Mythos 1: Die meisten Neuankömmlinge sind Wirtschaftsflüchtlinge
Im Gegenteil. Fast alle Flüchtlinge, die derzeit in Europa eintreffen, stammen aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Irak sowie aus Afghanistan. Allein sieben von zehn Menschen, die heuer per Boot über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind, waren Syrer, rechnet das UNO-Flüchtlingskommissariat UNHCR vor. Weitere 22 Prozent stammen aus Afghanistan und Pakistan, wo islamistische Taliban-Aufständische gegen die Regierung kämpfen.
Mythos 2: Viele Flüchtlinge kommen nicht direkt aus Syrien, sondern aus Lagern in den Nachbarländern
Dem widersprechen die Helfer vehement. “Die meisten, die jetzt ankommen, sind direkt aus Syrien geflohen”, sagt die operative Leiterin des UNHCR in Griechenland, Alessandra Morelli. Dass der Konflikt schlimmer ist denn je, zeigt sich ihrer Ansicht nach daran, dass erstmals Frauen und kleine Kinder in großer Zahl eintreffen. Sie machen bereits mehr als ein Drittel der Flüchtlinge aus.
Mythos 3: In Syrien gibt es noch genug ruhige Zufluchtsorte
Berichte aus dem Land widersprechen dem entschieden. Der Konflikt wird sogar immer unübersichtlicher: Das Regime von Präsident Bashar al-Assad kämpft nicht nur gegen zahlreiche Rebellengruppen, die Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS), sondern auch gegen deren Rivalen, der mit Al-Kaida verbündeten Al-Nusra-Front. Diese bekämpfen im Norden des Landes kurdische Rebellen, die einen eigenen Staat wollen. Selbst im Zentrum der Hauptstadt Damaskus, Hochburg des Assad-Regimes, vergeht kaum ein Tag ohne Beschuss durch in den Vororten kämpfende Rebellen, berichtete zuletzt ein Reporter des britischen “Guardian”. “Die Flüchtlinge kommen aus allen Teilen Syriens”, sagt auch Alessandra Morelli vom UNHCR.
Mythos 4: In Griechenland oder Serbien hätten es die Flüchtlinge genauso gut wie bei uns
Dem halten Hilfsorganisationen entgegen, dass Griechenland und die Balkan-Staaten für die Aufnahme von Flüchtlingen kaum gerüstet sind. Der unter Finanznöten leidende griechische Staat versorge etwa Neuankömmlinge weder mit Essen, Unterkunft noch medizinischer Betreuung, klagt die Expertin Constance Theisen von Ärzte ohne Grenzen. Es herrsche bereits seit dem Sommer eine humanitäre Krise. Ähnlich ist es in den Staaten Ex-Jugoslawiens: Das UNHCR hat etwa erklärt, dass es in Serbien selbst zur vorübergehenden Aufnahme von Flüchtlingen am Nötigsten fehle.
Mythos 5: Wenn wir die Grenzen aufmachen, kommen alle
Das spiegelt kaum die bisherigen Tatsachen wider. Seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 sind nach Schätzungen des UNHCR mehr als vier Millionen Syrer aus ihrem Land geflohen. Davor leben nun über eine halbe Million in Jordanien, mehr als eine Million im Libanon und mehr als zwei Millionen in der Türkei. Im Vergleich dazu: Seit Beginn der Flüchtlings-“Krise” im heurigen Jahr sind in Europa nur knapp 300.000 Menschen eingetroffen. Der aktuelle Zustrom dürfte nach Einschätzung des UNHCR mit Wintereinbruch gedämpft werden – im November werde es eine deutliche Entspannung geben, sagte Europa-Direktor Vincent Cochetel zuletzt. (APA)
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