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Ruhige Nacht an Österreichs Grenzen – Verletzte und Festnahmen nach Tumulten in Ungarn

In der Nacht auf Donnerstag haben nur sehr wenige Flüchtlinge die österreichische Grenze überschritten. In Kärnten waren es laut Polizei nur zwei syrische Familien, eine sei per Flugzeug eingereist. Im Burgenland kamen nach bisher eingegangenen Meldungen nur zwei Flüchtlinge über die Grenze, hieß es vonseiten der Sicherheitsbehörden. Auch in der Steiermark war die Lage sehr ruhig.
Ungarn: Tumulte und Tränengas
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Flüchtlingskorridor nach Westen?

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Nach der Schließung der ungarischen Grenze zu Serbien stieg die Zahl der auf Kroatien ausgewichenen Flüchtlinge weiter. Binnen 24 Stunden seien rund 4.000 Flüchtlinge in dem Land eingetroffen, berichtete der kroatische Fernsehsender HRT am Donnerstag. Über die östliche Grenze des EU-Mitgliedslandes kämen aus Serbien immer weitere Flüchtlinge ins Land.

kroatienroute
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Anders als Ungarn will Kroatien die Flüchtlinge direkt nach Westen weiterreisen lassen. Regierungschef Zoran Milanovic sagte vor dem Parlament: “Wir sind bereit, diese Menschen anzunehmen und dorthin zu leiten, wo sie offensichtlich hin wollen” – also nach Deutschland und Schweden.

Innenminister Ranko Ostojic sagte, das Land könne 1.500 Menschen pro Tag aufnehmen und weiterleiten. Derzeit werde die Einrichtung von Korridoren geprüft, er stehe dazu in Kontakt mit seiner slowenischen Kollegin Vesna Györkös Znidar. Diese dementierte jedoch umgehend, da die unkontrollierte Weiterleitung von Flüchtlingen gegen EU-Recht verstoße.

Ausschreitungen an serbisch-ungarischer Grenze

Ungarn hatte am Dienstag seine Grenze zu Serbien dichtgemacht. Am Grenzübergang Röszke kam es daraufhin am Mittwoch zu schweren Ausschreitungen. Erst am Abend beruhigte sich die Lage. Bei den Zusammenstößen verhafteten ungarische Sicherheitskräfte 29 Menschen. Darunter sei auch ein den Behörden bekannter “Terrorist”, sagt Gyorgy Bakondi, ein Sicherheitsberater von Ministerpräsident Viktor Orban im staatlichen Fernsehen am Mittwochabend. Der Name des Mannes sei in der Datenbank der Sicherheitsdienste, ergänzte ein Regierungssprecher.

Serbiens Ministerpräisent Aleksandar Vucic warf dem Nachbarland ein “brutales” und “nicht-europäisches” Vorgehen gegen die Flüchtlinge an der gemeinsamen Grenze vor. Er forderte die Europäische Union auf, darauf zu reagieren. “Sollte die EU keine Antwort geben, werden wir einen Weg finden, unsere Grenzen und auch die europäischen Werte zu beschützen”, drohte Vucic.

Mindestens 22 Menschen wurden verletzt, als Flüchtlinge am Mittwoch versuchten, die Absperrung nahe Röszke zu durchbrechen. Dabei handelte es sich nach ungarischen Angaben um 20 Polizisten und zwei Kinder, die über den Grenzzaun geworfen worden seien. Ein Großaufgebot ungarischer Polizisten setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen Migranten ein, aus deren Menge Steine auf Sicherheitskräfte geworfen worden.

Kinder von Eltern getrennt

Bei dem Versuch, aus Serbien über die Grenze in das EU-Land Ungarn zu gelangen, wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International mehrere Flüchtlingskinder von ihren Eltern getrennt. Mindestens neun Menschen, darunter mindestens vier Kinder, seien von der ungarischen Polizei abgesondert worden, als eine Flüchtlingsgruppe versucht, den ungarischen Grenzzaun zu überwinden.

Amnesty zitierte einen Flüchtling, der dabei von seinem achtjährigen Sohn getrennt wurde. “Mein Kind wurde mir genommen, als ich seine Hand hielt und seitdem sind wir getrennt”, sagte er der Menschenrechtsorganisation zufolge.

18 Schlepper an deutscher Grenze festgenommen

Die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze nimmt indes zu. Am Mittwoch stoppte die deutsche Polizei rund 4.600 Asylsuchende beim Grenzübertritt, wie ein Sprecher in der Nacht mitteilte. Damit ist die Zahl im Vergleich zum Dienstag deutlich gestiegen, als die Bundespolizei rund 3.500 Flüchtlinge zählte.

Am Mittwoch wurden zudem 18 Schlepper festgenommen. Viele Flüchtlinge kamen über die Saalachbrücke zwischen Salzburg und dem deutschen Grenzort Freilassing (Landkreis Berchtesgadener Land). Zwei Großgruppen mit je 700 Flüchtlingen wurden dort gestoppt. Auch der Bahnhof in Freilassing sei weiterhin ein Brennpunkt, berichtete der Sprecher. Die Flüchtlinge werden nun in Sammelstellen in der Region registriert und anschließend auf ganz Deutschland verteilt.

Auch in München gab es eine Verschnaufpause: “Die Nacht war sehr ruhig”, sagte ein Sprecher der dortigen Bundespolizei. Lediglich etwa 30 Flüchtlinge kamen an. Jedoch würden im Laufe des Vormittags mehrere Hundert Flüchtlinge erwartet, die mit Regionalzügen aus dem Grenzort Freilassing kommen sollten. Vier Busse brachten indes etwa 200 Menschen weiter nach Nürnberg.

ÖBB nehmen Zugverkehr nach Ungarn am Freitag wieder auf

Die ÖBB nehmen am Freitag wieder den Zugverkehr nach Ungarn auf. Dazu laufen in diesen Stunden die entsprechenden logistischen und produktionstechnischen Vorbereitungen, hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Unterdessen war der Zugverkehr zwischen Salzburg und dem Deutschen Bahnhof Freilassing bzw. München am Donnerstag weiterhin unterbrochen.

Die Verbindung nach Ungarn war aufgrund der massiven Überlastung genau vor einer Woche, am 10. September, eingestellt worden. Ab Freitag fahren die Railjet-Verbindung auf der Strecke Wien – Budapest, Eurocity-Züge und Nachtzüge sowie grenzüberschreitende Regionalzüge wieder planmäßig. Bis zur Wiederaufnahme der Verbindung bleibt der Personenfernverkehr zwischen den Bahnhöfen Wien und Hegyeshalom bzw. Budapest und der Personennahverkehr zwischen den Bahnhöfen Bruck an der Leitha und Hegyeshalom eingestellt. Zwischen den Bahnhöfen Bruck an der Leitha und Zurndorf ist bis zur Wiederaufnahme des Zugbetriebes ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.

Die Bahnhöfe Nickelsdorf und Hegyeshalom werden vom Schienenersatzverkehr nicht angefahren. Die Reisezüge in Richtung Neusiedl am See und Kittsee sind von der Betriebseinstellung nicht betroffen.

Der Zugverkehr zwischen Salzburg und dem Deutschen Bahnhof Freilassing bzw. München war am Donnerstag weiterhin unterbrochen. Fahrten nach Salzburg sind laut ÖBB weiterhin möglich. Fahrgäste, die von Wien nach Salzburg reisen, erhalten von den ÖBB eine Gratis-Reservierung. Es werden derzeit keine Tickets für Reisen nach Deutschland über Salzburg verkauft. Bereits gekaufte Tickets werden an den Personenkassen rückerstattet.

Der Personennahverkehr blieb zwischen den Bahnhöfen Salzburg Liefering und Freilassing in Bayern zur Gänze eingestellt. Es gibt auch keinen Schienenersatzverkehr. Die Fernverkehrszüge nach und von Innsbruck und darüber hinaus gelegene Zielbahnhöfe, die planmäßig über die Deutsche Korridorstrecke zwischen den Bahnhöfen Salzburg und Kufstein verkehren, werden zwischen Salzburg und Wörgl über Zell am See umgeleitet. Mit einer Verspätung von rund 90 Minuten muss gerechnet werden.

EU will Grenzen besser schützen

Angesichts der anhalten Flüchtlingskrise will die Europäische Kommission laut einem Zeitungsbericht die EU-Außengrenzen durch den Aufbau von multinationalen Grenzschutzteams deutlich besser schützen. “Die EU-Kommission wird bis zum Jahresende einen Vorschlag zum Aufbau eines europäischen Grenzüberwachungssystems (‘European Border Guard System’) machen”.

Dies sagte der für Migrationsfragen zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos der “Welt” (Donnerstagsausgabe). “Ziel ist dabei, dass multinationale Grenzposten-Teams die Außengrenzen der EU überwachen.”

Die mulitnationalen Teams würden die Grenzsicherung verbessern und sie zu einer gemeinsamen europäischen Aufgabe machen. “Dann könnten deutsche und griechische Grenzposten gemeinsam in Griechenland oder Italien tätig werden”, sagte Avramopoulos der “Welt”.

Kurzfristig solle aber die EU-Grenzschutzbehörde Frontex für einen besseren Schutz der Außengrenzen sorgen. “Frontex wird schon in Kürze wegen des großen Andrangs der Flüchtlinge mehrere Notfallteams, sogenannte Rapid Border Intervention Teams, an die Außengrenzen der EU schicken, um an neuralgischen Punkten die Grenzen zu sichern”, kündigte der EU-Kommissar an.

Avramopoulos warnte vor den Folgen der Grenzschließung zwischen Ungarn und Serbien. Es bestehe “das Risiko, dass die Situation an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn eskaliert”. “Wir müssen alles tun, um einen ernsthaften Konflikt zu vermeiden”, forderte der EU-Vertreter. Serbien verhalte sich vorschriftsmäßig.

“Ich hoffe, dass sich auch Ungarn seiner Verantwortung bewusst ist”, mahnte Avramopoulos. Er forderte Ungarn auf, die Grenzen wieder zu öffnen. Schließlich sei das Land Teil der Europäischen Union und solle daher “im Einklang mit den Gesetzen der EU handeln”. “Eine rigorose Schließung der Grenzen und die Errichtung von Zäunen, um Asylsuchende abzuhalten, sind nicht die richtige Antwort. Sie entsprechen nicht dem europäischen Geist”, kritisierte der EU-Kommissar in der “Welt”.

Verteilung von 120.000 vom EU-Parlament beschlossen

Das EU-Parlament hat am Donnerstag im Dringlichkeitsverfahren die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen, die sich in Ungarn, Italien und Griechenland befinden, auf die anderen EU-Staaten beschlossen. Für den Plan der EU-Kommission stimmte am Donnerstag in Brüssel eine breite Mehrheit der Abgeordneten. Österreich muss demnach 3.640 Flüchtlinge zusätzlich aufnehmen.

Brüssel. Den größten Anteil übernimmt Deutschland mit 31.443 Flüchtlingen. In Kraft treten kann die Umverteilung aber noch nicht, solange nicht auch die EU-Innenminister einen Beschluss gefasst haben. Sie beraten am kommenden Dienstag über den Plan. Mehrere osteuropäische EU-Staaten lehnen Flüchtlingsquoten nach wie vor vehement ab. Das Dringlichkeitsvotum des EU-Parlaments soll Druck auf die Innenminister ausüben, sich zu einigen. “Wir stehen vor einer historischen Bewährungsprobe”, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Frankreich kritisiert Bayern

Spaniens König Felipe VI. rief dazu auf, die Flüchtlingskrise mit “Menschlichkeit” und internationaler Solidarität zu bewältigen. Der gegenwärtige Andrang von Flüchtlingen sei ein “komplexes Thema”, bei dem die betroffenen Länder “immer den Sinn für Menschlichkeit und den Schutz der Menschenrechte im Kopf behalten und dadurch inspiriert sein” müssten.

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer forderte indes andere EU-Staaten eindringlich auf, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. “Deutschland allein kann die Folgen dieser Völkerwanderung nicht bewältigen. Hier sind Europa und die Welt gefordert”, sagte der CSU-Chef der “Passauer Neuen Presse” (Donnerstag). “Europa muss klotzen, nicht kleckern, und seiner großen Verantwortung endlich gerecht werden. Wir stehen vor einer humanitären Herausforderung von weltpolitischem Rang. Und die EU-Partner erfüllen ihre Aufgaben derzeit nicht.”

Frankreich etwa warf Seehofer Egoismus vor. “Frankreich nimmt gerade einmal so viele Flüchtlinge auf wie bei uns ein Landkreis im Allgäu. Das verstehen die Menschen nicht mehr. Das ist egoistisch. Wenn es schwierig wird, gibt es in Europa keine Solidarität mehr.” Er setze aber auf die Kraft der Argumente. “Es wäre schon ein Erfolg, wenn eine Gruppe einiger starker EU-Partner hier vorangeht und mehr Flüchtlinge aufnimmt. Andere werden dann nachziehen.”

Seehofer erneuerte seine Kritik an der Entscheidung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Flüchtlinge von der ungarischen Grenze unbürokratisch einreisen zu lassen. “Ich hätte am vorletzten Wochenende natürlich nicht die Entscheidung getroffen, die Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen. Ich bleibe dabei: Das war ein Fehler, der sich nicht wiederholen darf”, sagte der CSU-Chef.

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