Goldpreis explodiert – und die Schweiz kassiert: Wie die Eidgenossen vom Edelmetall-Hunger profitieren

Der Goldpreis kennt derzeit nur eine Richtung: nach oben. Am Freitagmorgen stieg der Kurs für eine Feinunze auf ein neues Allzeithoch von 3.082 US-Dollar (ca. 2.858 Euro) – ein Plus von knapp zwei Prozent allein in dieser Woche. Getrieben wird die Rally von geopolitischen Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheit und dem wiedererstarkten Vertrauen in Gold als sicheren Hafen. Und mittendrin: die Schweiz – globaler Knotenpunkt der Edelmetallverarbeitung.
In Afrika werden Flüsse vergiftet und Dörfer enteignet
Während in Ghana Flüsse vergiftet und Dörfer enteignet werden, laufen in den Schweizer Raffinerien die Maschinen auf Hochtouren. Gold aus Afrika, Lateinamerika oder Asien wird hier veredelt – bevor es in Form glatter Barren in US-Tresore oder auf die internationalen Handelsplätze gelangt. Der Boom spielt der Schweiz wirtschaftlich in die Hände. Doch zugleich steht das Land am Kreuzweg zwischen globalem Profit und moralischer Verantwortung.
Die SRF-Dokumentation „Die Schweiz und das Gold“ liefert einen seltenen Einblick in die Schattenseiten dieses Milliardengeschäfts – von Kleinminen in Ghana über dubiose Goldströme bis in die Hochsicherheitslabore der Schweizer Raffinerien. Viele Informationen dieses Artikels basieren auf der Recherche des Filmemachers Dave Leins für das Schweizer Fernsehen.
Eine diskrete Goldmacht
Die Schweiz spielt im globalen Goldhandel eine zentrale Rolle – und das, obwohl sie selbst über keinerlei eigene Goldvorkommen verfügt. Bis zu zwei Drittel des weltweit gehandelten Goldes passieren physisch ihre Grenzen. Allein vier der sieben größten Raffinerien der Welt stehen im Land: Metalor, Argor-Heraeus, MKS PAMP und Valcambi.
Laut Branchenverband wird derzeit etwa ein Drittel der weltweiten Goldproduktion in der Schweiz raffiniert. Besonders gefragt ist Schweizer Gold derzeit in den USA. Nach Trumps Ankündigung neuer Strafzölle auf europäische Importe sowie angesichts der geopolitischen Lage horten US-Händler Gold wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Nachfrage ist laut RTS-Bericht derzeit höher als während der Finanzkrise 2008 oder der Covid-19-Pandemie.
Gold auch im Vorgarten – der private Schatz der Schweiz
Doch nicht nur Staaten und Großanleger setzen auf das Edelmetall. Auch Privatpersonen in der Schweiz horten beträchtliche Mengen Gold – rund 200 Tonnen, wie eine Studie (2024) der Universität St. Gallen ais gemeinsam mit dem Edelmetallhändler Philoro Schweiz zeigt. Das entspricht einem Marktwert von knapp 15 Milliarden Franken. Im Durchschnitt besitzen die Befragten rund 100 Gramm Gold – also mehr als 7.500 Franken pro Kopf.
Interessant ist auch, wo das Gold gelagert wird: 39 Prozent der Befragten nutzen Schließfächer bei Banken, 18 Prozent verwahren es im eigenen Safe zu Hause, 9 Prozent lagern es bei Edelmetallhändlern. Und immerhin 20 Prozent greifen zu unkonventionellen Methoden – sie bewahren ihr Gold offen in der Wohnung (15 %) oder sogar im Garten (5 %) auf.
Gold mit Geschichte – und mit Schatten
Die starke Stellung der Schweiz hat historische Wurzeln – viele davon düster. Bereits im Zweiten Weltkrieg spielte das Land eine Rolle als Umschlagplatz für Gold aus dem Nazi-Deutschland. Auch während der Apartheid in Südafrika halfen Schweizer Banken dabei, die internationalen Sanktionen zu umgehen. Noch heute zehren Teile der Branche von diesen gewachsenen Strukturen.
Mark Pieth, Strafrechtler und Antikorruptionsexperte, kritisiert, dass ein erheblicher Teil des heute in die Schweiz gelangenden Goldes aus fragwürdigen oder illegalen Quellen stammt – unter anderem unter Einsatz von Kinderarbeit, Quecksilber oder aus Konfliktregionen. Die aktuelle Gesetzeslage in der Schweiz schreibt lediglich vor, den letzten Verkäufer eines Goldbarrens zu benennen – nicht aber dessen Herkunft über die gesamte Lieferkette.
Forderung nach strengeren Regeln – aus der Branche selbst
Ironischerweise kommt der Druck für strengere Sorgfaltspflichten zunehmend aus der Industrie selbst. Der Verband der Schweizer Edelmetallverarbeiter spricht offen über Probleme mit Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung entlang der Lieferketten – und fordert verbindlichere Regeln.
Einige Raffinerien wie Metalor setzen auf geoforensische Analyseverfahren, die mit einer Art mineralogischer DNA die Herkunft eines Goldbarrens prüfen können. Voraussetzung ist allerdings, dass das Gold direkt aus einer offiziellen Mine stammt – bei recyceltem Gold, das 85 % des Schweizer Imports ausmacht, ist Rückverfolgbarkeit nahezu unmöglich.
Valcambi und die Dubai-Debatte
Besonders kontrovers: Valcambi, die weltweit größte Raffinerie, bezieht weiterhin Gold aus Dubai – einem bekannten Umschlagplatz für illegales afrikanisches Gold. Während der Verband diese Quelle meidet, argumentiert Valcambi, man setze auf zwei streng kontrollierte Partner und vermeide so, über Umwege dasselbe Gold von unbekannter Herkunft zu erhalten.
Das Unternehmen hat sich deshalb vom Verband der Edelmetallverarbeiter getrennt – und verweist auf eigene Standards und regelmäßige Kontrollen. Kritiker halten dagegen: Auch bei schärfsten Kontrollen bleibt die Herkunft des Goldes oft unklar, insbesondere wenn Zwischenhändler involviert sind.
Ghana: Ein Land zahlt den Preis
Besonders drastisch zeigen sich die Folgen in Ghana, einem der größten Goldproduzenten Afrikas – und Hauptlieferant für Schweizer Raffinerien. Kleinminen zerstören ganze Flusslandschaften, Arbeiter setzen Quecksilber ein, um Goldpartikel zu binden, und riskieren dabei ihre Gesundheit. Händler kaufen das Gold oft anonym – ohne Dokumentation, ohne Herkunftsnachweis.
Die SRF-Dokumentation zeigt, wie Flüsse biologisch tot sind, Familien ihre Lebensgrundlage verlieren, und Entschädigungen für verlorenes Land oft nur wenige Euro betragen. Gleichzeitig wächst der Frust gegenüber internationalen Konzernen wie Newmont, die mit Zustimmung der Regierung Land enteignen und Dörfer umsiedeln – oftmals unter fragwürdigen Bedingungen.
Swiss Better Gold – eine Lösung mit Grenzen
Es gibt auch Lichtblicke: Die Initiative Swiss Better Gold, getragen von Schweizer Staat und Wirtschaft, versucht, Kleinminen zu unterstützen – etwa durch quecksilberfreie Aufbereitungstechniken. Doch die Reichweite ist begrenzt. NGOs und Aktivisten fordern eine Ausweitung: nicht punktuell, sondern strukturell.
Ein ghanaischer Journalist sagt in der Doku: „Wenn ihr, die Schweiz, euch beteiligt, können wir lernen. Wenn ihr wegbleibt, wird es nicht besser.“ Es ist ein Appell, nicht nur auf Transparenz und Kontrolle zu setzen, sondern direkte Partnerschaften mit verantwortungsvollen Minen einzugehen.
Zwischen Glanz und Gewissen
Ein Gesetz zur Reform des Edelmetallkontrollgesetzes wurde im März 2025 vom Schweizer Nationalrat beschlossen – nun liegt es beim Ständerat. Branchenkenner wie Mark Pieth sagen: Ein Abwandern der Raffinerien ins Ausland wäre wirtschaftlich verkraftbar, da die Steuererträge gering seien. Doch es wäre ein Rückschritt für die globale Transparenz. Denn trotz aller Kritik gehören die Schweizer Raffinerien zu den am besten überwachten weltweit.
Was bleibt, ist ein Dilemma: Die Schweiz verdient am Gold – doch andere bezahlen den Preis. Die Chance, diese Realität zu verändern, liegt nicht nur bei Politik und Wirtschaft – sondern auch bei der Frage, wie viel Verantwortung ein wohlhabendes Land bereit ist zu tragen.
(VOL.AT)
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