Der härteste Ausbildner des Bundesheeres outet sich als homosexuell und heiratet in der Kaserne seinen jungen Partner, in den er sich beim Heer verliebt hat und der ebenfalls ein begeisterter Soldat ist. Als Filmsujet müsste man sagen: total kitschig und völlig unglaubwürdig. Bei "Eismayer" ist das anders. Der Umstand, dass es sich um eine - weitgehend - wahre Geschichte handelt, dass sogar Namen der Protagonisten und der Schauplatz authentisch sind, verändert die Sicht.
Eismayer - Kurzinhalt zum Film
Ohne Zustimmung von Vizeleutnant Charles Eismayer und Major Mario Falak und Unterstützung des österreichischen Bundesheeres hätte der Film, der nach seinem Viennale-Einsatz am Sonntag und Montag ab 28. Oktober regulär im Kino zu sehen ist, nicht gedreht werden können. Denn obwohl er immer wieder wie ein Märchen wirkt, orientierte sich Regisseur und Drehbuchautor David Wagner stark an den "wahren Begebenheiten", die in solchen Fällen im Vor- oder Nachspann den Bezug zum realen Leben herstellen. Das Leben, das "Eismayer" führt, kommt den meisten Kinozusehern wohl ohnedies fremd genug vor: Ein Berufssoldat, der seine Berufung darin sieht, den jungen Rekruten zu vermitteln, dass bei ihm in der Kaserne und später im Ernstfall im Feld nur die Härtesten überleben, ist weder eine alltägliche Erscheinung noch ein Sympathieträger.
Dieser betonharte Finsterling, der am liebsten schreiend kommuniziert und in seiner Wortwahl gerne in die unterste Schublade greift, hat aber auch seine weichen Seiten. Die sieht man zu Hause, bei seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Doch man merkt deutlich: Hier fühlt er sich nicht wohl. Sein Zuhause ist die Männerwelt der Kaserne. Die emotionale Zerrissenheit der Hauptfigur, die man auch beim flüchtigen, harten, schwulen Sex am Parkplatz zu sehen bekommt, wird in der Darstellung von Gerhard Liebmann in allen Facetten nachvollziehbar. "Ich bin völlig anders und habe diese Art Mensch auch noch nie gespielt. Der Eismayer sticht heraus aus meiner Filmografie", meint der 52-Jährige im APA-Interview. Der 2014 mit dem Österreichischen Filmpreis und dem Diagonale Schauspielpreis Ausgezeichnete hat seinen eigenen Weg zum Kern der Figur gefunden. Die berührendsten Momente hat dieser Eismayer mit seiner Gattin (Julia Koschitz) und seinem kleinen Sohn (Lion Tatzber). Der erklärt seinem Papi, es sei doch gar nichts dabei, Männer zu mögen. Auch er mache sich nichts aus Mädchen...
Eismayer - Die Kritik
Und die Liebesgeschichte? Luka Dimic spielt einen selbstbewussten jungen Mann, der aus seiner Homosexualität kein Hehl macht und sich trotzdem von der martialischen Welt der Garde fasziniert zeigt. Er bietet den Stänkereien der Kollegen ebenso die Stirn wie der übertriebenen Härte des sich von ihm herausgefordert fühlenden Ausbildners. Dass dabei nicht nur Funken geschlagen werden, sondern es zwischen den beiden auch "funkt", ist nicht wirklich glaubwürdig - aber dennoch gut gespielt. Auch der Umgang von Truppe und Institution mit der neuen Situation wirkt nicht ganz lebensecht. Nicht Homosexualität im Bundesheer, sondern Eismayers übertriebene Schleifmethoden sind seinem Vorgesetzten ein Dorn im Auge.
In die gleiche Kerbe schlägt ein offizielles Statement, das das Bundesheer dem Film mitgibt: "Im gegenwärtigen Ausbildungssystem nehmen der respektvolle Umgang, Diversität und interkulturelle Kompetenz einen besonderen Stellenwert ein", heißt es dort. Ob das tatsächlich den Erfahrungen des jungen, männlichen Kinopublikums entspricht, muss dieses selbst beurteilen. Man habe keinesfalls einen Werbefilm für das Bundesheer machen wollen, beteuern Regisseur und Hauptdarsteller unisono. Der Ukrainekrieg hätte allerdings so manche ihrer bisherigen pazifistischen Überzeugungen ins Wanken gebracht.
Gemeinsam mit Wagner und Liebmann wurden auch Eismayer und Falak vor wenigen Woche bei den Filmfestspielen in Venedig bei der Entgegennahme des Preises für den besten Spielfilm in der Settimana Internazionale della critica gefeiert. Dabei sollen die beiden Soldaten die eine oder andere Träne im Augenwinkel gehabt haben. Und sie reagierten auf den Applaus, wie sie es gelernt haben: mit einem strammen Salutieren.
(APA/red)
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