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Fundamentalpopulismus

©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Mit Sebastian Kurz gibt es keinen Klimaschutz: Er will den Menschen vorgaukeln, dass sich nichts ändern muss und alles bleiben kann, wie es ist.


Österreich steuert auf eine dreifache Klimakatastrophe zu: Zum einen ist da die reale Katastrophe, die durch steigende Temperaturen und eine Zunahme von Wetterextremen zum Ausdruck kommt. Zum anderen gibt es zwar Kräfte wie die Grünen, die dagegen ansteuern wollen, die aber viel zu wenig Geschichten liefern: Es reicht nicht, zu sagen, dass etwas passieren müsse. Es ist auch notwendig, Perspektiven zu entwickeln und zumindest eine Mehrheit der Menschen dafür zu gewinnen. Konkretes Beispiel: Wer den Lobautunnel verhindern will, muss zugleich auch Alternativen für eine zeitgemäße Infrastruktur in der stark wachsenden Donaustadt erstellen; und zwar am besten solche, die so attraktiv sind, dass noch mehr Leute dorthin ziehen wollen.

Wer solche Geschichten vernachlässigt, erlebt das, was vor ein paar Wochen in der Schweiz passiert ist: Eine Mehrheit – und bemerkenswerterweise auch sehr viele Junge – hat im Rahmen einer Volksabstimmung ambitioniertere Maßnahmen abgelehnt. Im Vordergrund waren Sprit- und Flugpreiserhöhungen gestanden, die isoliert betrachtet halt so unpopulär sind wie eine schlichte Absage an einen Lobautunnel.
Die dritte Klimakatastrophe kommt im Kurs zum Ausdruck, den die neue ÖVP und Sebastian Kurs fahren: Sie betreiben Fundamentalpopulismus. Sprich: Sie geben vor, sich zu Klimaschutz zu bekennen, lehnen Veränderungen aber ab bzw. verweisen nebulos auf Innovationen und technologischen Wandel, der unter anderem den Einsatz von Wasserstoff zur Aufrechterhaltung der Mobilität gewährleisten soll.

Erwähnte Defizite der Grünen nützt Sebastian Kurz erbarmungslos aus: „Verzicht“ erteilte er diese Woche in einem Interview mit den „Vorarlberger Nachrichten“ genauso eine Absage wie einem „Weg zurück in die Steinzeit“. Damit unterstellt er praktisch, dass etwa Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) mit ihrem Widerstand gegen den Lobautunnel wolle, dass sich Donaustädter vielleicht nicht gerade in Höhlen zurückziehen, aber halt doch zu Hause bleiben – ohne herkömmliches Fahrzeug und am besten auch ohne Strom.

Das zeugt von maximaler Destruktivität bzw. null Bereitschaft, sich den Herausforderungen zu stellen. CO2-Emmissionen sollen bis 2030 um 55 Prozent niedriger sein als 1990. Im Verkehrsbereich waren sie zuletzt um 74,4 Prozent höher als damals. Das macht Entschlossenheit notwendig. Jetzt.

Die ÖVP ist nicht bereit dazu. (Wie im Übrigen auch die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ daran zweifeln lassen oder es ebenfalls nicht sind.) Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat in einem „Heute“-Interview gerade eine Spritpreiserhöhung abgelehnt: Als Landeshauptmann „in einem Land der Pendler“ sei er dagegen: „Die Leute müssen zur Arbeit und auch wieder zurück und sollen dafür nicht bestraft werden“, sagte er.

„Gut“, mag man erwidern, „aber wo ist das Alternativprogramm, das ebenfalls zum Ziel führt?“ Es gibt keines, weil es kein Interesse gibt, etwas zu ändern. Es soll den Menschen vorgegaukelt werden, was sie am liebsten hören: Dass alles bleibt, wie es ist.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.

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