen zurzeit Ermittlungen der EU-Wettbewerbskommission wegen des Verdachts auf unzulässige Marktabschottung.
Ruf von GPA und Handelsverband nach rascher Umsetzung der EU-Binnenmarktstrategie
Aber bei weitem nicht alle Praktiken fielen unter den Schirm des EU-Kartellrechts, kritisieren GPA und HV. Sie begrüßen, dass die EU-Kommission künftig gegen alle TSCs vorgehen will - auch jene, die bisher nicht vom Wettbewerbs- bzw. Kartellrecht erfasst sind, auch wenn die neuesten Ankündigungen "noch nicht das Gelbe vom Ei" seien. Sowohl GPA als auch HV fordern eine rasche gesetzliche Umsetzung der Binnenmarktstrategie - auf EU-Ebene und in der nationalen Anwendung. "Es ist ein Gebot der Stunde, endlich für gleiche Einkaufsbedingungen für Händler in allen Mitgliedstaaten zu sorgen und die künstlichen Preisdifferenzen zwischen den europäischen Ländern zu reduzieren, für die der heimische Handel oft zu Unrecht kritisiert wird", so Will.
phs/cgh
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