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"Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an unseren Sohn denken"

Im vergangenen Juli verloren Vater Zeljko, Mutter Manuela und Bruder Luka ihren Nemanja auf tragische Weise.
Im vergangenen Juli verloren Vater Zeljko, Mutter Manuela und Bruder Luka ihren Nemanja auf tragische Weise. ©Sams
Vergangenen Sommer riss das Schicksal ihren Sohn Nemanja aus dem Leben der Familie Injac. WANN & WO sprach mit den Eltern über die tragischen Ereignisse im Harder Strandbad.
Bilder vom Gespräch mit Wann&Wo
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Jugendlicher (14) nach Badeunfall verstorben

Von Joachim Mangard/Wann&Wo

Es ist der 7. Juli vergangenen Jahres – der Tag, an dem sich das Leben von Manuela und Zeljko Injac aus Hard für immer verändern wird. Ihr damals 14-jähriger Sohn Nemanja, begeisterter Hand- und Wasserballer, verbringt einen zunächst unbeschwerten Tag im Strandbad. Bis gegen Abend, als ihn Badegäste mit dem Gesicht unter Wasser im Becken treibend finden, den bewusstlosen Jungen an Land bringen und mit der Reanimation beginnen. Später setzen die Bademeister mit der Ersten Hilfe fort, bis die Rettung eintrifft und Nemanja ins LKH Feldkirch bringt. Doch die Hilfe kommt für den lebensfrohen Burschen zu spät, nach vier Tagen im künstlichen Tiefschlaf verstirbt der 14-Jährige. Sein Tod stürzt die schockierten Eltern und seinen Bruder Luka in tiefe Trauer. Der heutige Muttertag ist der erste, den die junge Familie nur mehr zu dritt begeht.

Enttäuschung und Wut

Eine Trauer, die rund ein Jahr später Wut, Zorn, Fassungslosigkeit und Ohnmacht gegenüber dem Schicksal gewichen ist – gerade an einem Termin wie dem heutigen. “Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an unseren Sohn denken”, geben die Eltern Einblick in ihr Seelenleben. “Nemanja ist immer noch überall präsent, besonders zu Hause lebt seine Erinnerung in jedem Gegenstand weiter. Mir persönlich geht es am besten, wenn ich auf der Arbeit bin”, berichtet Zeljko. Dann bricht die Stimme von Manuela weg, den Rest vom Gespräch kommentiert sie meist mit Schweigen, die Tränen übermannen die Harderin.

Zeljko hält die Hand seiner Gattin. Besonders schwer fällt den beiden die Erinnerung an jene unendlich langen Stunden der Ungewissheit. Einerseits an besagten Tag, an dem das Unglück passierte, andererseits an die Zeit im Feldkircher Landeskrankenhaus, in der ihr Sohn im künstlichen Tiefschlaf vier Tage lang um sein Leben kämpfte – letztendlich aber verlor. “Man hofft, glaubt und unterstützt seinen Sohn in jeder Sekunde. Gleichzeitig ist man wehrlos und ausgeliefert. Uns waren die Hände gebunden, wir konnten nur beten und warten, bis sich sein Zustand verbessert. Anfangs hat es gar nicht so schlecht ausgesehen, letztlich war sein Kampf ums Überleben aber aussichtslos”, schildert Zeljko den Zeitraum auf der Intensivstation. Laut des Abschlussberichts der Staatsanwaltschaft verstarb Nemanja letztlich an Sauerstoffmangel im Gehirn und durch ein vorangegangenes, sogenanntes “Schwimmbad-Blackout”. “Für uns als Eltern ist das Obduktionsergebnis schwer nachvollziehbar, zumal die Schäden in Nemis Gehirn von solchem Ausmaß waren, dass er zuvor minutenlang ohne Sauerstoffzufuhr im Wasser getrieben sein musste. Natürlich hinterfragen wir den Unfallhergang, auch vor Gericht”, führt Zeljko weiter aus.

“Wir möchten keine Schuldigen suchen”

Aufgrund der vielen offenen Fragen, die auch nach dem gerichtlichen Gutachten, das sämtliche Beteiligte entlastet, nicht beantwortet wurden, kämpft Familie Injac weiter, damit Nemanja nicht umsonst gestorben ist. Diesen Kampf führen sie aber nicht angetrieben von Hass, Wut oder der Suche nach einem Schuldigen, Familie Injac möchte einfach verhindern, dass weitere Familien um ihre Kinder trauern müssen: “Wir möchten keinen Schuldigen an den Pranger stellen. Wir wollen einfach die mysteriösen Umstände des Unfalls hinterfragen, um in Zukunft solche Situationen zu verhindern.” Im Zuge der Ermittlungen zum Hergang gewährt der Lkw-Fahrer WANN & WO Einblick in die Zeugenvernehmungen und Protokolle. Eines stößt dem Vater besonders auf, in seiner Stimme schwingt Zorn mit. “Ich kann einfach nicht verstehen, wieso in einem Bad von der Größenordnung des Harder Strandbades nur zwei Bademeister den Betrieb regeln. Zwar in Kombination mit der Wasserrettung, die war aber zum Zeitpunkt von Nemanjas Unfall gar nicht mehr vor Ort.” Zeljko verweist auf eine Passage des Gutachtens, das WANN & WO ebenfalls vorliegt.

“Detaillierte gesetzliche Regelungen für die Aufsichtspflicht von Bademeistern existieren in Österreich nicht”, heißt es in dem von Dr. Wilfried Siegele unterfertigten Dokument der Staatsanwaltschaft. “Ich wäre dafür, dass es in Österreich eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl an Bademeistern in Relation zu Größe und Besucherzahlen geben sollte”, führt Zeljko fort. Überhaupt seien die Vorschriften bezüglich Aufsichtspflicht sehr schwammig formuliert und obliegen den Betreibern, in den meisten Fällen also den Gemeinden. Von der Tatsache, dass es sich in Hard um einen Badebetrieb handle, der mit dem Zugang zum See zusätzliches Gefahrenpotenzial aufweise, ganz zu schweigen. Inzwischen ist die Trauer im Gesicht des Transportfahrers blanker Wut gewichen. Sein Zorn richte sich aber nicht gegen die im Fall seines Sohnes handelnden Personen, viel eher sieht er Politik und Land in der Pflicht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen. “Wir möchten unser Leid und unsere Trauer niemandem zumuten. Wir wollen einfach, dass solche tragischen Vorfälle in Zukunft nicht mehr passieren”, schließt Zeljko mit bebender Stimme.

Fehlende Reaktion von Seiten der Beteiligten

Enttäuscht zeigen sich die Eltern von den Reaktionen im Anschluss an das Ableben ihres Sohnes. Während Nemis Schul- oder Vereinskollegen, Freunde und Verwandte ihre
Trauer kundtaten, regte sich weder von Seiten des Strandbades oder der Gemeinde jemand, geschweige sprach ein Repräsentant der Betreiber der trauernden Familie das Beileid aus oder erschien auf dem Begräbnis.

Lukas’ großer Bruder

Gerade an heißen Tagen und jetzt mit der beginnenden Badesaison ist es für die junge Familie besonders schwierig. Für den kleinen Luka stellte der Verlust seines großen Bruders Nemanjas einen tiefen Einschnitt in sein kindliches Leben dar. Die beiden Brüder verbrachten viel Zeit miteinander, für Luka war Nemanja stets ein Vorbild. “Die beiden haben sich zusammen ein Zimmer geteilt und waren ein Herz und eine Seele”, berichtet Manuela. Dann versagt ihre Stimme erneut und sie muss abbrechen. Im Hintergrund hört man Luka, der mit einem Freund während des W&W-Gesprächs in seinem Zimmer spielt. Später holt sich der inzwischen Achtjährige etwas zu trinken, er gleicht seinem viel zu früh aus dem Leben gerissenen Bruder aufs Haar. “Luka nannte ihn immer nur ‚Brudi‘ – sie haben nie gestritten und alles geteilt. Inzwischen versuche ich, seine Rolle als Bruder ebenfalls auszufüllen, ich bin und bleibe aber sein Vater. Seit dem tragischen Verlust hat Luka nicht mehr in ihrem gemeinsamen Zimmer geschlafen. Er betritt den Raum nur, wenn er sich alleine zum Weinen zurückzieht”, berichtet der deutlich gezeichnete Vater. Das Gespräch nimmt die beiden Eltern sichtlich mit, trotzdem ist es ihnen ein Anliegen, ihr Schicksal zu teilen. Auch an einem für sie so schwierigem Anlass wie dem heutigen Muttertag.

(Text: Joachim Mangard/Wann&Wo)

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