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Entwurf zur Weiterbildungszeit sorgt für geteilte Reaktionen

Schumann will Menschen mit niedriger Qualifikation verstärkt ansprechen.
Schumann will Menschen mit niedriger Qualifikation verstärkt ansprechen. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Ab 2026 soll in Österreich die Weiterbildungszeit die bisherige Bildungskarenz ablösen – mit strengerem Zugang, weniger Geld und stärkerer arbeitsmarktpolitischer Ausrichtung. Doch schon vor dem Ende der Begutachtungsfrist fallen die Rückmeldungen aus den Organisationen gemischt aus.
Strengere Kriterien
Weiterbildungszeit statt Bildungskarenz

Die Stellungnahmen zur Weiterbildungszeit, die die Bildungskarenz ablösen wird, sind vor Ende der Begutachtungsfrist am Montag gemischt ausgefallen. Der Gewerkschaftsbund (ÖGB) etwa begrüßt die Neuregelung zwar grundsätzlich, ortet aber inhaltlichen und budgetären Anpassungsbedarf. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht die Neuerung positiv, stößt sich allerdings an der Kostenbeteiligung der Arbeitgeber. Befürchtet werden zusätzliche Barrieren für Menschen mit Behinderung.

Kritik und Lob für geplante Weiterbildungszeit

Mit der Weiterbildungszeit, die 2026 kommen soll, werden die Kriterien für den Bezug im Vergleich zur Bildungskarenz deutlich verschärft. Beispielsweise ist ein direkter Anschluss an die Elternkarenz nicht mehr möglich. Das Arbeitsmarktservice (AMS) prüft im Gegensatz zum alten Modell außerdem, ob die Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll und erfolgversprechend ist. Die Weiterbildung muss mindestens 20 Wochenstunden bzw. 16 Stunden mit Betreuungspflichten betragen. Um die Beihilfe zu bekommen, muss man mindestens 12 Monate beim aktuellen Arbeitgeber gearbeitet haben, in Saisonbetrieben sind drei Monate ausreichend.

Die Kosten für die Bildungskarenz beliefen sich zuletzt auf rund 650 Mio. Euro pro Jahr, nun hat die Regierung aus Spargründen nur mehr rund 150 Mio. Euro reserviert. Ziel der Neuregelung sei es unter anderem, Menschen mit formal niedriger Qualifikation verstärkt anzusprechen, betonte Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) zuletzt. Bis Montagmittag sind zu dem Entwurf 20 Stellungnahmen eingegangen.

ÖGB ortet "budgetär und inhaltlich" Nachholbedarf

Kritisch fiel die Bewertung des Gewerkschaftsbunds (ÖGB) aus, der sowohl "budgetär als auch inhaltlich dringenden Nachholbedarf" ausmacht. So sei die massive Budgetkürzung in Zeiten von "generellem Arbeits- und Fachkräftemangel" die "falsche Strategie", und der fehlende Rechtsanspruch und das damit verbundene Prinzip "First come, first serve" der falsche Weg. Als negativ bewertet der ÖGB die erschwerten Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Weiterbildungsbeihilfe, darüber hinaus sei nicht klar, nach welchen Maßstäben das AMS als Abwicklungsstelle eine Beihilfe gewähren wird können. Ferner müsse gewährleistet sein, dass Arbeitnehmende "rasch Klarheit haben, ob die Weiterbildungsbeihilfe genehmigt wird, um nicht im schlimmsten Fall ohne Beihilfe karenziert zu sein".

Wirtschaftskammer begrüßt Modell - Kritik an Arbeitgeberbeteiligung

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) begrüßt in ihrem Statement die "kommende stärkere Fokussierung auf arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Aus- und Weiterbildungen". Damit werde "der Kritik des Rechnungshofes nachgekommen", wonach bei der Bildungskarenz "in vielen Fällen nicht die Ausbildung im Vordergrund stand, sondern die Verlängerung der Babypause oder eine sonstige Auszeit". Außerdem sei es in "Zeiten von Budgetknappheit unerlässlich, dass mit den Beiträgen der Versichertengemeinschaft sparsam umgegangen wird". "Sehr kritisch" sieht man in der Wirtschaftskammer jedoch die angedachte verpflichtende Beteiligung der Arbeitgeber an den Ausbildungskosten. "In den meisten Fällen wird die Bildungskarenz von den Arbeitnehmern initiiert und ist in deren Interesse, weshalb diese zusätzliche Belastung der Arbeitgeber nicht begründbar ist", argumentiert sie.

Sozialwirtschaft: Arbeitgeber fordern Anpassung der Wochenstunden

Für die Arbeitgeberverbände der Freien Wohlfahrt (IAFW) - darunter unter anderem soziale Träger wie Caritas, Diakonie oder Rotes Kreuz - sind die "hohen Mindestwochenstunden für Teilzeit- und Schichtkräfte in der Sozialwirtschaft realitätsfern". Geht es nach ihnen, sollten die Zugangsvoraussetzungen für das Sozial- und Gesundheitswesen flexibilisiert werden, außerdem stoßen sie sich wie die Wirtschaftskammer an der verpflichtenden Arbeitgeberzuzahlung.

Hürden für Menschen mit Behinderung befürchtet

Gewarnt wird auch vor negativen Konsequenzen für Menschen mit Behinderung. So weist etwa der Dachverband Berufliche Inklusion ("dabei Austria") darauf hin, dass sich die Voraussetzung eines aufrechten Arbeitsverhältnisses von mindestens 12 Monaten als Hürde für die Weiterbildung erweisen könnte. Außerdem würden die vorgesehenen Mindeststunden für Menschen mit Behinderungen eine oft nicht erfüllbare Zugangsvoraussetzung darstellen. Ähnliche Kritik äußerte der Dachverband IDEE Austria, der die Interessen von Menschen mit psychosozialen Behinderungen und psychischen Erkrankungen vertritt.

Ob das Gesetz "bildungsbenachteiligte bzw. formal Geringqualifizierte" ansprechen wird, stellt wiederum der Verband Österreichischer Volkshochschulen aufgrund des geringeren Fördervolumens sowie des fehlenden Rechtsanspruchs infrage. Außerdem ist für die Organisation noch unklar, welche Kurse künftig durch das AMS anerkannt werden.

IV sieht Reform positiv, Momentum ortet "Rückschritt" für Frauen

Als "notwendigen Schritt" bezeichnete die Reform der Bildungskarenz die Industriellenvereinigung (IV), die in einer Aussendung am Montag eine "stärkere Arbeitsmarktorientierung" und "Effizienzsteigerung" hervorhob. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut wiederum sieht in der Weiterbildungszeit einen "Fortschritt für Niedrigverdienende", aber ein "Rückschritt für Frauen". Das Institut verwies dabei auf Studien, wonach "die bisherige Bildungskarenz gerade für Mütter eine Brücke zurück ins Berufsleben war".

(APA/Red)

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