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"Erbärmliches, 'vermieterfeindliches' Flickwerk der Regierung"

Karlheinz P.* beim W&W-Gespräch.
Karlheinz P.* beim W&W-Gespräch. ©Wann & Wo
Dornbirn - Vermieter Karlheinz P.* wehrt sich gegen die derzeit aufflammenden Vorwürfe, Vermieter seien geldgierig und erklärt, wer für ihn die wirklich Schuldigen sind.
Grundstückspreise angeheizt
"Viele auf's große Geld aus"
Mieten eklatant gestiegen
Mieten steigen überproporional an

Seit Jahren vermietet der Dornbirner Wohnungen in seinem eigenen Haus und hat schon allerhand mit seinen Mietern erlebt. Doch die derzeitige Berichterstattung ist für ihn ein Grund, an die Öffentlichkeit zu treten: „Ich spreche hier nicht nur in meinem Namen, sondern auch im Namen vieler Vermieter in Vorarlberg, die es satt haben, über einen Kamm geschert zu werden“, erklärt Herr P. „Die Vermieter werden in den Medien derzeit pauschal verurteilt. Es wird niemals differenziert zwischen Mieten und Betriebskosten, denn genau Letzere sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und nicht die Mieten. Wir als Vermieter haben auf die Betriebskosten eigentlich null Einfluss.“ Und genau hier sei für ihn der Knackpunkt: „Wenn man Statistiken anschaut, sieht man, dass die eigentlichen Mieten kaum gestiegen oder in manchen Fällen sogar zurück gegangen sind.“ Wer wirklich für die horrenden Preise zur Rechenschaft gezogen werden muss, sind Energieversorger, aber auch die Gemeinden und das Land: „Sie setzen die Betriebsgebühren fest und müssen oft nicht einmal offen legen, warum diese zum Teil bis zu 30 Prozent gestiegen sind! Und auch der Staat bekommt von der Miete einiges zu sehen. Da verlange ich lieber weniger Geld und weiß, dass die Leute froh sind, hier wohnen zu können.“ Ein weiterer Grund für die hohen Mieten ist für Herrn P. das österreichische Mietgesetz: „Jahrzehntelang haben Regierungen daran herumgeflickt – ohne den Mut zu haben, grundlegend Wichtiges auf zeitgemäßes Niveau zu bringen. Was heute vorliegt, ist ein höchst kompliziertes, erbärmliches und nicht zuletzt sehr ‚vermieterfeindliches‘ Konglomerat aus längst überholten Gesetzen und einem Flickwerk an Novellierungen, das viele Vermieter mit Seitenblick auf die zusätzlichen steuerlichen Belastungen davon abhält, ihre Wohnungen zu vergeben“, erklärt Karlheinz P. und schlussfolgert weiter: „Infolgedessen stehen in Vorarlberg über 7000 Wohnungen leer – diese würden bei einer vernünftigen Gesetzeslage sicher mehrheitlich dem freien Wohnungsmarkt zugeführt werden, dadurch würden die Mietpreise erheblich sinken!“

Wenn Mieter nicht zahlen

Auch mit Mietprellern hat Karlheinz P. seine Erfahrungen gemacht und daraus gelernt: „Ich überließ eine Wohnung einer jungen Frau, die in Ausbildung war, vom AMS gefördert wurde und die BH-Garantie erhielt. Nach einem halben Jahr musste ich sie gerichtlich aus der Wohnung bitten, weil sie die Miete nicht mehr gezahlt hat. Sie ging sogar über Monate nur mehr beim Fenster ein und aus, weil sie den Schlüssel verloren hatte. Wenn ich versucht habe, sie zu kontaktieren, war sie nicht da oder hat die Tür nicht geöffnet. Die Wohnung war komplett verwüstet – die Wände mit Stiften versudelt“, erzählt der Vermieter weiter. „Ich sitze heute noch auf den Kosten, die ich für die Renovierung benötigt habe, denn die BH hat nur eine Haftungsgrenze von 1500 Euro.“ Für ihn ist das auch der Grund, warum Vermieter die BH-Garantie ungern sehen: „Weil schlussendlich ist der Vermieter immer der, der die Kosten trägt.“

Fehlende Kontrollen beim sozialen Wohnbau

Beim sozialen Wohnbau und geförderten Wohnungen sieht Herr P. Handlungsbedarf: „Dass man sozial schwachen Menschen Unterstützung bei einer Wohnung bietet, ist sehr gut, jedoch sollte das Ganze stärker kontrolliert werden. Ich kenne selbst Leute, die in so einer Wohnung leben und zwischenzeitlich sicherlich genug verdienen, um sich eine normale Wohnung leisten zu können. Hier sollte man beispielsweise nach zehn Jahren kontrollieren, ob der Förderungsbedarf immer noch gerechtfertigt ist. So würden auch wieder mehr soziale Wohnungen auf den Markt kommen!“

Wohnungen als Kapitalanlage

Banken und Immobilienfirmen werben oft mit Wohnungen als Kapitalanlagen: „Ich habe mir das einmal durchkalkuliert – das rechnet sich niemals. Ich kann jedem nur abraten, sein Geld in eine Wohnung zu investieren, da ist es sogar auf der Bank mit einem niedrigen Zinssatz besser aufgehoben ist und Nerven spart man sich auch!“, erklärt Herr P.

*Name von der Reaktion geändert

“Gemeinde-Gebühren sind viel zu hoch”

MMag. Dr. Markus Hagen von der Anwaltskanzlei Blum, Hagen und Partner ist Präsident der Eigentümervereinigung und spezialisiert auf Miet-, Wohn- und Liegenschaftsrechte.

WANN & WO: Die Mieten steigen in den letzten Jahren – sind die Preise gerechtfertigt?

Markus Hagen: Zuerst muss überhaupt die Frage geklärt werden, was gestiegen ist. Denn bei genauerer Betrachtung kann man erkennen, dass nicht die Mieten selbst gestiegen sind. Es sind vielmehr die Betriebskosten , welche in den letzten Jahren enorm zugelegt haben. Hierbei muss man beachten, dass die Betriebskosten ja nicht der Vermieter bekommt, diese werden ihm vorgeschrieben: Müll, Heizung, Versicherung, Abwasser, Strom, etc.

WANN & WO: Wieso sind die Betriebskosten explodiert?

Markus Hagen: Hier setzt unsere Kritik an. Die Gemeinden verlangen mittlerweile extreme Müll- und Wassergebühren und niemand weiß wirklich, wieso. Sie legen nicht offen, warum sie diese erhöhen und hier spreche ich von Zahlen, die sich um 30 bis 40 Prozent drehen. Nun steigen die Betriebskosten und plötzlich sprechen alle vom bösen Vermieter. Und der Staat nascht auch mit 20 Prozent Umsatzsteuer mit. Wir verlangen seit Jahren, dass man den Mietern endlich einmal sagt, wie sich diese Gebühren zusammensetzen.

WANN & WO: Was kann man bei einer Wohnungsübernahme tun, damit es zu keinen Missverständnissen kommt?

Markus Hagen: Den Vertrag sollte man sich unbedingt vorher genau durchlesen und nachfragen, wenn man etwas nicht versteht. Dafür steht beispielsweise die Mietervereinigung zur Seite und kann bei Unklarheiten helfen.

WANN & WO: Was kann die Politik in der Wohndebatte ändern?

Markus Hagen: Die Wohnbauförderung sollte wieder dem sozialen Zweck dienen, nämlich Familien, deren Einkommen nicht reicht, Wohnen möglich zu machen. Derzeit dreht sich jede Förderung nur rund um „Öko”, Energieeffizienz, Passivhaus, etc. Viele verzichten mittlerweile schon auf diese Förderung, weil sie günstiger davon kommen. Umweltbewusstsein beim Bauen und Wohnen ist natürlich wichtig, keine Frage, aber der soziale Aspekt darf nicht vergessen werden. Derzeit möchte das Land z.B. ein Gesetz einführen, um Hausdurchsuchungen legal durchführen zu können, nur um zu sehen, ob die Ökomaßnahmen auch wirklich mit dem Energieausweis übereinstimmen – sowas kann man einfach nicht machen. Zusammenstellung Betriebskosten Die Betriebskosten setzen sich zusammen aus den Wasser- und Kanalgebühren, Rauchfangkehrgebühren, Kanalräumung, Unratabfuhr, Schädlingsbekämpfung, Beleuchtung der allgemein zugänglichen Hausteile, Feuer- und Haftpflicht-Versicherung, Versicherung gegen Leitungswasserschäden, Verwaltungskosten, Hausbetreuung und der Grundsteuer.

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