EU-Gipfel: Einigung auf Ölembargo gegen Russland - mit Ausnahme

Bei ihrem Sondergipfel in Brüssel einigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs am späten Montagabend auf einen Kompromiss, der Ungarn entgegenkam: Das Land hatte sich angesichts seiner starken Abhängigkeit von russischen Energielieferungen gegen ein vollständiges Ölembargo ausgesprochen. Die nun erzielte Vereinbarung sehe ein Einfuhrverbot für russisches Öl über den Seeweg vor, was zwei Drittel der Lieferungen in die EU ausmache, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel. Ungarn kann sich damit weiter über die "Druschba"-Pipeline auf dem Landweg eindecken.
9 Mrd. Dollar für Ukraine
Das Teil-Ölembargo gehört zu einem neuen Sanktionspaket, das die Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel beschlossen. Es sieht unter anderem das Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote gegen Einzelpersonen sowie den Ausschluss des größten russischen Geldhauses Sberbank aus dem globalen Bankenkommunikationsnetzwerk Swift vor, aus dem die EU bereits etliche kleinere russische Banken geworfen hat. Drei große russische Staatssender dürfen zudem ihre Inhalte in der EU nicht länger verbreiten.
Vereinbart wurde auf dem Gipfel auch, der Ukraine eine Hilfstranche von neun Milliarden Dollar bereitzustellen, um das kriegszerrüttete Land wirtschaftlich zu unterstützen, wie Michel mitteilte.
Ölembargo
Bisher hat die EU fünf Sanktionspakete gegen Russland wegen dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine geschnürt. Die Strafmaßnahmen richten sich unter anderem gegen mehr als 1000 Personen, darunter Kremlchef Wladimir Putin und ranghohe Mitglieder seiner Regierung, kremltreue Oligarchen sowie Banken und den Kohlesektor. Bereits am 4. Mai wurde eine sechste Sanktionsrunde angekündigt, die jedoch von Differenzen über ein Ölembargo gebremst wurde.

Als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das neue Paket erstmals präsentierte, war darin noch ein schrittweiser Importstopp für russisches Rohöl und Raffinerieerzeugnisse binnen sechs Monaten enthalten. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban stellte jedoch in Brüssel klar, dass er neue Sanktionen gegen Moskau nur bei Garantien für gesicherte russische Öllieferungen in sein Land mittrage. Ungarn bezieht mehr als 60 Prozent seines Öls aus Russland, bei Erdgas sind es 85 Prozent. Auch die osteuropäischen Länder Tschechien, die Slowakei und Bulgarien zeigten sich besorgt über die Auswirkungen eines totalen Ölembargos auf ihre Volkswirtschaften und betonten, dass sie nicht kurzfristig auf die russischen Energielieferungen verzichten könnten.
Den nun erzielten Kompromiss, die Pipeline über den Landweg offen zu lassen, feierten Michel und von der Leyen als Erfolg. "Wir wollen Russlands Kriegsmaschinerie stoppen", erklärte der EU-Ratspräsident. Den Deal bezeichnete er als "bemerkenswerte Errungenschaft". Mehr denn je sei es wichtig, zu zeigen, dass die EU stark und hart sein könne.
"Kriegsmaschine stoppen"
Von der Leyen ergänzte, dass das Teilembargo bis Jahresende rund 90 Prozent der russischen Ölimporte in die EU kappen werde. Dazu trage das Bekenntnis Deutschlands und Polens bei, die Einfuhr bis Ende 2022 zu beenden und auf Öl aus dem nördlichen Teil der "Druschba"-Pipeline zu verzichten.
Dem Kompromiss ging am Montag ein Appell des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an die Europäische Union voraus, mit weiteren Sanktionen gegen Russland die "Kriegsmaschine" des Kremls zu stoppen. In einer zehnminütigen Videoansprache an den EU-Gipfel rief er die 27 Staats- und Regierungschefs auf, "interne Streitigkeiten" zu beenden, die "Russland nur dazu antreiben, mehr und mehr Druck auf Europa auszuüben".
25 Prozent des Öls aus Russland
Das neue Sanktionspaket müsse "vereinbart werden, es muss effektiv sein, einschließlich Öl". Ein Ölembargo würde Moskau "den Preis dafür spüren lassen, was es der Ukraine" und dem Rest Europas antue. Nur dann würde Russland dazu gebracht, Frieden zu suchen. Es sei äußerst wichtig, dass Sanktionen so schnell wie möglich verabschiedet werden.
Selenskyj hat wiederholt Maßnahmen gegen den russischen Energiesektor gefordert. Die EU bezieht rund 40 Prozent ihres Erdgases und 25 Prozent ihres Öls von Russland; täglich fließen dafür Milliardenbeträge an Russland und finanzieren so auch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
(APA)
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