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Expanderwohnung

Kurbeln ist angesagt und in Sekundenschnelle entsteht der Raum dort, wo er gebraucht wird.
Kurbeln ist angesagt und in Sekundenschnelle entsteht der Raum dort, wo er gebraucht wird. ©Darko Todorovic
Oberlech - Belebung ist Bewegung. Genutzter Raum wird maximiert und der brach liegende weggebeamt. Das Raumwunderwerk gibt es in Oberlech für Experimentierfreudige zu mieten.
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Die Zutaten für ein Luxusapartment mit elastischen Räumen sind: eine gebaute Hülle mit mindestens vierzig Quadratmetern und ein modulares Möbelsystem, das Zimmer addieren kann, wenn es verschoben wird. Architekt Angelo Roventa hat mit seiner Wohnmaschine schon viel Aufsehen erregt (siehe Factbox). Er hat zudem einen wichtigen futuristischen Diskussionsbeitrag in 1:1-Qualität zum Wohnungsbau geliefert. Eine originelle Idee: Auf einer Gleit- und Stromschiene verschiebbare Einbauschränke, die ihre Funktion entfalten, wenn sich der Raum öffnet, aufgekurbelt wird. Badezimmer und Küche, also Räume mit Wasseranschluss, bleiben fix an den zwei gegenüberliegenden Raum-Enden montiert. Dazwischen spannen sich Schlafzimmer, Büro, Wohnraum, Essplatz in voller Länge auf, aber nur wenn sie verwendet werden. Denn ungebrauchter Raum wird minimiert, die expandierten Zimmer in Aktion hingegen werden feudal belebt. Der viel beachtete, weit gereiste Prototyp der elastic_Livingunit ist nun in Oberlech vor Anker gegangen. Architekt Armin Kathan hat in seiner eigenen, experimentierfreudigen Arbeit den Hang zu minimierten, klappbaren, und weiteren Raumwundern stets bewiesen und baute in seinem Apartmenthotel Kar in Oberlech kurzerhand eine der Wohnungen um. Absolut luxuriös stellt sich die Kombination aus hochglanzweißer Technik der elastic_Livingunit und den dunkelbraunen Schichtplatten der bestehenden Möblierung des permanenten Teils des Apartments dar. Die elastische Wohnung ist grundsätzlich so angelegt, dass der Essplatz – in diesem Fall auch die Feuerstelle mit zusätzlichen Schlafkojen für die Kinder – unverrückbar außerhalb stehen. Denn am Boden soll nichts herum liegen, dafür sind ja Regale und Schränke im Übermaß vorhanden. Ins Himmelbett kann man von beiden Seiten einsteigen, mitgedacht wird beim Schreibpult, der Bürostuhl läuft auf Rädern mit. Die einzige Türe führt zur Toilette, denn diese ist auch in zusammengeschobener Stellung zugänglich.

In Oberlech wurde die elastic_Livingunit in Hightech-Version ausgestattet. Mittels Handycode lassen sich Lichter und Backrohr einschalten, die Badewanne volllaufen, natürlich auch die Zimmer in gewünschte Position bringen. Ein neues, unbekanntes Lebensgefühl breitet sich aus. Die Rückmeldungen der Gäste sind laut dem Hausherren Armin Kathan begeistert. „Das Wichtigste für mich ist aber die Freude der Kinder. Wenn sie sich wohlfühlen, dann ist es ein guter Indikator für die Qualität von Architektur.“

Angelo Roventa ein Hauptargument für elastisches Wohnen. „Man muss nur 40 m2 heizen, lüften, putzen und bewohnt eigentlich zweihundert.“ Er sieht großes Potenzial für Einsatzmöglichkeiten der elastic_Livingunit im gemeinnützigen Wohnbau. Dafür hat er schon einen etwas kürzeren, kompakteren Wohnungstyp entwickelt, der auf nur vierzig Quadratmetern Wohnfläche funktioniert. Noch immer sind Vorsicht und Vorbehalte gegenüber dem Ungewohnten zu spüren. Wer es aber schafft, seine Wohnvorstellungen zu erweitern, wäre belohnt. Der könnte fünfmal so viel Raum benutzen und nur die tatsächlich verbrauchten Quadratmeter zahlen. Der Anteil an Singlehaushalten wächst vor allem in Europa stetig, genau dort könnten mit solchen neuen Wohnmodellen Ressourcen gespart werden. Auch die Arbeitskultur des „home office“ wäre ein sinnvoller Ansatz zur Verringerung von Verkehrsaufkommen und Energieverbrauch. Die elastische Wohnung wurde schon von Experten im Hinblick auf die steuerliche Absetzbarkeit als Arbeitsplatz beurteilt. Berechnet man die Stunden und die genutzte Fläche für private Wohnbedürfnisse, beziehungsweise als Büroraum dieser Wohneinheit, so macht der betriebliche Nutzungsanteil über fünfzig Prozent aus und könnte theoretisch auch steuerlich geltend gemacht werden. Ein kreatives Rechenexempel. Die explizite Doppelnutzung summiert sich, weil sie nebeneinander stattfindet.

Und wie kommt man nochmal auf zweihundert Quadratmeter? Jede Nutzung kann in die maximale Fläche expandieren, wenn alle anderen Module komplett zusammengeschoben sind, also fünf Funktionen: Wellness- Oase, Schlafzimmer, Büro, Wohnraum, Küche. Wir reden gerne vom Raumwunder, in der elastic_Livingunit ist es Realität geworden.

Daten & Fakten

Objekt: elastic_Livingunit im Designapartment Kar, Oberlech 585

Fertigstellung: November 2011

Architektur:

Angelo Roventa Patented as Design 2008;
Mitarbeit C. Hernandez Arcas;
Armin Kathan Holzbox Tirol
Apartmenthaus
Kar in Oberlech

elastic Livingunit in Ausstellungen:

  • vai Vorarlberger Architektur Institut: 18. 7. bis 12. 9. 2009, 9by9 global housing projects, Wohnmodelle weltweit
  • MAK Museum Angewandte Kunst in Wien: 1 . 12. 2009 bis 10. 1. 2010. „Das Spiel der Mächtigen. Heidulf Gerngross archistriert Franz West´s Nageltower mit Hofstetter Kurt und Angelo Roventa“
  • art Bodensee in Dornbirn: 28. 7. bis 31. 7. 2011

Prototyp:
Elastische Wohnung, modulares Möbelsystem, das sich je nach Nutzung verschieben lässt.
Nutzfläche 54 m²; expandierte, summierte Wohnnutzfläche 220 m²

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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