Lyon. "Wir haben die unglaublichste Show geliefert, die man sich je vorstellen könnte", sagte Megan Rapinoe, die Frontfrau der goldenen US-Girls, die überhaupt die prägende Figur des Turniers war. Nicht nur erhielt die 34-Jährige am Sonntag den Goldenen Ball als beste Spielerin und den Goldenen Schuh als beste WM-Torschützin, sie schrieb mit ihren Botschaften für Gleichberechtigung sowie gegen Homophobie, Rassismus und Ausgrenzung auch abseits des Sportlichen die Schlagzeilen.
Lautsprecher für Frauenfußball
"Mit ihrer Persönlichkeit ist Megan wie dafür gemacht, ein Lautsprecher für den Frauenfußball zu sein", sagte US-Trainerin Jill Ellis. "Es gibt Menschen, die verbrennen im Scheinwerferlicht. Sie lässt es erstrahlen." Auch am 2:0-Sieg der USA im Finale gegen die Niederlande war Rapinoe entscheidend beteiligt. In der 61. Minute sorgte sie mit einem eiskalt verwandelten Elfmeter für die Vorentscheidung. Rose Lavelle (69.) setzte vor 57.900 Zuschauern wenig später den zweiten Treffer drauf.
Rapinoe, Alex Morgan und ein paar andere der Weltmeisterinnen haben ihre Popularität in den USA in den vergangenen zwei Wochen noch einmal gesteigert. Doch das Besondere dieser WM war, dass die kickenden Damen auch in den europäischen Fußballnationen Räume eroberten, die normalerweise den Männern vorbehalten sind. Laut dem Fußball-Weltverband (FIFA) haben auf allen TV-Kanälen und Plattformen mehr als eine Milliarde Menschen die WM-Spiele verfolgt. Die Rekordmarke bedeutet eine Verdopplung im Vergleich zur WM in Kanada vor vier Jahren.
Es hat sich viel getan
In England war das Semifinale gegen die USA die Sportübertragung mit dem größten TV-Publikum seit dem WM-Semifinale der "Three Lions" vor einem Jahr gegen Kroatien. Nach dem anderen Semifinale widmete "De Telegraaf", die größte Zeitung der Niederlande, die gesamte Titelseite den erfolgreichen "OranjeLeeuwinnen". Auch in Frankreich, Italien und Spanien hat sich in dieser Hinsicht binnen kurzer Zeit extrem viel getan.
Die USA dürfen schon zum vierten Mal am WM-Thron Platz nehmen - doch die Zukunft könnte deutlich mehr von Europa, vielleicht sogar von Asien geprägt sein. Im WM-Viertelfinale standen 2019 sieben Teams aus Europa. Bei den vergangenen drei U20-Weltmeisterschaften hießen die Sieger Deutschland, Nordkorea und Japan. Nur einmal, 2016, schafften es die USA überhaupt ins Semifinale.
Finanzielle Gleichstellung
Ein anderes Thema, das die WM im Hintergrund begleitet hat, war das Ringen um finanzielle Gleichstellung. Rund um die Siegerehrung waren auch am Sonntag in Lyon von den Rängen öfters "Equal Pay!"-Rufe zu hören. Sie kamen hauptsächlich von Fans aus Amerika, die damit die Forderungen ihres Nationalteams nach gleichen Prämienzahlungen bekräftigten. Die niederländischen Anhänger stimmten bereitwillig mit ein.
FIFA-Präsident Gianni Infantino, der von der besten Frauen-WM "aller Zeiten" gesprochen hatte, versprach am Freitag, das Preisgeld beim nächsten Turnier 2023 von 30 auf 60 Millionen US-Dollar (rund 53,4 Millionen Euro) zu erhöhen. Doch die Lücke ist weiter groß und wird sogar noch größer - denn auch die Männer-Prämien steigen weiter. 2018 in Russland erhielt allein Weltmeister Frankreich eine Prämie von 38 Millionen US-Dollar (damals 32,5 Millionen Euro). Die Gesamt-Prämien für die nächste Männer-WM in Katar 2022 sollen rund 440 Millionen US-Dollar betragen.
Zum nächsten Punkt übergehen
Vor diesem Hintergrund ist auch klar, warum sich Rapinoe weiter für die Gleichstellung einsetzen will, selbst wenn sie ihre internationale Karriere früher oder später beenden wird. "Jeder fragt sich, was als nächstes kommt, und was wir von all dem mitnehmen", sagte die Torschützenkönigin. "Ich glaube, wir haben damit abgeschlossen, dass wir uns fragen: Sind wir das wert? Sollen wir gleich bezahlt werden? Sind die Märkte die gleichen? Jeder ist fertig damit, die Fans, die Spieler und auch die Sponsoren. Wir müssen zum nächsten Punkt übergehen."
Der Kampf um die Zukunft des Frauenfußballs bleibt garantiert weiter spannend. Wo die nächste WM stattfindet, ist ebenfalls noch offen. Es entscheidet sich bei der Sitzung des FIFA-Council im März 2020 in Amsterdam. Stand heute gibt es neun Bewerber für die WM-Endrunde in vier Jahren - so viele wie nie zuvor. Süd- und Nordkorea wollen sie gemeinsam ausrichten, Interesse haben aber auch Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Japan, Neuseeland und Südafrika hinterlegt.
(APA)
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