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EZB senkt Leitzins auf 0,15 % - Erstmals Strafgebühr für Bankeinlagen

Die Europäische Zentralbank sendet ein radikales Signal an die Märkte
Die Europäische Zentralbank sendet ein radikales Signal an die Märkte ©APA
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins auf ein Rekordtief gesenkt und erstmals einen negativen Einlagensatz beschlossen.
EZB vor historischer Entscheidung
Finanzbranche wetter gegen Zinssenkung

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Euroraum wie erwartet nochmals von 0,25 Prozent auf 0,15 Prozent gesenkt. Gleichzeitig beschloss der EZB-Rat nach Angaben der Notenbank am Donnerstag in Frankfurt, erstmals einen Strafzins von minus 0,10 Prozent für Bankeinlagen. Zudem kündigte die Notenbank weitere unkonventionelle Schritte an. Details sollten noch am Donnerstag bekanntgegeben werden, sagte ein Sprecher.

Mit dem Maßnahmenpaket reagieren die Währungshüter auf die seit Monaten sehr niedrige Inflation. Niedrige Zinsen verbilligen tendenziell Kredite und Investitionen und können so die Wirtschaft ankurbeln. Das stärkt in der Regel auch den Preisauftrieb.

Kredite sollen angekurbelt werden

Auch der negative Einlagenzins soll die Inflation antreiben: Er soll den Euro schwächen und so Importe verteuern. Zudem sollen Banken dazu gebracht werden, überschüssiges Geld nicht bei der EZB zu parken, sondern Verbrauchern und Unternehmen Kredite zu geben. Diese könnten investieren und so der Konjunktur auf die Sprünge helfen.

Im Mai war die Jahresteuerung im Euroraum auf 0,5 Prozent gesunken. Sie liegt damit deutlich unterhalb der Zielmarke der EZB von knapp unter 2,0 Prozent. “Wir werden nicht zulassen, dass die Inflation zu lange auf zu niedrigem Niveau bleibt”, hatte Draghi erst in der vergangenen Woche betont.

Sorgen vor einer Deflation

Denn der geringe Preisauftrieb schürt Sorgen vor einer Deflation, also einer Abwärtsspirale der Preise quer durch alle Warengruppen. Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen und Anschaffungen in Erwartung weiter sinkender Preise hinauszögern. Das würde die ohnehin fragile Konjunkturerholung in Europa abwürgen.

Der Euro drehte nach der EZB-Entscheidung erwartungsgemäß ins Minus und stand um zirka 13.50 Uhr auf einem Viermonatstief bei 1,3558 Dollar.

Banker beruhigen Sparer

Trotz negativer Zinsen auf Einlagen der Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB) müssen sich die österreichischen Sparer nicht fürchten, über negative Nominalzinsen auf ihren Sparbüchern enteignet zu werden. Das versicherten die Großbanken am Donnerstag umgehend. Bank Austria-Chef Willibald Cernko kann “negative Nominalzinsen für unsere Kunden ausschließen”, wie er nach dem spektakulären EZB-Entscheid der APA ausrichtete.

Gleichlautendes kam von Raiffeisen: “Wir bestrafen Kunden nicht, wenn sie sparen”, schloss der Vizechef der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, Georg Kraft-Kinz, nominale negative Zinsen aus. “Unser Geschäftsmodell ist es, Einlagen anzunehmen, um damit Kredite vergeben zu können, darüber hinaus wird am Kapitalmarkt veranlagt”, stellte er in einer Aussendung fest. Er räumte aber ein, dass ein Leitzins von 0,1 Prozent “Auftrag” an die Bankberater sei, Kunden vor Realverlust zu schützen. Eine Sparzinsensenkung sei bei Raiffeisen derzeit generell kein Thema. In der aktuellen Niedrigzinsphase sieht Kraft-Kinz indes den idealen Zeitpunkt, sich günstig über Kredite zu finanzieren. “Günstiger geht es nicht mehr.”

Reaktionen deutscher Ökonomen

HOLGER SANDTE, EUROPA-CHEFANALYST NORDEA: “Mit den Zinssenkungen hat die EZB meine Erwartungen erfüllt. Vermutlich werden auf der Pressekonferenz weitere Maßnahmen bekanntgegeben, die auf eine stärkere Kreditvergabe der Banken abzielen. Wunderwirkungen sollte man allerdings von all dem nicht erwarten. Interessant wird werden, wie sich (EZB-Chef Mario) Draghi zum ‘starken Euro’ äußert und wie weit offen die Tür für weitere Maßnahmen bleibt.”

JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK: “Die EZB hat ihren Hauptrefinanzierungssatz nur um 10 Basispunkte auf 0,15 Prozent gesenkt und nicht wie von den meisten Beobachtern erwartet um 15 Basispunkte. Wenn die EZB ihre Politik in den kommenden Monaten noch einmal lockern wollte, könnte sie ihre Leitzinsen also noch einmal senken und müsste nicht direkt zum Hammer der Staatsanleihenkäufe greifen. Der negative Einlagenzins führt nicht dazu, dass die Banken in den Krisenländern mehr Kredite an die Unternehmen ausreichen. Denn die Banken leiden nicht unter vermeintlich zu hohen Notenbankzinsen, sondern unter dem hohen Bestand fauler Kredite, an dem Negativzinsen nichts ändern. Die wahren Nutznießer des negativen Leitzinses sind die Finanzminister der hochverschuldeten Krisenländer.”

JÖRG ZEUNER, KFW-CHEFVOLKSWIRT : “Die Zinssenkung von heute gibt wenig neue Impulse für richtiges Wachstum. Die EZB muss daher vielleicht sogar noch mehr tun. Für die Sparer ändert sich mit dem heutigen Schritt wenig. Die wichtigste Einkommensquelle für die überwältigende Mehrheit aller Europäer ist ohnehin das Gehalt, der Lohn oder die beitragsfinanzierte Rente. Das alles steigt nur, wenn die Wirtschaft wächst. Dann steigen auch die Zinsen an den Finanzmärkten – übrigens auch ohne die EZB – wieder, denn es wird mehr investiert und die Nachfrage nach Kredit steigt. Wie wir das schaffen, darüber sollten wir derzeit vor allem nachdenken.”

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