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„Geht nicht um mich“

©Sams
Es ist das Ende einer Ära: Kürzlich wurde bekannt, dass die Gemeinde Lustenau die Jugendarbeit nach 20 Jahren selbst in die Hand nehmen will. WANN & WO sprach mit OJAL-Geschäftsführer Roman Zöhrer.    

von Anja Förtsch/Wann & Wo

WANN & WO: Du bist seit 20 Jahren bei der Offenen Jugendarbeit Lustenau. In all der Zeit war die immer Vereinssache. Das soll sich jetzt ändern. Wie denkst du darüber?

Roman Zöhrer: Angefangen hat das Ganze ja im Kulturbereich. Innerhalb von 20 Jahren hat sich der Verein dann extrem verändert. Wir sind heute viel weniger im Jugendkultur- als im Sozialpädagogikbereich tätig. Bis heute kamen ja viele solcher Projekte dazu: das Mädchencafé, die Guten Geister, also das Beschäftigungsprojekt für arbeitssuchende Jugendliche, die Mobile Jugendarbeit ... Der Wandel war also immer da und genau dieser macht die Offene Jugendarbeit aus.

WANN & WO: Und wie geht es dir persönlich damit?

Roman Zöhrer: Ich bin absoluter Befürworter freier Träger. Gemeindebediensteter zu werden, kommt deshalb für mich nicht in Frage. Wir haben aber MitarbeiterInnen, die auf Grund finanzieller Verpflichtungen nicht so frei entscheiden können. Es ist völlig okay, wenn sie Jobangebote von der Gemeinde annehmen. Ich möchte nicht, dass dann von Verrat gesprochen wird – so wie mir das jetzt schon vorgeworfen wurde.

WANN & WO: Man hat dir vorgeworfen, ein Verräter zu sein?

Roman Zöhrer: In einem Zeitungsartikel habe ich kürzlich gesagt, dass ich die Übergabe der Jugendarbeit an die Gemeinde friedlich schaffen will. Daraufhin wurde ich gefragt, wo mein Kampfgeist hin sei. In dieser Situation ist mir folgendes wichtig: Die Jugendarbeit soll effektiv und so handlungsfähig, wie möglich, bleiben. Ich als Person spiele hier keine Rolle, es geht einzig und allein um die Jugendlichen und MitarbeiterInnen. Sie sollen nicht hineingezogen werden. Eine Situation wie in Feldkirch hilft niemandem.

WANN & WO: Welche Risiken siehst du, wenn die Jugendarbeit in Gemeindehand geht?

Roman Zöhrer: Für mich stellen sich folgende Fragen: Wie niederschwellig kann die Jugendarbeit von der Gemeinde aus sein? Bleibt sie überparteilich? Bzw. parteilich für die Jugendlichen? Wer lenkt die Jugendarbeit? Entscheiden die Jugendlichen, welche Themen sie aufgreifen wollen, so wie bisher? Gerade in dieser schwierigen Zeit für Kinder und Jugendliche soll es um die volle Unterstützung für die Bewältigung dieser Krise und in meinen Augen nicht um die Veränderung von gut funktionierenden Strukturen gehen.

WANN & WO: Wurdet ihr als Verein in die Entscheidung einbezogen?

Roman Zöhrer: Kurz vor der Budgetsitzung im Dezember wurde mir mitgeteilt, dass 85.000 Euro vom beantragten Budget gestrichen werden. Das war ein Schock – wir wissen bis heute nicht, wie wir damit über das Jahr kommen sollen. Im Jänner gab es dann eine Beteiligungssitzung, die aber eher eine Informationsveranstaltung war, da wir vor vollendete Tatsachen gestellt wurden.

WANN & WO: In Feldkirch ging die Übernahme der Jugendarbeit in Gemeindehand nach hinten los. Droht ein solches Szenario auch in Lustenau?

Roman Zöhrer: Wir müssen schauen, dass die Verhandlungen weitergehen, dass der Dialog bestehen bleibt – und dass nicht einfach angeordnet wird. In Feldkirch gab es am Ende keine Gespräche mehr. Es muss allen bewusst sein: Im Fokus stehen die Jugendlichen und für sie soll die gute Jugendarbeit fortgesetzt werden. Das geht aber nur, wenn die Parteien miteinander reden.

WANN & WO: Du sagtest, deine Zukunft liegt nicht in einer durch die Gemeinde organisierten Jugendarbeit. Wo dann?

Roman Zöhrer: Richtig, nicht bei der Gemeinde – aber trotzdem in der Jugendarbeit. Ich stehe für den Verein weiterhin zur Verfügung und bin bereit, mich einzubringen. Ich bin ein leidenschaftlicher Jugendarbeiter und liebe diesen Job. Nicht umsonst bin ich schon so lange in dem Beruf.

WANN & WO: Im Moment liegt der Ball zwischen der Gemeinde und dem Verein. Wie kann sichergestellt werden, dass das Spiel nicht auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen wird?

Roman Zöhrer: Es ist wichtig, dass der Verein Offene Jugendarbeit Lustenau – in welcher Form auch immer er dann weiter existieren wird – keine Konkurrenz zur Jugendarbeit der Gemeinde darstellt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben bislang eine hervorragende Arbeit geleistet und können und wollen diese auch weiter leisten. Es braucht dafür aber einen fixen Fahrplan und Sicherheit von der Gemeinde, wie es weitergeht, welche Förderung der Verein in Zukunft erhält und welche Räumlichkeiten er bekommt. Denn klar ist: Der Verein wird sich nicht auflösen.

Kurz gefragt

Was hast du in 20 Jahren Offene Jugendarbeit Lustenau gelernt?Vielfalt, Solidarität, Bewegung und Dankbarkeit – nicht nur von den Jugendlichen, sondern auch von deren Eltern. Das gibt Kraft.

Wenn du zaubern könntest, würdest du in deine eigene Jugendzeit zurückreisen wollen? Puh, schwierig. (lacht) Wenn ich an manche Situationen denke, gerne. Insgesamt aber eher nicht.

Wärst du lieber heute im Jugendalter oder dann, als du es warst?Definitiv als ich es war! Heutzutage Jugendlicher sein, wo man in der größten Krise nicht gehört wird und nicht einbezogen wird, das fände ich schlimm.

Wie kommst du persönlich mit der Corona-Krise klar? Ich bin schon lange leidenschaftlicher Sportler. Mein Tag beginnt zwischen 4 und 5 Uhr morgens mit gut 15 Kilometer Crosslauf. Außerdem Klettern, Wandern und überhaupt draußen sein. Und nie den Humor verlieren.

Steckbrief

Geburtsdatum, Wohnort: 29. November 1969, Dornbirn
Familie: ledig, eine Tochter
Funktion: Geschäftsführer der Offenen Jugendarbeit Lustenau Culture Factor Y
Ausbildung: Sozial- und Kulturpädagoge

Die gesamte Ausgabe der Wann & Wo lesen Sie hier.

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