Ex-Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher startet als Nationalbank-Chef

Ex-Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher, der nun die Leitung der Notenbank übernommen hat, sieht sich mit Vorwürfen des Postenschachers konfrontiert. Sein schneller Wechsel aus der Regierung in diese neue Position wird von der Opposition und Kritikern kritisiert.
Nationalbank-Chef Traumjob für Ex-Arbeits- und Wirtschaftsminister Kocher
Kocher verteidigt seinen raschen beruflichen Weg von der Regierungsbank zum Chef-Notenbanker. Der Job als Nationalbankgouverneur sei (s)ein Traumjob, sagte er einmal. Selbst konnte er der Idee einer Cooling-Off-Phase für Regierungspolitiker vor einem Wechsel in die Nationalbank (OeNB) wenig abgewinnen. Zwischen seinem Ministeramt und dem Posten als Gouverneur sehe er keine Unvereinbarkeit, außerdem sei die mitgebrachte wirtschaftspolitische Erfahrung für die dortige Praxis vorteilhaft, argumentierte er einmal gegenüber der APA.

Längere Zwangspausen vor dem Umstieg in manchen Bereichen erachtet Kocher in anderen Bereichen als vernünftig - etwa beim Verfassungsgerichtshof, wo es nicht sein dürfe, dass "Politiker über Gesetze urteilen, die sie selbst möglicherweise verantwortet haben". In seinem Fall gebe es aber keine solchen Widersprüche. In der Privatwirtschaft sind zweijährige Cooling-off-Perioden nach dem Aktiengesetz bzw. Corporate-Governance-Kodex vorgesehen. Hierbei geht es etwa um Wechsel von Vorständen in den Aufsichtsrat und ob diese Aufsichtsratschefs werden dürfen.
Inflationsproblem beschäftigt Kocher nun als Nationalbank-Chef
Beim Megathema der bisher nicht abkühlenden, hohen Inflation gibt es für den Ex-Wirtschaftsminister als obersten Notenbanker jedenfalls gar keine Zeit für ein "cooling off". Zwar kann er auch im neuen Job nicht direkt in Preise eingreifen, doch als OeNB-Chef sitzt er im EZB-Rat, der über die Zinsen entscheidet, bei deren Einstufung stets auch die Teuerung eine Rolle spielt. Als Politiker war Kocher vor etwa zwei Jahren sehr zurückhaltend, als die Thematik einer Preisvergleichsplattform wegen der immensen Lebensmittelpreise aufkam. Eine offizielle Plattform für Endverbraucher kam bisher nicht.
Kurz holte Kocher in ÖVP-FPÖ-Regierung
Von früheren Mitarbeitern wird Kocher als umgänglich beschrieben. Fachlich sehen ihn Kritiker als tendenziell neoliberal an. Nicht unpassend, dass er von Ex-ÖVP-Chef und -Bundeskanzler Sebastian Kurz ins türkise Regierungsteam geholt wurde - nachdem seine Vorgängerin Christine Aschbacher als Arbeitsministerin wegen Plagiatsvorwürfen das Feld geräumt hatte. Als die frühere Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ging, übernahm Kocher auch noch deren Agenden. Schlussendlich "überlebte" Kocher auch Kurz als Kanzler - anders als die allermeisten von dessen Vertrauten.
Kocher gab sich stets FPÖ-kritisch
Was der bald 52 Jahre alte Universitätsprofessor (geboren am 13. September 1973) stets betonte, war, dass er einer Bundesregierung mit FPÖ-Beteiligung nicht angehören wolle. Mit Holzmann löst der Wirtschaftspsychologe und Verhaltensökonom zudem einen Gouverneur ab, der auf einem freiheitlichen Ticket in die Notenbank einzog. Aus Blau wird diesmal also Schwarz/Türkis, letzter Roter im Job war Ewald Nowotny. Die Besetzung erfolgte vor der vergangenen Nationalratswahl noch durch ÖVP und Grüne.
Der allerpolitischste Mensch war Kocher für einen Spitzenpolitiker nicht - auch wenn er gleich drei Bundesregierungen angehörte - Kurz II, Schallenberg und Nehammer. Er hat auch als Minister aus Sicht vieler Beobachterinnen und Beobachter den Mantel des Wissenschafters nie ganz abgelegt, was meist als angenehm empfunden wurde.
Kritischere Stimmen meinen, Kocher geriere sich allzu gerne als Experte - was er zumindest in mehreren ökonomischen Bereichen unzweifelhaft auch ist. Im politischen Alltag kam er verbindlich rüber - ohne die politische Agenda außer Acht zu lassen -, mit manchen Vorschlägen rund ums Thema Arbeit eckte Kocher dennoch an. Direkt auf andere hinhauen gab es bei ihm nicht.
Nationalbank-Chef immer parteinahe
Grundsätzlich ist es in Österreich nichts Neues, dass ehemalige (Finanz-)Minister später auch Notenbank-Chef wurden. Das letzte Mal ist nun aber doch schon einige Jahrzehnte her. ÖVP-, SPÖ- oder FPÖ-nahe - wie der nun scheidende Gouverneur Robert Holzmann - waren alle bisherigen Gouverneurinnen und Gouverneure. Mit Maria Schaumayer von 1990-1995 hatte es auch einmal eine - in diesem Fall ÖVP-nahe - Frau auf den Spitzenposten geschafft.
Kochers Weg zum Nationalbank-Chef
Neben dem Laufen, Kocher sprach immer mit Understatement über seine Leistungen dabei, geht der verheiratete Salzburger auch gerne bergsteigen. Studiert und habilitiert hat Kocher in Innsbruck. Mit dem Weg in die Nationalbank schließt sich ein Kreis: Als Forschungsgruppenleiter vor der Habilitation hatte Kocher Drittmittel unter anderem bei der OeNB eingeworben. Bis zum Weg ins IHS und danach die Politik war Kocher international bis ins ferne Australien als Lehrender unterwegs.
(APA/Red)
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