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Familienbeihilfe: EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet

Die Anpassung der Familienbeihilfe sorgt für ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich.
Die Anpassung der Familienbeihilfe sorgt für ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. ©pixabay.com (Sujet)
Wegen der Anpassung der Familienbeihilfe wurde nun von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.

Die EU-Kommission geht gegen Österreich wegen der umstrittenen Anpassung der Familienbeihilfe an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten im EU-Ausland (Indexierung) vor. Die zuständige Sozialkommissarin Marianne Thyssen sagte am Donnerstag in Brüssel, die Kommission habe ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet. “Indexierung ist zutiefst unfair”, sagte die EU-Kommissarin.

Österreich: Zwei Monate für Antwort Zeit

Österreich hat nun zwei Monate Zeit, um auf das Aufforderungsschreiben der EU-Behörde zu antworten. Nach einem weiteren Mahnschreiben kann die EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung geht weiterhin davon aus, dass die per Verordnung vorgenommene Indexierung, die seit 1. Jänner gilt, rechtskonform ist, wie Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) in Reaktion auf die Brüsseler Ankündigung deutlich machte.

Thyssen verurteilte die österreichische Regelung mit scharfen Worten. “Es gibt keine Arbeiter zweiter Klasse, und es gibt keine Kinder zweiter Klasse in der EU”, betonte die EU-Kommissarin. Die Maßnahme, die Österreich gesetzt habe, verhindere nicht einen “Sozialtourismus”, sondern treffe diejenigen Menschen, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Die EU-Kommission habe immer klar gemacht, dass es gleiche Leistungen für gleiche Beiträge am selben Platz geben müsse. Vor allem in den osteuropäischen Ländern führt die Indexierung zu eine deutlichen Kürzung der Familienbeihilfe.

EU-Kommission: Österreichische Gesetzgebung nicht im EInklang mit EU-Recht

Jetzt habe die Analyse der EU-Kommission erneut bestätigt, dass die österreichische Gesetzgebung nicht im Einklang mit EU-Recht stehe. Thyssen stellte auch die Frage, was nach einer Indexierung der Familienbeihilfe noch kommen würde, etwa die Einschränkung von Pensionszahlungen in der EU. Sie verwies auch darauf, dass unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr der Beschluss zur Errichtung einer Europäische Arbeitsbehörde (ELA) getroffen wurde.

“Der österreichische Indexierungsmechanismus ist diskriminierend, da er zu einer Verringerung der Familienbeihilfen und einschlägiger Steuerermäßigungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich führt, nur weil deren Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen”, erklärte die EU-Kommission zudem in einer Pressemitteilung. “Der Umstand, dass die Lebenshaltungskosten in einem solchen Mitgliedstaat niedriger sind als in Österreich, ist für eine Leistung, die als Pauschalbetrag ohne Bezug zu den tatsächlichen Unterhaltskosten für ein Kind ausbezahlt wird, nicht relevant.”

Indexierung der Familienbeihilfe ins Ausland
Indexierung der Familienbeihilfe ins Ausland ©APA

Bogner-Strauß zu EU-Verfahren gelassen

Bogner-Strauß nahm den Start des Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich gelassen auf. Das Vertragsverletzungsverfahren müsse in der “richtigen Relation” gesehen werden und sei nichts Unübliches, erklärte die Ressortchefin in einer Stellungnahme gegenüber der APA am Donnerstag. “Es steht der Kommission frei, die Indexierung der Familienbeihilfe zu überprüfen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die von uns gewählte Lösung mit europäischem Recht vereinbar ist.”

Auch für den Leiter der FPÖ-Delegation im EU-Parlament, Harald Vilimsky, widerspricht die österreichische Regelung dem EU-Recht nicht; die Argumentation der EU-Kommission sei “falsch”. Die Kommission übersehe, “dass die Familienbeihilfe im Gegensatz zu ähnlichen Familienleistungen von anderen Staaten NICHT aufgrund einer Erwerbstätigkeit bezahlt wird”. Das Familienlastenausgleichsgesetz besage “eindeutig, dass diese Sozialleistung aufgrund des Wohnortes eines Kindes bei einem Elternteil ausbezahlt wird”.

Kritik an die Bundesregierung kommt von der Opposition

Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, kritisierte die Bundesregierung. Regner erwartet dass die Indexierung der Familienbeihilfe vor dem EuGH landen wird. “Kurz und Strache bleiben bei der Familienbeihilfe weiter auf dem Holzweg. Jedes Kind muss in der Europäischen Union gleich viel wert sein. Statt EU-BürgerInnen zu diskriminieren, sollte die österreichische Regierung das Geld von den Steuerbetrügern eintreiben. Mit diesen 12,9 Milliarden Euro könnten wir gleich viermal die komplette Familienbeihilfe finanzieren”, sagte Regner.

NEOS-Familiensprecher Michael Bernhard kritisierte bereits vor der offiziellen Bekanntgabe der EU-Kommission, ÖVP und FPÖ hätten an der europarechtswidrigen Indexierung festgehalten und wider jedes besseren Wissen ein Vertragsverletzungsverfahren in Kauf genommen. Dies sei “schlicht unverantwortlich”. Es sei zu befürchten, “dass die schwarz-blaue Regierung weiterhin auf stur schaltet und an keiner echten Lösung auf europäischer Ebene arbeiten wird, so Bernhard.

In ähnlichem Ton benutzte Daniela Holzinger, Familiensprecherin der Liste Jetzt (früher Liste Pilz), in einer Aussendung das Wort “verantwortungslos” für das Vorgehen der Regierung. Sie warnte vor “Strafzahlungen in Millionenhöhe (…), die schlussendlich von den SteuerzahlerInnen getragen werden müssen”. Die Regierung habe es verabsäumt, ihren EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr des Vorjahres dafür zu nutzen, eine europäische Lösung für die Indexierung der Familienbeihilfe zu erreichen.

Hintergrund: Rund 125.000 Kinder im EU-Ausland bekommen weniger Familienbeihilfe

Am 1. Jänner ist die umstrittene Verordnung zur Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder in Kraft getreten. Damit wurde diese finanzielle Unterstützung an die Lebenserhaltungskosten in jenem Land angepasst, in dem das Kind von in Österreich Beschäftigten lebt.Die Indexierung war bereits unter der letzten rot-schwarzen Koalition diskutiert worden, die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung zog die Änderung schließlich durch und erwartet sich nach früheren Angaben Einsparungen von 114 Millionen Euro pro Jahr. 2017 waren 253,2 Mio. Euro an Beihilfen ins Ausland bezahlt worden.

Für in Österreich tätige Arbeitnehmer, deren Kinder in anderen EU-Mitgliedstaaten leben, wird die Familienbeihilfe seit 1. Jänner 2019 “indexiert”. Das bedeutet, dass der Betrag den örtlichen Gegebenheiten im jeweiligen Land angepasst wird. In Hochpreis-Ländern ist sie dadurch höher, für Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern gibt es jedoch teils empfindliche Einbußen. Indexiert wird nun auch der Kinderabsetzbetrag.

Indexierung der Familienbeihilfe: Eltern von 400 Kindern betroffen

Eine etwas höhere Leistung gibt es durch die Verordnung für Kinder in den Ländern Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island und Luxemburg. Auch in den Niederlande, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Großbritannien wird eine höhere Familienbeihilfe gezahlt. Betroffen sind davon die Eltern von rund 400 Kindern, geht aus einer Auflistung des Familienministeriums aus dem Vorjahr hervor.

Die weit höhere Zahl an Kindern – insgesamt rund 125.000 – ist jedoch von einer Kürzung betroffen. Die meisten von ihnen leben in Ungarn (38.700), der Slowakei (27.180) sowie Polen (14.865) und Rumänien (14.213).

Für Familien in diesen Länder gibt es teils erhebliche Einbußen. Während in Österreich für ein 0- bis zweijähriges Kind 114 Euro Familienbeihilfe gezahlt werden, sind es für ein Kleinkind in Bulgarien nun nur noch 51,30 Euro. Auch in Rumänien und Polen sind es ähnlich große Unterschiede. Weniger Familienbeihilfe wird auch für in Deutschland lebende Kinder gezahlt, die Differenz beläuft sich hier aber nur auf 3 Euro.

Etwas mehr Familienbeihilfe gibt es unter anderem in Irland (132,92 statt 114 Euro für 0- bis Zweijährige) und in Luxemburg (134,52 Euro). In die Schweiz müssen aufgrund der Indexierung in dieser Gruppe 173,28 Euro gezahlt werden. In diesen Ländern leben aber wesentlich weniger Kinder als in jenen, wo gekürzt wird.

(APA/Red)

 

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