Freispruch für Ex-Rechtspraktikanten bei Prozess in Wien

"Es ist ein eher ungewöhnlicher Fall", sagte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung gegen den Ex-Rechtspraktikanten. Sie skizzierte zunächst, wie wichtig Rechtspraktikanten für die Aufrechterhaltung des Justizbetriebs sind: "Das sind Systemerhalter. Ohne die könnten wir den Laden nicht schupfen. Sie erledigen viel und sehen alles, was im Akt ist." Bei Ermittlungsakten handle es sich um "besonders sensible Daten", die Sensibilität dafür habe zugenommen. Der angeklagte Ex-Rechtspraktikant habe in Bestandteile von elektronischen Akten Einsicht genommen und damit gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen.
Zugriffe von Ex-Rechtspraktikanten ans OLG gemeldet
Der Angeklagte war einer erfahrenen Strafrichterin zugeteilt. Als der Rechtspraktikant längst den Dienstort gewechselt hatte, fiel dieser Richterin auf, dass es unter seinem Namen weiter Zugriffe auf ihre Strafakten gab. Sie meldete das ans Oberlandesgericht (OLG), in weiterer Folge wurde gegen den Juristen Anzeige erstattet, der sich gerade auf seine Übernahmeprüfung aufs Richteramt vorbereitete. "Er wollte Richter werden. Seine Dienstbeschreibung war sehr gut, er wurde als 'Gewinn' und 'wissbegierig' bezeichnet", hielt Verteidiger Otto Dietrich fest. Er sei "von den Socken" gewesen, als er von dem Strafverfahren gegen seinen Mandanten Kenntnis erlangte, "weil ich es als Jurist und Mensch sehr ungerecht empfinde. Er wird verfolgt für etwas, was ein Fehler im System ist."
Angeklagter Ex-Rechtspraktikant hatte weiterhin Zugriffsberechtigung
Der Angeklagte hatte sich den Zugang zur VJ nämlich nicht erschlichen. Er war nach wie vor freigeschaltet und hatte eine Zugriffsberechtigung. Der Angeklagte habe nicht in Schädigungsabsicht auf "interessante Akten" zugegriffen, versicherte der Verteidiger: "Warum hätte er das riskieren sollen? Er wollte Richter werden." Der 27-Jährige, dessen Karrierepläne sich infolge der Anzeige zerschlagen haben - er wurde nicht als Richter übernommen -, behauptete in seiner Einvernahme, er habe nach seiner Zeit am Landesgericht die von ihm betreuten Akten "im Hinblick darauf, ist da was strafprozessual Interessantes passiert", weiter verfolgt. Er sei sich keiner Schuld bzw. keines Fehlverhaltens bewusst gewesen: "Mein Bestreben war, so viel wie möglich zu lernen für die Gerichtspraxis."
Freispruch gegen Ex-Rechtspraktikanten nicht rechtskräftig
Der erkennende Schöffensenat kam zum Schluss, dass beim Angeklagten kein wissentlicher Befugnismissbrauch gegeben sei. "Wir konnten Ihnen nicht nachweisen, dass Sie gewusst haben, dass Sie nicht reinschauen durften." Dem ehemaligen Rechtspraktikanten, der inzwischen als Vertragsbediensteter beschäftigt ist, wurde seitens des Gerichts zugebilligt, "aus Interesse am Richterberuf und zur Vorbereitung auf wichtige Prüfungen" gehandelt zu haben. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab - die Causa ist berichtspflichtig, eine Rechtsmittelerklärung bedarf daher der Zustimmung der Oberstaatsanwaltschaft (OStA).
(APA/Red)
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