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Gewesslers Scheitern

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Ausgerechnet unter einer grünen Klimaschutzministerin entfernt sich Österreich von notwendigen Klimaschutzmaßnahmen.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) würde ja gerne auch aufs voraussichtliche Ende ihrer Regierungsbeteiligung hin etwas weiterbringen. Es geht jedoch nicht mehr: Gerade haben Sozialdemokraten angekündigt, bei ausbleibenden Markteingriffen zur Senkung von Preisen keinen Regierungsvorlagen mehr zuzustimmen, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen. Weitere Maßnahmen zum Klimaschutz drohen damit endgültig zu scheitern.

Parallel dazu fordert die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), das aufgrund von Spritpreissteigerungen im vergangenen Jahr vorübergehend erhöhte – und laut WIFO „klimakontraproduktive“ - Pendlerpauschale erhöht zu lassen, obwohl sich die Spritpreise wieder normalisiert haben. Für Gewessler ist es ein Glück, dass ihre Partei das verhindern kann, indem sie es einfach nicht ermöglicht; dazu nötig wäre nämlich ein eigener Gesetzesbeschluss.

An der Sache ändert das jedoch nichts: Grüne stehen mit Klimaschutz zunehmend allein da. Die ÖVP bremst schon lange, wo sie kann. Bei Freiheitlichen ist es nie anders gewesen, zumal sie keine Krise und damit auch keinen Handlungsbedarf sehen. Sozialdemokraten sind grundsätzlich bereit zu Maßnahmen, solange sie niemanden etwas kosten, auf Autobahnen weiterhin 130 km/h gefahren werden darf und Billigfleisch billig bleibt. Bei den Neos hat Klimaschutz nicht die oberste Priorität, von ihrer programmatischen Ausrichtung her sind ihnen andere Fragen, wie Unternehmertum, wichtiger.

Die Grünen werden damit um Jahrzehnte zurückgeworfen mit ihren Anliegen. Das Zeitfenster, das sich durch ihre Regierungsbeteiligung aufgetan hat, schließt sich wieder. Gestärkt durch einen eigenen Wahlerfolg hat ihnen Sebastian Kurz 2019 einen kleinen Gestaltungsspielraum zugestanden. Mittlerweile hängt seine ÖVP jedoch so sehr in den Seilen, dass sein Nachfolger, Bundeskanzler Karl Nehammer, am liebsten nichts mehr hören würde von Klimaschutz. Das kommt in einer Mehrheit der Wählerschaft nicht gut an. Und Nehammer weigert sich, diese Wählerschaft Freiheitlichen und Sozialdemokraten zu überlassen. Also ist er dazu übergangen, Österreich zum Beispiel zu einem Autoland zu erklären.

Das Problem ist, dass Klimaschutz nicht den Grünen zuliebe notwendig wäre. Es braucht ihn für nachfolgende Generationen. Es ist auch nicht so, dass Grüne alternativlose Konzepte dafür hätten. Wichtig wäre nur, dass etwa darüber gestritten wird, wie der CO2-Ausstoß stärker gesenkt werden könnte – und dass das Ergebnis dann konsequent umgesetzt wird.

Das Problem der Grünen ist jedoch, dass sie nur für einen kleinen Teil der Gesellschaft überzeugend wirken. Dass sie bei Nicht-Akademikern und Landbewohnern kaum ankommen. Und dass sie kein Bemühen zeigen, das zu ändern. Also bleibt das, was sie wollen, auch in der Politik ein Minderheitenprogramm.

Leonore Gewessler steht beispielhaft dafür. Sie polarisiert. Das ist okay. Laut jüngster APA/OGM-Erhebung vertrauen ihr aber nur 30 Prozent der Wähler. 59 misstrauen ihr. Das ist ein Verhältnis von eins zu zwei gegen sie und bezeichnend: Grüne verstehen es nicht, für Dinge, die ihnen erforderlich erscheinen, populär zu wirken. Also riskieren sie, damit zu scheitern.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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