Gedenkzeremonie in Wiener UNO-City für Holocaust-Opfer

Diese fand unter Anwesenheit des Überlebenden Avraham Roet und anlässlich des Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts (27. Jänner) statt. Der jährlich begangene Gedenktag stand diesmal im Zeichen des Hamas-Angriffs auf Israel vom 7. Oktober.
Avraham Roet bei Gedenkzeremonie in Wien für Holocaust-Opfer
Wie Roet kamen unter anderem dessen Neffe, der israelische Botschafter in Wien, David Roet, und die britische Botschafterin Lindsay Skoll zu Wort. UNO-Generalsekretär António Guterres war zwar nicht persönlich anwesend, meldete sich aber per verlesenem Brief.
"Wir stehen an der Seite der Überlebenden des Holocausts und ihren Familien und Nachkommen. Wir dürfen nicht vergessen, noch dürfen wir andere vergessen lassen", hieß es in Guterres' Botschaft. Man müsse sich im Klaren sein, "der Holocaust begann nicht mit den Nazis, noch endete er mit ihrer Niederlage." Der Generalsekretär warnte vor einer "Dämonisierung des Anderen und Abscheu vor Diversität", keine Gesellschaft sei immun gegen Intoleranz oder Schlimmeres. "'Der Hass, der bei Juden beginnt, endet nie bei Juden'", zitierte Guterres den ehemaligen britischen Großrabbiner Jonathan Sacks. In Anbetracht des Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober müsse man sich klar gegen Antisemitismus positionieren. Zugleich warnte Guterres vor allen Formen des Rassismus, "antimuslimischen Hass eingeschlossen". Allen, die Vorurteilen und Verfolgung ausgesetzt seien, sage er: "Die Vereinten Nationen stehen an eurer Seite."
Kritik von israelischem Botschafter
David Roet, israelischer Botschafter in Österreich, sparte indes nicht mit Kritik an den Vereinten Nationen. Was die Reaktion der UNO auf den Angriff durch die Hamas und dessen Folgen gewesen sei, fragte Roet rhetorisch, und machte eine lange Pause. "Es war vor allem Schweigen", kritisierte der Botschafter - "ein unethisches, tragisches und gefährliches Schweigen." Mehr noch: Dies sei "komplettes Versagen" gewesen.
"Ich stehe hier als der Neffe von Avraham Roet", sagte er. Er sei zugleich stolz und bestürzt. Wie der gegenwärtige Hass zeige, habe man nichts dazugelernt. Der Angriff der Hamas sei eine "unsagbare Grausamkeit" gewesen. "Der Anstieg an Antisemitismus seit damals ist erstaunlich, tragisch und gefährlich. Der Holocaust begann nicht erst mit der industrialisierten Massenvernichtung." 70 Jahre nach dem Ende des Holocausts gebe es nur noch wenige Überlebende desselben. Doch ihre Geschichten müssten weiterhin erzählt werden, gemahnte David Roet. "Wir sind dazu verpflichtet, zu erinnern. Aber erinnern allein ist nicht genug." Man müsse aus dem Holocaust auch lernen. Jedoch: "Wieder werden jüdische Menschen getötet, weil sie jüdisch sind. Wieder wird Juden und Jüdinnen gesagt, ihr Leiden müsse in einen Kontext gesetzt werden."
Skoll: "Herzzerreißend"
"Es ist herzzerreißend, dass die letzten Überlebenden des Holocausts in ihrer letzten Lebensphase erneut um ihr Leben, ihre Angehörigen und Freunde fürchten müssen", konstatierte Lindsay Skoll, deren deutsch-jüdische Großmutter mit ihrer Schwester vor der Verfolgung geflohen sei. Skoll ist britische Botschafterin in Österreich und Repräsentantin des Vereinigten Königreichs vor der UNO.
Die meiste Redezeit gehörte dem Holocaust-Überlebenden Avraham Roet, Onkel des israelischen Botschafters David Roet. "Die Shoah ist eines der schlimmsten Dinge in der Menschheitsgeschichte", sagte der 1928 in den Niederlanden geborene Roet. Etwas Derartiges sei davor nicht passiert und werde auch nie wieder passieren. Dabei erinnerte er auch an "Sinti, Roma und andere Minderheiten", die dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind. "Die Vereinten Nationen sind eines der wenigen positiven Resultate des Zweiten Weltkriegs."
Roet stammt aus einer "liberalen orthodoxen Familie". Diese habe nach innen "die Rechte und Symbole des Judentums bewahrt", nach außen hin "lebten wir wie alle anderen holländischen Bürger. Wir waren sehr frei. Es war ein gutes Leben", erzählte Roet. All das habe sich mit dem Krieg geändert.
"Meine beiden Schwestern waren damals 16 und 18 und wollten sich nicht verstecken. Wegen dem, was wir heute als MeToo kennen, wollten sie nicht zu unbekannten Familien gehen." Roets Schwestern wurden später ermordet.
Roet blickte zurück
Von seinem ältesten und seinem jüngsten Bruder habe einer bei einem armen Bauern, ein anderer bei einem Bäcker Zuflucht gefunden. Auch sein dritter Bruder habe überlebt, obgleich schlechter versorgt als die anderen beiden. "Ich selbst ging zu zwölf oder dreizehn verschiedenen Adressen." Schließlich sei er bei einem Bauern im Süden Hollands untergekommen.
Roet wies auf einen Klassenunterschied in den Niederlanden hin. Es sei vor allem die ärmere Bevölkerung gewesen, die Juden beschützt und versteckt habe. "Das Establishment, die 'High Society' in Holland hat nie etwas für die Juden gemacht", urteilte er.
Der Überlebende stellte einen konkreten Zusammenhang mit Österreichs historischer Verantwortung her. "Anne Frank wurde von einem österreichischen SS-Mann verhaftet", erinnerte Roet, der in dieselbe Schule ging wie Frank. Bei dem SS-Mann handelt sich um Karl Silberbauer.
"Nach dem Krieg entschied ich, nicht mehr in Holland zu leben"
"Nach dem Krieg entschied ich, nicht mehr in Holland zu leben." Zu dieser Zeit habe er noch nicht gewusst, dass die holländische Regierung die überlebenden Juden sehr schlecht behandelte. Unabhängig davon sei er nach "Israel, Palästina" gegangen. 1946 habe er sich zum ersten Mal "wirklich frei" gefühlt.
"Österreichische Nazis haben eine große Rolle bei der Ermordung meiner Schwestern gespielt, wie auch bei der Ermordung von 58 Prozent der Juden in Holland", fasste er zusammen. Doch er sei froh, nun in Wien zu sein und reden zu können.
(APA/Red)
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