Gerne werden von Freiheitlichen die Grünen als Verbotspartei bezeichnet. Wenn sie, also wenn Herbert Kickl und Co., einmal in den Spiegel schauen und in sich gehen würden, dann würden sie das vielleicht bleiben lassen. Sie unterstützen nämlich das Verbot einer Pride-Parade durch ungarische Behörden in Budapest, die an diesem Samstag wohl trotzdem stattfinden wird. Der dortige Bürgermeister Gergely Karacsony spricht sich nämlich dafür aus und erklärt: „Diese Verbotsentscheidung hat keinerlei Bestand.“
Nicht nur linke, sondern auch bürgerliche Politiker sind europaweit empört über das Verbot. Nicht so eben rechte wie Freiheitliche: Ihre EU-Abgeordnete Petra Steger begrüßt, dass hier der Kurs des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zum Ausdruck kommt. Der „Schutz von Kindern und Familien“ werde demnach „über eine zunehmend offensive woke Werteagenda“ gestellt.
Schon an der Pride- oder Regenbogenparade vor wenigen Wochen in Wien hatten sich Blaue gestoßen. Es sei „ein Skandal“, dass Teilnehmer „in Latexanzügen, Hundemasken oder Käfigen durch die Straßen ziehen“, und dass das zum Teil auch noch unter dem Label „familienfreundlich“ laufe, empörte sich die Abgeordnete Lisa Schuch-Gubik. Ihr Kollege Michael Gruber aus Oberösterreich würde derartige Paraden nach ungarischem Vorbild überhaupt verbieten: Es handle sich um einen „Ausnahmezustand“, den er nirgends haben wolle, so Gruber laut „Kurier“.
Mehr Intoleranz geht nicht: „Weg mit Regenbogenkult, Gender- & Woke-Wahnsinn“, haben Kickl und Co. schon in ihrem Programm für die jüngste Nationalratswahl gefordert. Gerne hätten sie damit auch dadurch aufgeräumt, dass in der Verfassung festgestellt wird, dass es nur zwei Geschlechter gebe. Und dass Transgender-Athleten im Sport zum Beispiel nicht zugelassen, in gewisser Weise also verboten werden. Mit der Ehe für alle, also etwa auch für gleichgeschlechtliche Paare, hadern sie bis heute. 2019 haben sie ein Verbot bzw. eine Rückkehr zu alten Verhältnissen gefordert.
Früher wäre die ÖVP vielleicht mitgezogen, sie hat sich jedoch entwickelt. Ehe für alle ist eine Selbstverständlichkeit für sie geworden, ihr Generalsekretär Nico Marchetti hat gerade einen Mann geheiratet und das auch öffentlich bekannt gemacht. Mit der Regenbogen- oder LGBTQ-Bewegung hat sie kein Problem (mehr).
Und das ist gut so: Was die FPÖ abfällig als Wokeness bezeichnet, ist eine Fortschrittlichkeit. Es steht für Wachsamkeit und das Respektieren anderer Menschen, wie sie sind; es steht dafür, dass Diskriminierungen beseitigt werden sowie unterschiedliche Lebensweisen und Identitäten als Selbstverständlichkeit angesehen werden.
Ist das schlecht? Es ist aufgeklärter Humanismus, zu dem Eigenverantwortlichkeit und autonome Lebensgestaltung gehören. Wer hingegen eine Pride-Parade verbieten möchte, sagt damit unter anderem, dass er eigene Ideale allen aufzwingen und davon abweichende Vorstellungen aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannen möchte. Was der Unterdrückung betroffener Menschen gleichkommt. Im Sinne einer Verbotspartei eben.
Johannes Huber betreibt den Bog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik
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