Junge Leute geben sich aufgrund eines angeblichen Bevölkerungsaustausches besorgt, behaupten, für eine bessere Zukunft kämpfen zu wollen und zeigen unverhohlen, dass sie Remigration wünschen: Der FPÖ-Nachwuchs hat Anleihe bei Identitären genommen und derlei zum Inhalt eines Werbevideos gemacht. Es gipfelt unter anderem darin, dass die Kamera den Blicken einer Gruppe folgt. Und zwar hinauf zum Führer-Balkon der Wiener Hofburg. Adolf Hitler hat hier 1938 den „Anschluss“ Österreichs an Deutschland verkündet.
Die Botschaft ist klar: Die FPÖ radikalisiert sich. Bundesparteiobmann Herbert Kickl findet das Video nicht etwa kritisch, geschweige denn verachtenswert. Im Interview mit oe24-TV teilt er vielmehr mit, dass es „großartig“ sei.
Damit weiß man, was es geschlagen hat: Wie schon zu Coronazeiten pflegen Freiheitliche Verschwörungstheorien. Jetzt etwa jene von einem Bevölkerungsaustusch. Gewisse Kräfte würden demnach gezielt für Zuwanderung – vorzugsweise aus muslimischen Ländern - sorgen, damit das Abendland untergeht. Wobei man das Abendland gerne als christlich (im Sinne von Kirchtürmen) oder auch germanisch sehen kann. Das ist einem unbenommen. Entscheidend ist, dass man dieser Widerwertigkeit auf den Leim geht. Tut man das, ist man eher bereit, Remigration, also der zwangsweisen Rückführung zugewanderter Menschen in ihr Ursprungsland, zuzustimmen. Das ist das Ziel dieser Kräfte.
Neu ist, dass es dem gegenüber so gar keine Haltung mehr gibt. Ehemaligen FPÖ-Obleuten wie Heinz-Christian Strache und Jörg Haider wäre ein solches Video zumindest in Vorwahlkampfzeiten unangenehm gewesen. Und zwar im Wissen, dass sie so eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler gegen sich aufbringen; und dass sie damit eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei eher erschweren.
Kickl hat jedoch kein Problem mit dem, was sein Nachwuchs hier liefert. Im Gegenteil. Kein Wunder: Er hat die türkise Volkspartei in der Hand. Diese lehnt auch nach diesem Video lediglich ihn als Mitglied einer Bundesregierung ab und tut damit so, als gebe es ausschließlich ein Problem mit seiner Person. Im Unterschied zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen wagt sie es aber nicht, zu sagen, worauf es inhaltlich ankommt: Eine konsequente Absage an den Nationalsozialismus und seine mörderische Ideologie; sowie (nicht zuletzt) eine beharrliche Pflege der liberalen Demokratie, die Vielfalt nach Herkunft, Hautfarbe, Religionsbekenntnis und Ansichten ermöglicht bzw. mit rechtsstaatlichen Mitteln dafür sorgt, dass sie gewährleistet bleibt.
Die türkische Volkspartei traut sich nicht, zu sagen, dass die FPÖ hier auch unabhängig von Kickl Grenzen überschreitet. Ihr ist es wichtiger, sich Freiheitliche als Option für eine Regierungszusammenarbeit nach der kommenden Nationalratswahl offenzuhalten. Damit können sich die radikalen Kräfte ziemlich frei entfalten. Die FPÖ erfährt keinen Nachteil durch sie. Es ist eine Ermunterung für sie, nachzulegen.
Einzig die Andreas-Babler-SPÖ will – neben den diesbezüglich weniger relevanten Grünen und Neos - nicht mit den Blauen koalieren. Aber sie muss sich erst behaupten. Auch gegenüber eigenen Genossinnen und Genossen: In der Steiermark beispielsweise sehen sie das Ganze weniger streng. Für sie ist eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen.
Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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