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„Es ist von A bis Z verschwiegen worden“

Petra Zudrell (Stadtmuseum) hatte mit Sabine Nachbaur und Lukas Schretter vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung zur Eröffnung der Ausstellung „Am Rande des Wienerwalds. Der Lebensborn in Feichtenbach“ geladen.
Petra Zudrell (Stadtmuseum) hatte mit Sabine Nachbaur und Lukas Schretter vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung zur Eröffnung der Ausstellung „Am Rande des Wienerwalds. Der Lebensborn in Feichtenbach“ geladen. ©Laurence Feider
Im Stadtmuseum wurde eine Pop-Up-Ausstellung zum Verein Lebensborn eröffnet.
Ausstellungseröffnung Lebensborn Stadtmuseum

Dornbirn. 1935 wurde der Verein Lebensborn auf Veranlassung Heinrich Himmlers gegründet. Zu den Zielen des Vereins gehörte es, die Geburt „arischer“ Kinder zu fördern, die NS-Ideologie der „Rassenhygiene“ umzusetzen und die Geburtenrate von Menschen zu steigern, die den rassistischen Kriterien der Nationalsozialisten entsprachen.

Der Lebensborn sollte durch finanzielle, medizinische und logistische Unterstützung dazu beitragen, möglichst viele „rassisch wertvolle“ Kinder zur Welt zu bringen. Er bot auch ledigen Müttern eine Anlaufstelle und sollte Schwangerschaftsabbrüche unverheirateter Frauen, die als „arisch“ galten, verhindern, um den Verlust des „guten deutschen Bluts“ zu vermeiden. Bis heute bleibt der Verein Lebensborn für viele ein vager Begriff. Er hatte auch Verbindungen zu Vorarlberg, wie eine Ausstellung im Stadtmuseum aufzeigt, die vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK) in Kooperation mit dem Institut für Geschichte der Universität Graz konzipiert wurde.

Verschwiegene Herkunft

„Am Rande des Wienerwalds. Der Lebensborn in Feichtenbach“ lautet der Titel der Ausstellung. Sie beleuchtet die Geschichte des Entbindungsheims Wienerwald in Feichtenbach – dem einzigen Lebensborn-Entbindungsheim auf dem Gebiet des heutigen Österreich – und gibt anhand dieses Beispiels Einblick in die nationalsozialistische Rassenpolitik. Bis 1945 kamen im Heim in etwa 1350 Kinder zur Welt – aufgenommen wurden nur jene Frauen, die den Vorstellungen und Rassekriterien der SS entsprachen. Viele der dort geborenen Kinder wurden später stigmatisiert oder hatten Schwierigkeiten, ihre Herkunft zu klären. So zeigt die Ausstellung auch die Nachwirkungen, die dieser oft verschwiegene Aspekt der österreichischen Zeitgeschichte bis heute hat. „Die Ausstellung beleuchtet nicht nur die Hintergründe, sondern auch die Geschichte der Betroffenen. Sie möchte informieren und gleichzeitig zum Nachdenken anregen, indem sie einen Raum schafft, wo Erinnerung und Aufarbeitung Hand in Hand gehen“, sagte Projektleiter Lukas Schretter bei der Eröffnungsfeier im Stadtmuseum.

Seit 2020 laufen die Forschungsarbeiten des BIK zum Lebensborn-Heim Feichtenwald. Die Ausstellung enthält neben den zentralen Forschungsergebnissen auch die Stimmen von Betroffenen und ihren Nachkommen. „Der Umgang von Betroffenen ist sehr unterschiedlich. Häufig setzen sich in Feichtenwald Geborene erst nach jahrzehntelangem Schweigen mit ihrer Vergangenheit auseinander, für andere bleibt es nicht mehr als der in der Geburtsurkunde eingetragene Geburtsort. Oft ist es die jüngere Generation, die anfängt Fragen zu stellen“, erklärte die Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am BIK Sabine Nachbaur. Passenderweise betitelte sie ihren Einführungsvortrag im Stadtmuseum in Anlehnung an die Aussage einer Betroffenen „Es ist von A bis Z verschwiegen worden“.

Vorarlberg-Bezug

Für das Stadtmuseum Dornbirn wurde die Wanderausstellung mit einer zusätzlichen Tafel ergänzt, die die Verbindungen des Vereins Lebensborn zu Vorarlberg zeigt. Erstmals werden auch Originalobjekte wie eine Ausgabe des Erziehungsratgebers „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ sowie ein Fotoalbum einer Vorschwester in Feichtenbach gezeigt. „Wir freuen uns sehr, dass die Ausstellung bei uns im Stadtmuseum Station macht, da sie sich perfekt in den Kontext unserer aktuellen Ausstellung ˏTatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismusˊ einfügt“, betonte die Leiterin des Stadtmuseums Petra Zudrell. (LCF)

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