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Erste Gratulationen und Forderungen an die neue Regierung

Es werden bereits die ersten Forderungen an die neue Regierung laut.
Es werden bereits die ersten Forderungen an die neue Regierung laut. ©APA/HANS KLAUS TECHT
Neben den ersten Gratulationen werden bereits die ersten Forderungen an die neue türkis-grüne Bundesregierung laut. Insbesondere wurde jedoch die pro-europäische Ausrichtung der Regierung gelobt.

Die europapolitische Ausrichtung der neuen türkis-grünen Bundesregierung ist am Dienstag international begrüßt worden. EU-Budgetkommissar Johannes Hahn lobte das pro-europäische Regierungsprogramm, er sieht Parallelen zur neuen EU-Kommission. Der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko begrüßte die Ernennung der bosnisch-stämmigen Grünen-Politikerin Alma Zadic zur Justizministerin.

Gratulationen an die Regierung

Hahn gratulierte auf "Twitter" Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der gesamten Bundesregierung zur Angelobung. "Bereits in der Präambel wird das Bekenntnis der Bundesregierung zu einem starken Europa hervorgehoben. Und in der Tat zieht sich die europäische Ausrichtung durch das gesamte Programm", sagte Hahn laut Aussendung.

"In vielen Punkten entspricht es den von der Kommission unter Präsidentin von der Leyen definierten politischen Schwerpunkten und enthält darüber hinaus einige bemerkenswerte Initiativen", so Hahn weiter. An erster Stelle sei das ambitionierte Klimaschutzpaket hervorzuheben, weiters nannte Hahn das Bekenntnis zum Multilateralismus, den EU-Außengrenzschutz, Transparenz und mehr Bürgernähe.

"Ich bin überzeugt, dass die neue Bundesregierung mit diesem Programm einen wertvollen und pro-aktiven Beitrag zur Stärkung der europäischen Integration leisten und sich damit noch stärker als bisher als wichtiges Mitglied der Union profilieren wird", sagte Hahn.

Bosnien-Beauftragter gratuliert zu Zadic

Die Ernennung von Zadic zur Justizministerin sei auch eine Botschaft an die politischen Eliten in Bosnien, sich mehr zur Verbesserung der Lage in dem Land einzusetzen, damit junge Menschen nicht mehr das Land verlassen müssten, erklärte Inzko am Dienstag.

"Nach Baroness Arminka Helic im britischen House of Lords und der früheren schwedischen Bildungsministerin Aida Hadzialic ist dies eine weitere talentierte und erfolgreiche junge Person, die aus Bosnien-Herzegowina kommt, die es durch harte Arbeit und enorme Energie zu einer beeindruckenden Karriere im Ausland gebracht hat", erklärte Inzko laut Aussendung. Die Frage müsse erlaubt sein, ob Zadic jemals in Bosnien zur Justizministerin ernannt worden wäre.

Aus Sicht der Paneuropabewegung Österreich gibt das Regierungsprogramm Anlass zu Optimismus. Wichtig sei dabei vor allem der proklamierte Einsatz für ein Europa der Demokratie, der Menschenrechte und des Rechtsstaates, mit einem starken Schutz der Außengrenzen und mit Wettbewerbsfähigkeit. "Besonders erfreulich ist das Bekenntnis zu einer proaktiven multilateralen EU-Handelspolitik und der Vertiefung der bilateralen und regionalen Handelsbeziehungen", sagte Stefan Haböck, Internationaler Referent der Paneuropabewegung Österreich.

EU-Abgeordnete kommen zurück in die Regierung

"Mit Elisabeth Köstinger, Karoline Edtstadler und Ulrike Lunacek sind nun drei ehemalige EU-Abgeordnete vertreten. Zählt man Werner Kogler dazu, sind es sogar vier", sagte Paneuropajugend-Vorsitzender Philipp Jauernik. Kogler war Spitzenkandidat der Grünen bei der Europawahl 2019, nahm das Mandat anschließend aber nicht an.

Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl, lobte die neue Bundesregierung für ihr Eintreten für ein starkes Europa. "Das zeigt sich auch an der Schaffung eines eigenen Europaministeriums - angesichts 25 Jahre Österreich in der EU ein wichtiges Signal über unsere Grenzen hinaus, das ausdrücklich zu begrüßen ist", sagte Leitl laut Aussendung. "Wir müssen in einer gemeinsamen Kraftaktion Europa näher an die Bürgerinnen und Bürger bringen und die Kommunikation über die EU-Politik verbessern", forderte er.

Tourismus sieht wesentliche Forderungen verankert

Die Bundessparte Tourismus in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ist mit den Plänen der neuen Regierung zum Tourismus zufrieden. Wesentliche Forderungen der Branche sollten damit auf den Weg gebracht werden, schreibt Petra Nocker-Schwarzenbacher, Obfrau der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKÖ am Dienstag in einer Aussendung.

Die weitere Umsetzung der Tourismusstrategie "Plan T" sei sichergestellt. Auch sei es ein Vorteil, dass Tourismus und Landwirtschaft weiter in einem Ressort angesiedelt sind. Besonders wichtig seien die Steuerreform, darunter die Senkung der Körperschaftssteuer auf 21 Prozent, die KESt-Befreiung für ökologische Investitionen und die Entlastung der Lohnnebenkosten. Nocker-Schwarzenbacher verweist unter anderem auch auf die Registrierungspflicht für Airbnb & Co, Erleichterungen für Betriebsübergaben und die Weiterentwicklung der Österreich Werbung (ÖW). Wichtig sei nun eine zügige Umsetzung der Maßnahmen.

Für Fachhochschulen "viele positive Signale"

Die Fachhochschulkonferenz (FHK) sieht im Regierungsprogramm "viele positive Signale", Lob kommt in einer Aussendung vom Dienstag vor allem für die angekündigte Anhebung der Fördersätze. Man brauche umgehend eine Erhöhung der Studienplatzfinanzierung um zehn Prozent, andernfalls sei die Qualität der Ausbildung in Gefahr und ein Ausbau nicht machbar.

Auch die laut FHK-Präsident Raimund Ribitsch erstmals im Regierungsprogramm vorgesehene "Schaffung eines Umfeldes zur Weiterentwicklung der angewandten Forschung" sei für die Fachhochschulen "von großer Bedeutung", um ihren Forschern Karriereperspektiven zu geben und der Nachfrage der Wirtschaft nach Forschungsleistungen der FH nachzukommen. Dazu ist laut FHK eine exklusiv für die FH reservierte, kontinuierliche Forschungsfinanzierung von mindestens 20 Mio. Euro jährlich nötig.

Informatik-Pflichtfach gefordert

Informatik Austria, der Zusammenschluss der Informatik-Fakultäten an den österreichischen Unis, hat unterdessen in einem Offenen Brief die Regierung zur Einführung eines Pflichtfachs Informatik in allen Klassen der Neuen Mittelschule (NMS) und der AHS aufgefordert. Wenn Türkis-Grün Österreich tatsächlich, wie im Regierungsprogramm angekündigt, zu einer der führenden Digitalnationen der EU machen wolle, sei dies "ein entscheidender Schritt". Derzeit führe Informatik das Dasein eines Orchideenfachs. Mit einem Pflichtfach Informatik, in dem es nicht um Mediennutzungskompetenz, sondern aktive Problemlöse- und Gestaltungskompetenz gehen soll, würden Schüler lernen, "wie sie die Wissens- und Informationsgesellschaft mitgestalten können, statt nur passiv zu reagieren".

Vorwiegend positive Reaktionen auf Türkis-Grün

Anders als 2017, als die Angelobung des türkis-blauen Kabinetts von viel Kritik - bis hin zur Demonstration am Heldenplatz - begleitet war, wurde die erste türkis-grüne Regierung Österreichs freundlich empfangen. Die Reaktionen aus der Wirtschaft, von Umweltorganisationen, im Gesundheitsbereich und der Israelitischen Kultusgemeinde fielen am Dienstag positiv aus.

Nicht zufrieden war allerdings der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband: "Die türkise Handschrift setzt sich fort und lässt befürchten, dass der Kurs zugunsten der Konzerne fortgesetzt wird", beklagte Präsident Christoph Matznetter speziell, dass EPUs und KMUs kaum beachtet würden.

Sehr angetan von der "Koalition der politischen Mitte" zeigte sich auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch. Sie habe "die Chance, Österreich in vielen Lebensbereichen zu modernisieren und noch sicherer zu machen". Und die Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen und ein "respektvoller Umgang mit der Opposition" könnten die politische Kultur deutlich verbessern.

Für Lehrer bei Bildung vieles vage und Finanzierung offen

Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) tut sich mit einer Bewertung des Bildungskapitels im türkis-grünen Regierungsprogramm schwer. "Vieles ist nur sehr vage beschrieben", sagt er gegenüber der APA. Bei vielen Maßnahmen sei zudem offen, wie diese finanziert werden sollen.

Auf der Habenseite sieht Kimberger, dass das Thema Klima- und Umweltschutz von der Straße in die Klassenzimmer geholt werden soll. Lob gibt es auch für die Ankündigung von mehr Unterstützungspersonal für die Schulen und ein Ersatzpflichtfach Ethik für jene Schüler, die keine Konfession haben oder vom Religionsunterricht abgemeldet sind.

Bei den umstrittenen separaten Deutschförderklassen, die Kimberger zuletzt als "nicht funktionsfähig" kritisiert hatte, komme die Regierung mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die einzelnen Schulen immerhin einer Forderung der Gewerkschaft nach. Positiv findet er auch, dass jene Schüler, die von der separaten Deutschförderklasse in die Regelklasse umsteigen dürfen, nicht mehr plötzlich um jegliche Sprachförderung umfallen, sondern weiterhin verpflichtende Förderstunden bekommen. Offen sei allerdings, wer diese angesichts des Lehrermangels übernehmen soll. Kimberger fordert deshalb eine Kürzung der Dauer des Bachelorstudiums für Lehrer von acht auf sechs Semester und Maßnahmen, um den Beruf für Quereinsteiger attraktiver zu machen.

Kompetenzfeststellung in der dritten Klasse positiv

Positiv findet Kimberger auch, dass künftig neben der Schulnachricht der vierten Klasse Volksschule zusätzlich das Ergebnis einer Kompetenzfeststellung in der dritten Klasse sowie das Jahreszeugnis in dieser Schulstufe über den AHS-Besuch entscheiden soll. Damit werde Druck aus der vierten Klasse Volksschule genommen, "es ist teils skurril, was sich hier von Elternseite abspielt". Wichtig sei dabei jedoch geringer Verwaltungsaufwand.

Skeptisch zeigt sich Kimberger bei der Ankündigung von "Sommerunterricht für jene, die es brauchen": "Das wurde vorher noch nie thematisiert." Daher sei ihm auch nicht ganz klar, worum es sich dabei handeln soll. Die Aufgabe von Lehrern sei jedenfalls nicht Kinderbetreuung, sondern Wissensvermittlung und Erziehung, und diese finde während der Unterrichtszeit statt. Ebenso offen ist für Kimberger auch, was hinter der "Flexibilisierungsmöglichkeit der Arbeitszeit" der Lehrer auf freiwilliger Basis stecken könnte.

Für die Volksschulen fehlt Kimberger ein Bekenntnis zu einer Doppelbesetzung in den ersten beiden Klassen, immerhin würden die Kinder bis zu drei Jahre Entwicklungsunterschied aufweisen. Er hätte sich außerdem einen "Kassasturz" bei der Bildungsverwaltung gewünscht. 80 Prozent der Dinge, die von dort kämen, könne man sofort schreddern. "Die Lehrer brauchen wieder Luft für ihr Kerngeschäft."

Gewerkschaft für mehr Investitionen in Elementarbildung

Positive Rückmeldung kommt von der Gewerkschaft "younion" zum Plan der Regierung, einen Beirat für Elementarpädagogik einzurichten, der österreichweite Qualitätsmindeststandards erarbeiten soll. Die Gewerkschaft fordert zudem in einer Aussendung mehr Investitionen in die elementare Bildung. Konkret sollten - "so wie international üblich" - ein Prozent des BIP dafür aufgewendet werden.

NEOS fehlt im Bildungsprogramm Mut zu großen Reformen

Den NEOS fehlt im Bildungsbereich des Regierungsprogramms "der Mut zu großen Reformen", Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre hätte sich "mehr erwartet". Weil "der Bildungsminister derselbe ist, die ausufernde Schulbürokratie Vorrang vor echter Autonomie behält und das Parteibuch weiterhin das wichtigste Buch ist", sehen die NEOS darin eine Fortführung der türkis-blauen Bildungspolitik.

Künsberg Sarre vermisst konkrete Maßnahmen, um soziale Benachteiligung im Bildungsbereich zu verringern und Antworten auf den Lehrermangel. Die geplanten Reformen im Bereich der Elementarpädagogik seien zwar begrüßenswert, "allerdings sind diese nicht konkret ausformuliert, da es sowohl beim Betreuungsschlüssel als auch bei der Gruppengröße keine Zielangaben gibt", so Künsberg Sarre.

Die NEOS fordern die Einführung eines Chancenindex, bei dem allen Schulstandorten finanzielle Mittel - berechnet anhand des Bildungshintergrundes der Eltern - zur Verfügung gestellt werden, um der Vererbung von Bildungschancen entgegenzuwirken. Zudem sollte jede Schule personelle und budgetäre Autonomie bekommen.

NEOS-Kritik an Bundesministeriengesetz

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak kritisiert die Begründung für die geplante Verlagerung der Zuständigkeit für Telekom und Post vom Verkehrs- in das Landwirtschaftsministerium als "an den Haaren herbeigezogen". Außerdem lehnt er die (Wieder)Eingliederung des Verfassungsdienstes in das Kanzleramt ab.

Bei der Verschiebung der Zuständigkeit für Telekommunikation und Post entstehe der Eindruck, "dass die ÖVP den Zugriff auf staatsnahe Unternehmen und die damit verbundenen Posten sowie lukrative Aufträge mit allen Mitteln behalten will", so Scherak in einer Aussendung. Die Begründung, dass der Breitband-Ausbau essenziell für den ländlichen Raum sei, weist er zurück und meint, dass diese Agenden bei der ehemaligen jahrelangen A1-Chefin und Wirtschaftsministerin Schramböck besser aufgehoben wären. Darüber hinaus kritisiert er, dass es Justizministerin Alma Zadic mit dem Verlust des Verfassungsdienstes nicht möglich sein werde, wie von den Grünen versprochen, auf die Verfassung aufzupassen, da die Verfassung und die Grund- und Freiheitsrechte künftig in der Kompetenz des BKA liegen. Er habe diesbezüglich insbesondere in Hinsicht auf die geplante Präventivhaft große Bedenken.

Das neue Ministeriengesetz sieht eine Reihe von Kompetenzverlagerungen vor. So soll der Zivildienst vom Innen- in das Landwirtschaftsministerium wandern und das Bundesrechenzentrums in das Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort. Begründet wird letzteres seitens der Regierung mit einer geplanten Weiterentwicklung des Bundesrechenzentrums zu einem Kompetenzzentrum für Digitalisierung in der Bundesverwaltung.

Ärzte- und Apothekerkammer begrüßen Regierungsprogramm

Bei den Interessenvertretern der großen Gesundheitsberufe stößt das Regierungsprogramm auf weitgehende Zustimmung. Sowohl die Ärzte- als auch die Apothekerkammer begrüßten am Donnerstag die Vorhaben der türkis-grünen Koalition im Gesundheitsbereich.

Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart konstatierte für den niedergelassenen Bereich einige Punkte, die langjährigen Forderungen der Ärzteschaft entsprechen. Das deute auf eine "sehr positive und lösungsorientierte Zusammenarbeit" mit dem neuen Minister Rudi Anschober (Grüne) hin. Vor allem die geplanten Maßnahmen gegen den Ärztemangel und die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes erwähnte Steinhart in einer Aussendung lobend. Was ihm jedoch fehlt, ist ein klares Bekenntnis der Regierung, zusätzliches Geld in die Gesundheitsversorgung zu investieren.

Die Apothekerkammer begrüßte das "Bekenntnis zum System der öffentlichen Apotheken zur Medikamentenversorgung für die gesamte Bevölkerung unter Beibehaltung wohnortnaher und praxisorientierter Lösungen". Die Apotheken würden damit als tragende Säule des Gesundheitssystems anerkannt, zeigte sich Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr zufrieden.

Die Angelobung zum Nachlesen

(APA/red)

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