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Geteilte Staaten von Amerika

Nach der Wahl vom 2. November präsentieren sich die USA als ein geteiltes Land: Während im Nordosten, im Zentrum rund um Chicago und an der Westküste die Demokraten dominieren, sind es in den Südstaaten, in Florida, dem Mittleren Westen die Republikaner.

Nach den politischen Farben dargestellt sind die Blue States (Demokraten) und die Red States (Republikaner) heute klar abgegrenzte zusammenhängende regionale Gebiete. Gibt es noch die „Vereinigten Staaten von Amerika“, oder ist Amerika heute ein in zwei Amerikas geteiltes, ein innerlich gespaltenes Land, fragen sich viele in den Nachwehen des von Gegensätzen geprägten Wahlkampfs.

Die beiden großen Parteien haben sich jedenfalls bereits zu Regionalparteien entwickelt. Der Lebensstil sei entscheidend, so die US-Analysten bisher, ob jemand demokratisch oder republikanisch wählt, der Kirchgang, das Einkommen, der Familienstand. Nun kommt noch die Umgebung als prägend dazu: Wer nahe einem Starbucks Cafe lebt, wähle eher demokratisch, während die Nähe zu einem Wal-Mart-Supermarkt eher auf einen Republikaner schließen lasse. Nicht nur in den Blue States haben sich die Stadtbewohner mehrheitlich für den Demokraten John F. Kerry entschieden, während nicht nur in den Red States die Landbevölkerung mehrheitlich für den Republikaner George W. Bush stimmte.

„Das Land ist immer noch in einem Kultur-Kampf verhaftet“, meint Gloria Burger, Reporterin von US News & Reports in einer der vielen Nachwahl-Diskussionen. Die konservative Revolution habe demnach schon in der Zeit des Vietnam-Kriegs begonnen, nun ernte Präsident George W. Bush die Früchte. Kommentatoren verweisen auch auf die wachsende Macht der Zig Millionen „evangelical Christians“, die die Bibel wörtlich als Wort Gottes nehmen, Abtreibung und Homosexualität als Sünden verurteilen und nicht nur an Gott, sondern auch an die Existenz des Teufels glauben. Sie haben in einem Verhältnis von vier zu eins für Bush gestimmt und damit entscheidend zu seinem Wahlsieg beigetragen.

Bush umwarb die ländlich-religiösen Wähler erfolgreich mit Direct Mailings: Im entscheidenden Staat Ohio wurde eine Postwurfsendung der Republikaner mit dem simplen Slogan verschickt – „Bush teilt eure Werte: Hochzeit. Leben. Glauben.“ Vor einer Kirche im Hintergrund steht die „typisch amerikanische Kleinfamilie“. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums waren die traditionellen demokratischen Unterstützer versammelt – die Gewerkschaften, viele Studentengruppen, Bürgerrechtler und Umweltschützer. Für sie zählte die Bilanz der vier Jahre von Bushs Präsidentschaft, die wachsende soziale Ungleichheit, die Steuerkürzungen für die Reichen, der Verlust der Krankenversicherung für Millionen Arme und der Irak-Krieg.

Als „Katalysator“ zum Ausdruck ihres Kulturkampfs pickten sich die Republikaner die Homosexuellen-Rechte heraus, so David Gergen, ehemals Berater von demokratischen und republikanischen Präsidenten. Die Referenden gegen Homosexuellen-Ehe und Partnerschaftsrechte in elf Bundesstaaten haben die Wahlbeteiligung bei Konservativ-Religiösen stark gesteigert. Die von Kirchen organisierten Neuwähler der Republikaner überflügelten offenbar die ebenfalls stark mobilisierten frisch registrierten Wähler der Demokraten.

Die Appelle des unterlegenen Herausforderers John F. Kerry und des wiedergewählten Präsidenten George W. Bush zur „Einheit“ des Landes werden in den USA derzeit noch als Wahlkampfrhetorik aufgenommen. Ein Viertel der US-Bürger zeigt sich nach einer neuen Umfrage verängstigt, was die nächsten vier Jahre bringen werden. Die politisch-regionale Teilung der USA in Blue States und Red States, in religiöse Konservative und in Liberale, ist jedenfalls stark wie nie zuvor. Der griffige Wahlkampfslogan des demokratischen Vizepräsidentschaftskandidaten John Edwards von den „zwei Amerikas“, den Armen und den Reichen, findet nach der Werte-Wahl 2004 eine neue Bedeutung.

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