Fasziniert von Geschichte: Betty aus Feldkirch lebt das Mittelalter und die Steinzeit

Darum geht's:
- Betty aus Feldkirch begeistert sich für Steinzeit-Reenactment und historisches Fechten
- Sie hat das mittelalterliche Towerfechtbuch ins Deutsche übersetzt und interpretiert
- fertigt authentische Kleidung und Gegenstände für ihre Reenactments an

"Unterscheidet sich völlig vom Schaukampf"
In sozialen Medien ist Bettina Miriam Sehner aus Feldkirch als "Arthistory Addict" unterwegs. Sie habe sich immer schon für Geschichte interessiert, erklärt sie gegenüber VOL.AT. Historisches Fechten entdeckte sie 2016 als Sport für sich. Aus historischen Büchern wird hier die Schwertkunst aus dem Mittelalter rekonstruiert. "Es unterscheidet sich ja völlig vom Schaukampf, den man in Filmen oder im Kino sieht", gibt sie zu verstehen.

Übersetzung eines mittelalterlichen Fechtbuchs
Betty kam schließlich zu einem Fechtclub für Hema (Historical European Martial Arts) in Graz. Damals begann sie auch digital statt nur auf analogen Medien zu malen. Im Zuge des Trainings kam ihr und ihrem besten Freund – einem Trainer für Schwert und Buckler – die Idee zu einem Buch. "Ultima Custodia" ist eine Übersetzung des Towerfechtbuches vom Mittellateinischen ins Deutsch und ins Englische. "Dann haben wir natürlich auch eine Interpretation des Ganzen", meint sie. Das originale Fechtbuch war ein Lehrbuch mit drei Protagonisten: einem Priester, einem Schüler und einer Frau namens Walpurgis. Das faszinierte sie, da nur wenige solcher Bücher eine Frau zeigen. "Es ist wirklich ein Lehrbuch. Es wird gesagt: Der Schüler macht das, der Priester macht das", so Betty.



"Es war sehr viel Arbeit"
Die Interpretation entstand über Jahre mit der Gruppe in Graz und wurde von ihrem besten Freund zusammengefasst. Von Betty stammen die Illustrationen im Buch. Sie interpretierte die Figuren und Haltungen. "Es war sehr viel Arbeit", betont die Feldkircherin. Schon die Lizenzen für das originale Towerfechtbuch zu bekommen, war eine Herausforderung. Hierfür gab es erst einmal eine Finanzierung per Kickstarter. "Das waren doch fast 4000 Euro. Lizenzen sind nicht billig." Danach startet das Projekt, das über vier Jahre dauerte. In Coronazeiten arbeitet Betty von Feldkirch und ihre bester Freund von Graz aus und sie fügten alles online zusammen. Das Buch "Ultima Custodia" gibt es für Interessierte auf Bettys Homepage "Blade and Sword" zu kaufen. Dort bietet sie auch Illustrationen, Poster und Co. mit ihren Zeichnungen an, wie sie erklärt.
Video: Betty zum Fechtbuch "Ultima Custodia"


Betty erklärt: Das ist Reenactment
Bettys zweite große Leidenschaft, wenn es um Geschichte geht ist Reenactment. "Quasi Rekonstruktion, historisch so authentisch wie möglich", gibt sie zu verstehen. Von Kleidung über Alltagsgegenstände bis zur Art wie man Feuer macht gehört hier alles dazu. "Man kanns bis ins Extreme machen", meint sie dazu. "Ich bin jetzt niemand, der selber Felle gerbt, das kann ich noch nicht, aber ich nähe alles selber." Die Feldkircherin kauft Feuersteine und fertigt daraus Klingen für Dolche und Sperrspitzen. Moderner Kleber und Seil kommen nicht zum Einsatz: Sie macht den Kleber selbst aus Holzkohle und Bienenwachs, zum Binden verwendet sie teilweise Brennnesselschnüre.


"Ich liebe es, so im Wald herumzulaufen"
Sie probiert die Gegenstände und die Kleidung auch aus und versetzt sich so in die Zeitperiode. Beim Interview trug sie ein Kleid nach Beispiel aus dem 14. Jahrhundert, aber auch mit Frühmittelalter und Bronzezeit beschäftigte sie sich, vor sie in der Steinzeit landete. "In der Jungsteinzeit hatte man ja auch schon Stoffe, zumindest kann man nachweisen, dass halbwegs Wolle verwendet wurde", verrät sie. "Ich fühle mich verdammt wohl, trage es teilweise auch im Alltag." Auch Spaziergänge unternimmt sie: "Ich liebe es, so im Wald herumzulaufen, weil es macht ein ganz anderes Feeling, in solchen Schuhen, wenn man sie sich selber macht", schildert die Feldkircherin. Mit dem Speer und Pfeil und Bogen schießt dann auch sie – allerdings nicht auf Tiere, sondern höchstens auf Totholz.


Derzeit arbeitet Betty an ihrer Winter-Steinzeitkleidung. "Die Schuhe waren tatsächlich die größte Herausforderung. Dichte Schuhe herzubekommen für den Schnee, quasi nur mit Tierfellen und Tierleder, da muss man sich zuerst schon damit beschäftigen und ausprobieren", gibt sie zu verstehen. Die Herausforderung ist auch das, was ihr daran gefällt. "Mir ist voll bewusst, dass ich nie wissen werde, wie es wirklich war. Das ist viel experimentell", betont Betty. Sie versuche ihr Bestes, lese sich ein und suche sich Quellen. "Das macht es auch spannend, dass man probieren kann, schauen kann, funktioniert es oder nicht", meint sie. Auch eine passende Rüstung zum Mittelalter hat Betty. Hier geht es ihr weniger ums Reenactment als ums tatsächliche Rüstungsfechten. "Das ist auch ein Teil von Hema", so die Feldkircherin. Auch verschiedene Lang- und Kurzschwerter und Säbel hängen bei ihr in der Wohnung.


Video: Betty über Reenactment
Mit ihrer historischen Kleidung ist Betty auch öfters in Feldkirch und Umgebung unterwegs. "Ich trage es gerne. Manche fragen mich, ob ich vom Mittelaltermarkt komme", gibt sie zu verstehen. Solche Reaktionen nimmt sie mittlerweile mit Humor. "Bei der Steinzeit meinen manche, ich bin Indianer. Letzthin, als ich eine Wanderung gemacht habe, hat man mich gefragt, ob ich vom Karneval komme. Aber das passt schon." Gerne ist sie bei Spaziergängen für sich, wenn sie aber jemand anspricht und Interesse hat – besonders an der in Österreich eher unüblichen Steinzeit-Reenactment – informiert sie gerne über ihr historisches Hobby.
(VOL.AT)
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