AA

Gefährlicher Musenkuss: "Mit dir ohne dich" von Wolfgang Hermann

Bregenz – Er war der Jungautor der Saison, gefeierter Liebling der Feuilletons und umschwärmter Gast der Talkshows. Doch seit geraumer Zeit gelingt ihm keine Zeile mehr. Die Rede ist nicht von dem Vorarlberger Autor Wolfgang Hermann, sondern von seiner Figur Richard Marten, Protagonist seines kürzlich erschienenen Romans "Mit dir ohne dich".

Denn während der erfundene Shootingstar in der Sinnkrise steckt, Tag für Tag vor dem weißen Blatt Papier sitzt und von seiner Frau verlassen wird, scheint dem 2006 mit dem Anton Wildgans-Preis ausgezeichneten echten Autor immer wieder etwas zu gelingen. Nach den Romanen um seinen Anti-Helden Faustini bringt “Mit dir ohne dich” nun einen anderen, dunkleren Ton in sein Schreiben. Ein Winner-Typ ist freilich auch Richard nicht.

Der Erstlingsroman hat genug Geld auf Richards Konto gespült, um sich noch eine Weile bequem zurücklehnen zu können. Doch die zauberhafte Frau und die verständnisvolle Verlegerin hätten ganz gerne, dass sich das mit dem Bestseller gegebene Versprechen auch künftig einlöst. Schon treffen die ersten Journalisten-Anfragen für einen Beitrag zu “Was wurde aus…?”-Serien ein. Es muss etwas geschehen. Während jedoch Richard selbst rein gar nichts Verwertbares einfallen will, erhält er plötzlich anonyme Briefe, in denen eine Unbekannte seiner literarischen Fantasie mit der Schilderung ihres abenteuerlichen Sexlebens auf die Sprünge helfen möchte.

Widerstrebend lässt sich der Autor auf das Spiel ein, das jedoch immer unheimlicher wird: Seine Geschichten-Lieferantin scheint in erschreckender Detailgenauigkeit über ihn Bescheid zu wissen. Richard ahnt, dass er in Begriff ist, einen Teufelspakt einzugehen und zieht sein aus den geheimnisvollen Briefen kompiliertes Manuskript zurück. Die Muse wandelt sich zur Stalkerin. Immer häufiger werden Polizei und Rettung von anonymen Anrufern zu Einsätzen in seine Wohnung gerufen…

“Mit dir ohne dich” ist eine Sogwirkung nicht abzusprechen. Überstürzt verlässt Richard die unter einer Hitzewelle leidende Stadt und fliegt seiner Frau, die ihre frühere Arbeit als Stewardess wieder aufgenommen hat, nach Japan nach. Rasch ändert sich der Ton des Buches. Richard kann sich von der Blockade befreien, fasst neuen Mut und stellt sich dem Leben und Schreiben.

“Das Radio kündigte ein Ende der Hitze an”, schließt Wolfgang Hermann seine Geschichte. Er selbst scheint keine Schreibblockade zu kennen: Parallel zu “Mit dir ohne dich” ist in der Edition Laurin der Innsbruck University Press auch der Erzählband “In Wirklichkeit sagte ich nichts” erschienen.

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Bregenz
  • Gefährlicher Musenkuss: "Mit dir ohne dich" von Wolfgang Hermann